Drei rechtsextreme Verschwörungsmythen im Video der FPÖ-Jugend
Es wäre nicht Österreich, wenn es so wie überall sonst ablaufen würde. Vor ein paar Tagen war die letzte Generation für die meisten noch ein Haufen Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten; Menschen, die sich vorrangig auf Autobahnen und Verkehrsknotenpunkten festgeklebt haben, mit orangen Warnwesten und Schildern, die vor Klimakipppunkten warnen. Und heute, kaum zwei Tage später, gibt es ein Video vom Ring Freiheitlicher Jugend Österreich, der sich neuerdings ebenfalls als eine letzte Generation verstehen will – nicht im Sinne der Klimapolitik natürlich, sondern in Bezug auf „Heimat“ und „Traditionen“ – und alles ist anders.
Zwei Minuten 23 dauert der Video-Anwerbeversuch für neue Mitglieder, es beginnt düster: „Die herrschende Politik in Österreich und Europa sorgt dafür, dass wir keine Zukunft haben werden. […] Wir sind Österreichs letzte Chance. Eine Generation, ein Schicksal, eine letzte Chance.“ Es folgen Bilder von rechten Intellektuellen: Alain de Benoist, Armin Mohler, Ernst Jünger. Es geht viel um „Identität“, um „unser Land“, um „linksliberale Indoktrination“. Gezücktes Messer, Regenbogenfahne, Dragqueen. Dazwischen verstecken sich Anspielungen auf bekannte rechtsextreme Verschwörungsmythen, teilweise subtil, und dann doch wieder unverfroren offen.
1. Das ewige Lied vom Bevölkerungsaustausch
Der „Große Austausch“ ist keine neue Erzählung. Der Mythos, die weiße Mehrheitsbevölkerungen der westlichen Staaten würde durch die Einwanderung von nicht-weißen beziehungsweise muslimischen Menschen ersetzt werden, hält sich. Bekannt machte ihn vor allem der französische Autor Renaud Camus und die Identitäre Bewegung. In den letzten zwei Jahrzehnten war er außerdem immer wieder Motiv für rechtsextreme Terroranschläge, man denke an Utøya oder Christchurch.
Nun gehört er mittlerweile auch für die Freiheitlichen zum Standardrepertoire. Schon 2022 setzte die Freiheitliche Jugend Oberösterreich auf den Verschwörungsmythos. Mit Hilfe eines Online-Dashboards diagnostizierten sie der autochthonen österreichischen Bevölkerung noch 31 Jahre und rund fünf Monate bis zu einem „Kipppunkt“ – ab dem hätte die Mehrheit der Bevölkerung dann Migrationshintergrund. Die Rechnung war in vielerlei Hinsicht widersprüchlich, laut Fachleuten sogar „höchst problematisch“. Ein Faktencheck des profil kam schon damals zum Schluss, die Annahme, ein Migrationshintergrund würde sich ewig weiter vererben lassen, sei „realitätsfern“.
2. Die Mär einer neuen Weltordnung
Nun kommt ein Verschwörungsmythos selten allein. Im Zuge einer Aufzählung von freiheitlichen Horrorszenarien – schwarz-weiße Bilder, bedrückende Musik – scheint beim Punkt „Globalisierung“ ein Bild von Klaus Schwab auf, Gründer und geschäftsführender Vorsitzender des Weltwirtschaftsforums. Seit den 1990ern werden immer wieder vermeintliche Theorien laut, geheime Eliten würden im Untergrund an einer autoritären, supranationalen Weltregierung arbeiten. Und als das Weltwirtschaftsforum dann während der Corona-Pandemie eine Initiative mit dem Namen „The Great Reset“ veröffentlichte – man beschäftigte sich mit der Weltwirtschaft – war das für viele ein gefundenes Fressen. Die politisch und finanziell Mächtigen würden die Pandemie steuern und dazu nutzen, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Klaus Schwab wurde dabei immer wieder zum Gesicht, zum absoluten Bösewicht, dieser Erzählung.
Trotz fehlender Nachweise floriert der Mythos einer global agierenden „Elite“, immer wieder auch an antisemitische Narrative geknüpft, noch immer. Die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) erklärte profil bei einem Hintergrundgespräch, dass der Great Reset aktuell der „Dauerbrenner“ unter den Verschwörungsmythen sei.
3. Die Untergangs-Metapher Notre-Dame
Im Video ist fast eine Minute vergangen, mittlerweile werden zwischen die schwarz-weißen freiheitlichen Schreckensvorstellungen – Kriminalität, Masseneinwanderung, Sprachverbote – Videoaufnahmen von jungen FPÖ-Anhängerinnen und Anhängern geschnitten, in Farbe, mit epischer Musik. Trachten, Bundesheer, rot-weiß-rote Fahne am Berggipfel. „Wir sind die jungen Österreicher, die der linksliberalen Indoktrination widerstehen. Wir erkennen, wie der Zeitgeist unsere Heimat und unsere Traditionen für eine multikulturelle Dystopie opfert“, sagt der Sprecher. Und bei „multikulturelle Dystopie“ flackert kurz ein Video vom Großbrand in der Pariser Kathedrale Notre-Dame auf.
Im Internet verbreitete sich zu diesen Bildern 2019 der Verschwörungsmythos, muslimische Personen hätten die Kirche angezündet. Notre-Dame wurde in rechtsextremen Kreisen dementsprechend nicht nur zu einer Art Metapher für den „Untergang des christlichen Abendlandes“, man stellte trotz widersprechender offizieller Stellungnahmen von französischen Behörden Zusammenhänge zu einem potenziellen Brandanschlag her. Dass tat unter anderem auch Alice Weidel, Politikerin der deutschen AfD, in einem Facebook-Posting. Fakt ist aber: Bis heute ist die Ursache des Brands ungeklärt. Die Behörden gehen davon aus, dass entweder ein Kurzschluss oder eine weggeworfene Zigarette für den Brand verantwortlich waren. Hinweise für eine mutwillige Brandstiftung gibt es nicht.
Das Video der FPÖ-Jugend endet mit: „Wir sind die Jugend, die vorangeht. Geh mit!“ Gerne auch mit dem ein oder anderen Verschwörungsmythos.