"Ich lasse die Extras weg, die man sich sonst mal gönnt" meint Aleyna
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Preissteigerung: Dürfte ich bitte Ihren Einkauf sehen?

Kaufen Menschen wegen der Inflation anders ein? profil bat Menschen, ihre Einkäufe und Einkaufszettel herzuzeigen. Ein Stimmungsbild.

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von Emilia Garbsch

"In die meisten Abfederungsmaßnahmen falle ich wohl nicht hinein"

Klaudia M.*, Mitte 60, Pensionistin 18. Bezirk, Hofer-Filiale

"Ich merke die Teuerung vor allem am Obst und an den Milchprodukten stark, zum Beispiel beim Joghurt, das ich eben gekauft habe. Ich verzichte nicht auf Produkte, doch ich kaufe jetzt bewusster, schaue genauer auf Sonderangebote. Aber ich versuche weiter, regional zu kaufen. Ich habe Fernwärme, das wird sich im Winter auf die Miete schlagen. Auch für Strom muss ich jetzt bei gleichem Verbrauch 30 Prozent mehr zahlen. In die Zukunft blicke ich gemischt. Billiger wird es nicht mehr werden. Damit muss man halt leben und schauen, wo man Abstriche macht. Ich gehe viel in Theater und Museen. Da muss ich mir überlegen: Muss ich unbedingt gehen? Kann ich in eine Generalprobe, um zu sparen? In die meisten Abfederungsmaßnahmen falle ich wohl nicht hinein, fürchte ich. Den Energiebonus bekomme ich erst nächstes Jahr im April mit der Abrechnung, also hilft mir das erst mal nicht. Aber dann bin ich sicher froh."

"Ingwer ist fast dreimal so teuer"

Victor C.*, Anfang 30, arbeitslos 16. Bezirk, Lidl-Filiale

"Ich bin seit Corona arbeitslos und habe jetzt ein kleines Kind. Die Windeln sind teurer geworden und auch sonst alles andere. Der Spinat am Brunnenmarkt hat früher einen Euro gekostet, jetzt sind es zwei Euro fünfzig. Ingwer ist fast dreimal so teuer. Ich kaufe nur das Nötigste, Reisen fällt ganz weg. Mein Verlobter arbeitet im Schichtbetrieb, also bräuchte ich einen Job, der mit Kinderbetreuung vereinbar ist. Das findet man kaum."

"Ich merke, dass unsere Kunden anders einkaufen"

Soren L.*, 29, Supermarkt-Mitarbeiter 5. Bezirk

"Bei meinem Einkaufsverhalten hat sich nicht so viel verändert, weil ich nebenher noch im Personal Trading selbstständig bin und deswegen keine finanziellen Sorgen habe. Aber ich merke, dass unsere Kunden anders einkaufen. Beim Gebäck wird vermehrt das in Aktion vom Vortag gekauft. Die Leute kommen auch früher am Tag, weil es da eher noch die verbilligten Produkte gibt, etwa Waren kurz vor Ablaufdatum zum halben Preis. Großeinkäufe werden eher am Monatsanfang gemacht, gegen Monatsmitte flacht das ab, sodass nur mehr das Nötigste gekauft wird. Oft kommen tagtäglich die Preiserhöhungen, und wir kommen nicht hinterher, die Preisschilder anzupassen. Da beschweren sich dann die Kunden an der Kassa, wenn es mehr kostet als angeschrieben."

"Wir essen auch deutlich weniger"

Aleyna R.*, 17, Schülerin 16. Bezirk, Lidl-Filiale

"Es ist schwer für mich, zu sehen, dass alles so teuer geworden ist. Im August müssen wir 500 Euro für Betriebskosten zahlen. Woher soll ich das Geld bekommen? Meine Eltern sind beide über 60 und sprechen kein Deutsch. Ich muss mich neben der Schule um Behördengänge und die Anträge für finanzielle Hilfen kümmern. Wir kaufen jetzt weniger ein, verzichten auf noch mehr. Wir essen auch deutlich weniger. So sehr, dass ich zu wenig Vitamine zu mir genommen habe und beim Arzt war, weil ich so gezittert habe. Ich habe meine Schwester seit acht Jahren nicht gesehen. Wir wollten sie im Sommer in der Türkei besuchen. Aber das geht jetzt halt nicht. Ich würde mir wünschen, dass alles wieder in den Griff kommt. Ich verstehe, dass Krieg ist und es schwer ist, alles zu bekommen. Aber mir kommt es komisch vor, dass alles so viel teurer ist. Als Politiker mit großem Einkommen ist es einfach, aber als Familie mit zwei Pensionisten, auf die ich allein aufpassen muss, ist es schwer."

"Ich lasse die Extras weg, die man sich sonst mal gönnt"

Anton O.*, Anfang 40, Mitarbeiter der französischen Botschaft 1. Bezirk, Gourmet-Spar-Filiale

"In der Basis hat sich nicht viel verändert. Ich lasse die Extras weg, die man sich sonst mal gönnt. Ich verzichte lieber auf Genussartikel, als bei der Qualität zu sparen und die billigen Eigenmarken zu nehmen. Auf Rabatte schaue ich aufmerksamer. Heute war der Topfen zum Beispiel billiger ab zwei Packungen, also habe ich zwei genommen. Aber ich habe trotzdem die Milch und Obst in Bioqualität gekauft. Die Gegenmaßnahmen der Politik sind für mich noch etwas diffus, nicht nachvollziehbar. Der Energiezuschuss etwa kommt spät für einige. Ich glaube, die Leute haben deswegen das Gefühl, dass ihnen jetzt niemand aushilft und sie allein sind."

"Als Nachkriegsgeneration haben wir Verzicht gelernt"

Heidi B.*,79, Pensionistin 15. Bezirk, Billa-Filiale

"Ich habe schon in der Pandemie bemerkt, dass es beginnt. Da sind die Packungen kleiner geworden. Es ist erschreckend, aber ich bin dankbar, dass ich durchkomme, auch wenn ich Sachen zurückstelle, die ich früher gekauft habe. Die guten Marmelade-Gläschen etwa, die mochte ich so gerne. Als Nachkriegsgeneration haben wir Verzicht gelernt und zusammengehalten. Heute sind alle zu verwöhnt, es gibt keinen Zusammenhalt mehr."

"Durch die Hilfen von der Regierung ist schon etwas zu holen"

Laura P.*, Ende 20, Billeteurin im Konzerthaus 1. Bezirk, Gourmet-Spar-Filiale

"Ich habe eben nur Traubenzucker gekauft, aber generell hat sich mein Einkaufsverhalten nicht verändert. Ich bin in einer Food-Coop Mitglied, bei der wir direkt von Bauern Lebensmittel beziehen. Die haben die Preissteigerung noch nicht an uns weitergegeben, also spüre ich beim Essen wenig. Und durch die Hilfen der Regierung, Langzeit-Kurzarbeit-Bonus und Energiebonus, ist schon etwas zu holen. Das hat für mich doch viel abgefedert."

"Ich mache mir Sorgen um den sozialen Frieden"

Katharina F.*, Anfang 50, Selbstständige Beraterin 18. Bezirk, Hofer-Filiale

"Mein Einkaufsverhalten hat sich nicht wirklich geändert. Ich kaufe weiter Bio, weil ich mich weigere, mich dem zu beugen. Ich verzichte lieber, als ein scheiß Verhalten zu fördern. Ich fürchte mich nur bisschen vor dem Winter. Aber mehr wegen der Leute, da hat es vielen bei Covid schon den Vogel hinausgehaut. Wenn Teuerung und Krise zusammenkommen, können viele die Komplexität nicht mehr erfassen. Da mache ich mir Sorgen um den sozialen Frieden. Es wird, auch wegen der Bundespräsidentenwahl, viele Kurzschlussreaktionen politischer Natur geben."

"Das ist nur mehr Überleben"

Ana L.*, Anfang 30, Alleinerzieherin 12. Bezirk, Penny-Filiale

"Wir haben letzte Woche um 150 Euro eingekauft, und es war viel zu wenig. Als alleinerziehende Mutter komme ich kaum über die Runden. Wenn ich ganz genau auf die Preise achte, geht sich gerade so das Nötigste aus. Der Hort würde mich für meine zwei Söhne 500 Euro kosten, die Miete ist schon 720. Wie soll ich die Kinderbetreuung dann noch bezahlen? Es wird nichts besser, es wird immer schlimmer. Wo bleibt die Lebensqualität? Die Gehälter müssen höher werden. Das ist kein Leben. Das ist nur mehr Überleben."

"Mein Einkaufsverhalten ist schon immer auf Sparflamme"

Mirana D.*, Mitte 40, Beruf unbekannt 15. Bezirk, Billa-Filiale

"Mein Einkaufsverhalten ist schon immer auf Sparflamme. Ich habe schon immer nur Billigprodukte gekauft. Jetzt kaufe ich weniger. Unser Herr Bundeskanzler glaubt, es ist genug, wenn man ein Mal Geld auszahlt. Die Hilfsmaßnahmen bringen nichts. Man kriegt einen Bruchteil von der Teuerung wieder rein. Von wegen Entlastung. Früher konnte ich noch Geld zur Seite legen, jetzt bleibt nichts mehr über. Wie das im Winter wird, will ich mir gar nicht ausmalen."

"Bisher gibt es von der Politik viel Gerede"

Barbara D.*, Ende 60, Pensionistin 18. Bezirk, Hofer-Filiale

"Ich bin Mindestpensionistin und schaue jetzt ganz genau, was ich wirklich brauche. Ich vergleiche die Preise in den Supermärkten. Ich verwende die Rabattsticker von Billa genau für vier Sachen, die es beim Hofer nicht gibt. Für gutes Brot etwa. Wenn es keine Aktionen gibt, kaufe ich halt normales Brot. Heute habe ich zum Beispiel gewöhnliche Semmeln gekauft, die sind noch recht billig. Der Gouda dazu hat aber zwei Euro gekostet. Wir können sowohl mit der Gasheizung wie auch mit dem Kamin heizen und haben zur Sicherheit Holz eingelagert, aber das ist auch doppelt so teuer wie voriges Jahr. Bisher gibt es von der Politik nur viel Gerede dazu."

"Diese Einmalausschüttung an Hilfen wird nicht viel bringen"

Marco P.*, Anfang 30, Mitarbeiter der Wirtschaftskammer 4. Bezirk, Penny-Filiale

"Man spürt die Teuerung überall: die Indexanpassung der Mietpreise, Gas- und Stromerhöhung, die steigenden Lebensmittelpreise. Ich habe das Glück, in einer recht privilegierten Situation zu sein. Aber ich überlege jetzt zweimal, wo ich einkaufe. Urlaub und Restaurantbesuche mache ich weiterhin. Es bleibt halt weniger übrig. Diese Einmalausschüttung an Hilfen wird nicht viel bringen. Wir haben einen realen Lohnverlust. Man müsste die kalte Progression schnell und auch rückwirkend abschaffen und die Sozialleistungsempfänger gezielter unterstützen."

"Die Regierung kommt nicht in die Gänge"

Heinz U.*, Ende 60, pensionierter Bauingenieur 15. Bezirk, Penny-Filiale

"Die Extrawurst, die ich eben gekauft habe, war in Aktion, also habe ich sie genommen. Aber sonst hätte ich trotzdem eine gekauft. Zusammen mit dem Pudding und dem Gemüse und Brot, das ich genommen habe, waren es sieben Euro, 75 Cent. Das ist teurer als früher, aber für mich kein Problem. Eine alleinerziehende Frau tut sich da schwerer. Die Regierung kommt nicht in die Gänge, die werde ich nicht mehr wählen. Und das, obwohl der Staat an der Inflation viel mehr verdient, als er für die Bevölkerung durch Hilfsmaßnahmen frei macht. Die scheißen da herum, auch die Grünen. Klimaschutz ist wichtig, aber man muss das Leben finanzieren können."

"Ich werfe weniger weg"

Maria S.*, 78, Betreiberin eines Geschäfts für Fernsehsatelliten 15. Bezirk, Billa-Filiale

"Eben habe ich nur Mehlspeisen für meinen Mann und mich geholt. Aber ich komme auch bei den Großeinkäufen gut aus, obwohl ich jetzt 80 statt 50 Euro pro Einkauf zahle. Das ist Luxusjammern bei mir. Ich gönne mir auch vom Fleischhacker die Steaks. Ich bin schon vorsichtiger beim Einkaufen und nutze bewusster Aktionen. Früher habe ich viel weggeworfen, jetzt kaufe ich weniger und werfe weniger weg. Unser Geschäft hat 140 Quadratmeter und Gasheizung. Da werde ich wahrscheinlich mit Pullover arbeiten müssen und die höheren Preise trotzdem merken. Vor allem, weil wir jetzt merkbar weniger Kunden haben."

"Reisen kann ich sowieso vergessen"

Oliwia S.*, Ende 40, Produktionsmitarbeiterin 12. Bezirk, Penny-Filiale

"Früher hat man um 100 Euro viel kaufen können, jetzt kriegt man nicht mal zwei Sackerl voll. Ich habe nie auf Aktionen geachtet, jetzt laufe ich ihnen nach. Heute habe ich nur einen kleinen Einkauf gemacht: Öl, Bananen und ein paar Snacks. Alles zusammen hat elf Euro gekostet, früher wären das vielleicht sieben gewesen. Reisen kann ich sowieso vergessen, beim Sprit für den Weg zur Arbeit muss ich auch aufpassen. Uns wird das Leben so schwer gemacht. Ich habe den Energiebonus beantragt, aber das sind 150 Euro bei 700 Euro Mehrausgaben. Das ist lächerlich."

* Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.