FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl

Drasenhofen: Waldhäusl ordnete persönlich Stacheldrahtzaun an

Neue Dokumente belegen: FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl ordnete persönlich Stacheldraht und Hunde im Flüchtlingsquartier Drasenhofen an. Dazu kamen dubiose Aufträge an das Security-Unternehmen NSA – wesentliche Vertragsinhalte wurden offenbar missachtet.

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Gottfried Waldhäusl dürfte eine Vorahnung gehabt haben, dass ihm die Rolle als niederösterreichischer Landesrat nicht gut bekommen würde. „Ich werde es nicht sein“, versuchte sich der frühere FPÖ-Klubobmann nach den NÖ-Landtagswahlen im Jänner dieses Jahres aus dem Rennen um den hochrangigen Posten zu nehmen. Er wolle Klubchef im Landtag bleiben, erklärte Waldhäusl. Es bedurfte mehrerer Überzeugungsversuche seiner blauen Parteifreunde, ehe Waldhäusl schließlich einwilligte und das Amt Anfang Februar antrat.

Zehn Monate später steht der FPÖ-Landesrat für Asyl, Tierschutz und Gemeindeärzte im Zentrum einer Affäre, die immer weitere Kreise zieht. Für die erste große Empörung sorgte vor gut zwei Wochen Waldhäusls Prestigeprojekt: das neue Flüchtlingsheim für „auffällig gewordene“ unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Drasenhofen.

Es glich einem Gefängnis: von Stacheldrahtzaun umgeben, von Securities bewacht und mit Ausgangssperren belegt.Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), Waldhäusls Koalitionspartnerin, ordnete die Schließung des Heimes an und gab dem FPÖ-Mann wörtlich eine „letzte Chance“. Schon droht aber neues Ungemach: Dubiose Auftragsvergaben an die Sicherheitsfirma NSA Bewachung Detektei GmbH, die der FPÖ-Mann im Asylbereich einsetzte, und der Vorwurf von Schmiergeldzahlungen bringen Waldhäusl zusätzlich in Bedrängnis.

profil liegen nun neue Dokumente vor. Sie belegen erstmals, dass es der FPÖ-Landesrat selbst war, der das kinderrechtswidrige Sicherheitskonzept mit Stacheldraht und Dauerbewachung anordnete. Und Unterlagen aus dem niederösterreichischen Landesdienst zeigen, dass die Verträge zwischen der Sicherheitsfirma NSA und der Abteilung, die Waldhäusl unterstellt ist, vom Auftragnehmer teilweise missachtet wurden; teilweise waren die Vertragsinhalte gar nicht erfüllbar.

Order von ganz oben

Mit der Causa Drasenhofen befasste sich vergangenen Donnerstag der Niederösterreichische Landtag und urgierte beim Landesrechnungshof eine Sonderprüfung des freiheitlichen Flüchtlingsregimes. Bereits zuvor hatten die NEOS im Landtag eine schriftliche Anfrage an Waldhäusl eingebracht. Eine der wesentlichen Fragen zu Drasenhofen: „Welche Leistungen beinhaltete das sogenannte Sicherheitskonzept?“

profil liegt dieses Konzept vor. In der Leistungsvereinbarung mit dem Quartierbetreiber werden explizit die „Wünsche des Herrn Landesrat“ angeführt. Waldhäusl verlangte unter anderem die Bewachung durch einen Hund, eine Kamera beim Eingang und einen Zaun aus Stacheldraht, „damit nicht überklettert werden kann“. Der Aufenthalt in Drasenhofen sollte so unangenehm wie möglich gestaltet werden: Das Konzept sah strenge „Ausgangsbeschränkungen“ vor; außerdem sollten die Jugendlichen bei „anfallenden Arbeiten in der Einrichtung“ mitarbeiten. Dazu ordnete Waldhäusl an: „Kein Free-Welan.“ (sic!)

Um die Vorschriften und Verbote zu exekutieren, sollte laut Sicherheitskonzept eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung des Quartiers durch drei Securities erfolgen. Das Sicherheitspersonal war der teuerste Projektposten; zum üblichen Tagsatz für unbegleitete Minderjährige von 95 Euro pro Person und Tag versprach Waldhäusls Ressort dem Quartierbetreiber weitere 188 Euro für die Sicherheitskosten. Damit wären die monatlichen Kosten pro Flüchtling bei rund 8500 Euro gelegen – weit über den marktüblichen Auslagen für Quartiere mit pädagogischer Betreuung.

Rigorose Wunschliste

Die rigorose Wunschliste des Landesrats brachte die zuständige Fachabteilung des Landes, die Abteilung für Kinder- und Jugendhilfe, ins Schwitzen. Da Waldhäusl für den 26. November einen Besuch des Flüchtlingsquartiers in Drasenhofen plante, musste alles ganz schnell gehen. Eine Landesbeamtin verschickte eilig Mails und ordnete die Verlegung mehrerer Jugendlicher nach Drasenhofen an (profil berichtete vor zwei Wochen).

In einer weiteren, bisher unveröffentlichten Mail an den Quartierbetreiber drängte dieselbe Beamtin mit Nachdruck auf die strikte Umsetzung des Sicherheitskonzepts: „Herr Landesrat Waldhäusl besucht am Montag Drasenhofen“, kündigte sie darin an. Ihr Auftrag sei es, sich „rückzuversichern, dass all die vorgesehenen Vereinbarungen auch getroffen wurden, damit sich der Hr. Landesrat ein Bild machen kann“. Wichtig seien „vor allem der Zaun (3 fach Stacheldraht!) und Hund im Auftrag v Hr. Landesrat“.

Die Anordnung der höchst umstrittenen Maßnahmen kam also von ganz oben. In der geforderten Eile konnte der Quartiergeber in Drasenhofen die Vorgaben offenbar nicht ganz erfüllen. Der Eingangsbereich des Flüchtlingsquartiers war von einem Bauzaun umgeben. Darauf wurde zwar Stacheldraht montiert – allerdings nur in einfacher Ausführung und nicht dreifach, wie von Waldhäusl gewünscht.

Keine Reue

Wie der Landesrat bei seinem Besuch auf den Schmalspurdraht reagierte, ist nicht überliefert. Bis heute ließ der FPÖ-Mann jedenfalls keine Reue erkennen. Auf die Frage, ob er grundsätzlich an Konzepten wie dem geschlossenen Quartier in Drasenhofen festhalte, sagte Waldhäusl am vergangenen Mittwoch: „Die neue Art an Gewalt, die wir jetzt feststellen mussten, zeigt eindeutig, dass wir jene, die gewalttätig sind, die selbst- und fremdgefährdend sind, tatsächlich von jenen trennen müssen, die sich integrieren wollen.“ Waldhäusl forderte wörtlich eine „Sonderbehandlung“ für integrationsunwillige Asylwerber. In der NS-Zeit galt „Sonderbehandlung“ als Code für die Ermordung von Menschen; der FPÖ-Landesrat steht seither erneut massiv in der Kritik.

Nach gleichlautenden Berichten zweier profil-Informanten konzipierte Waldhäusl ein zweites Quartier nach dem Vorbild von Drasenhofen – und zwar für erwachsene Flüchtlinge. Bisher gelangte das Projekt nicht zur Ausschreibung. Es dürfte am Widerstand der zuständigen Fachbeamten gescheitert sein.

Missachtete Verträge

Das Asylwesen zählt zwar nicht zu den Kernkompetenzen der NSA Bewachung Detektei GmbH, doch das Land Niederösterreich – genauer: Landesrat Gottfried Waldhäusl – scheint dem Sicherheitsdienstleister blind zu vertrauen. Zumindest zwei Aufträge und eine Projektförderung wurden der NSA seit Waldhäusls Amtsantritt gewährt, darunter auch die Rückkehrberatung von Asylwerbern mit negativem Asylbescheid. Die Idee des Projekts ist simpel: Fremde, die vor der Abschiebung stehen, sollen zur freiwilligen Rückkehr in ihr Heimatland bewogen werden. Als Anreiz gibt es Finanzhilfen für das neue Leben in der alten Heimat. Die Republik erspart sich dadurch Kosten für teure Charter-Abschiebungen.

Bemerkenswert am Auftrag an die NSA ist allerdings, dass vom Innenministerium bereits seit Jahren zwei Organisationen bundesweit mit der Rückkehrberatung betraut sind: der Verein Menschenrechte und die Caritas. Warum also bezahlt das Land Niederösterreich ein anderes Unternehmen für dieselbe Leistung? Tatsächlich dürfte es zu Doppelgleisigkeiten gekommen sein, wie ein Jurist des Landes bei der Abrechnung des Projekts in einer internen Mail feststellte, die profil vorliegt: „Durch NSA wurde der Punkt 4 des Vertrags nicht eingehalten. Scheinbar wurden die Fremden beraten, obwohl teilweise schon Beratungen durch VMÖ (Verein Menschenrechte, Anm.) erfolgt sind.“ Das bestätigt auch die Diakonie: Eine afghanische Familie, die in einem Quartier der Organisation untergebracht war, wurde im Juni von der NSA und vom Verein Menchenrechte beraten.

Die NSA hat also Personen hinsichtlich ihrer Rückkehr beraten, die bereits in Beratung waren – und wurde dafür bezahlt.

Das ist jedoch nicht die einzige Unstimmigkeit. Der Verein Menschenrechte führt akribisch Buch über den Erfolg seiner erbrachten Dienste: Rund 15.000 Beratungsgespräche bewogen heuer 2700 Menschen zur freiwilligen Rückkehr, was einer Erfolgsquote von 18 Prozent entspricht. Die Kosten für Heimreise und Startgeld trägt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) nach erfolgtem Antrag durch Verein Menschenrechte und Caritas. Wie sieht die entsprechende Statistik der NSA aus? Der Sprecher des Innenministeriums erklärte nach Rücksprache mit dem BFA gegenüber profil: „Diese Security-Firma ist uns nicht bekannt. Die zwei Organisationen (Verein Menschenrechte und Caritas, Anm.) sind die einzigen, die Anträge stellen dürfen. Auf dem entsprechenden Formular kann man gar nichts anderes ankreuzen. Es wäre nicht zulässig, dass diese Security-Firma solche Anträge stellt.“

Erfolgsquote von null Prozent

Dabei schreibt der Vertrag zwischen NSA und Land Niederösterreich genau das vor: Die NSA sollte die Beschaffung von Dokumenten und Botschaftskontakte für die Rückkehrwilligen in Absprache mit dem BFA abwickeln. Das ist nicht passiert, weil es vom BFA gar nicht vorgesehen ist. Die Erfolgsquote der NSA in diesem Bereich liegt folglich bei null Prozent.

Und: Die NSA dürfte deutlich weniger Asylwerber bezüglich ihrer Rückkehr beraten haben als vom Land beauftragt – nämlich nur 79. Der Landesjurist folgert in seiner Beurteilungsmail: „Ich kann diese Rechnung im vorliegenden Ausmaß nicht als sachlich und richtig qualifizieren.“ Der Jurist regte an, das Projekt nochmals zu kontrollieren.

Die Projektsumme – immerhin 25.000 Euro – wurde dennoch an die NSA überwiesen, wenn auch mit Abzügen, teilte das Büro Waldhäusl profil mit: „Die Rechnung wurde von den dafür zuständigen Beamten nachweislich geprüft und im Akt sachlich und rechnerisch für in Ordnung befunden. Gemäß dieser Prüfung erfolgte ein entsprechender Abzug.“

Einen indirekten, wenn auch nicht vertraglich festgeschriebenen Nutzen hatten die Rückkehrberatungen der NSA aus Sicht von Waldhäusl trotzdem: Abgelehnte Asylwerber, die sich gegenüber der NSA als „nicht rückkehrwillig“ deklarierten, wurden aus der Grundversorgung des Landes entlassen.

Eine weitere mögliche Unstimmigkeit rund um das Projekt machte vor zwei Wochen die Rechercheplattform „Addendum“ öffentlich: Ein Subunternehmer der NSA, der den Auftrag durchführte, soll eine Honorarnote in der Höhe von 12.000 Euro an die NSA gelegt haben. Der Rückkehrberater behauptet, dass ihn daraufhin die NSA-Führung um eine Scheinrechnung in der Höhe von rund 60.000 Euro gebeten habe, berichtete „Addendum“. Das Geld hätte an das Büro Waldhäusl zurückfliesen sollen. Das wäre eine unerlaubte Kickback-Zahlung. Die Beschuldigten bestreiten das vehement, für sie gilt ausnahmslos die Unschuldsvermutung.

Wirtshauskultur

Als hätte der FPÖ-Mann nicht bereits genügend Erklärungsbedarf, veröffentlichte „Der Standard“ in der Vorwoche Details zu einem Unternehmen, dessen Geschäfte Waldhäusl bis 2008 führte: der Waldhäusl nunmehr GmbH & Co KG. Zu dem Betrieb gehört ein Gasthaus in Waldhäusls Heimatstadt Waidhofen an der Thaya, das seine Frau bewirtschaftet. Offiziell wird die Gesellschaft mit Waldhäusls Namen vom Beratungsunternehmen Euro-Consult geführt – allerdings nur treuhänderisch. Für wen, das ist offen. Es gibt jedenfalls Hinweise, dass Waldhäusl mehr Mitsprache hat, als er haben dürfte. Denn als Landesrat gilt für ihn ein Verbot von Nebenbeschäftigungen. Bei der Eröffnungsfeier des Gasthauses hielt er die Ansprache. Die „Niederösterreichischen Nachrichten“ berichteten, Waldhäusl selbst habe das Wirtshaus gekauft, obwohl es laut Grundbuch besagter Firma gehört. Waldhäusl bestreitet, in die operativen Geschäfte der GmbH involviert zu sein.

Allen Affären und Skandalen zum Trotz ist Waldhäusl als Landesrat kaum abzusetzen. Möglich macht das die Geschäftsordnung des NÖ-Landtages; nicht einmal die ÖVP-Mehrheit könnte Waldhäusl abwählen. Nur die FPÖ wäre in der Lage, ihren eigenen Landesrat seines Amtes zu entheben. Landeshauptfrau Mikl-Leitner hätte dennoch eine Handhabe: Die Landesregierung könnte Waldhäusl die Kompetenzen entziehen. Fragt sich also, wie lange der FPÖ-Mann seine „letzte Chance“ noch strapazieren darf.

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Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.