Politiker vor dem österreichischen Parlament
ÖVP

Wie Karoline Edtstadlers Rückzug Karl Nehammer überrumpelte

In der ÖVP reißen alte Sitten ein: Fouls, Revanchefouls, Eifersüchteleien. Die Bundespartei wird zur NÖ-Filiale.

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Ein Bild wie eine Gegendarstellung: Vergangenen Dienstag konnten Fotografen beobachten, wie ÖVP-Bundesparteiobmann Karl Nehammer mit seinen schwarzen Koalitionsverhandlern vergnügt das Parlamentsgebäude am Wiener Ring verließ und ins nahe Palais Epstein zum Termin mit der SPÖ marschierte. Dabei scherzte er demonstrativ mit Karoline Edtstadler, nachdem die Zeitungen zwei Tage lang über das gestörte Verhältnis zwischen dem Kanzler und seiner Verfassungsministerin berichtet hatten. Doch mit solchen Kinkerlitzchen beschäftigt Nehammer sich nicht. Es gilt, eine Regierung zu formen. Die schwarze Wirtschaft wünscht sich ein Standort-Superministerium, in dem die Agenden für Wirtschaft, Infrastruktur und Energie gebündelt werden. Dafür sollen manche in der ÖVP sogar bereit sein, das Innenministerium zu opfern.

Der Wirbel um seine Ministerin kommt für Nehammer zur Unzeit. Zu Beginn von Koalitionsverhandlungen will sich eine Partei geschlossen präsentieren. Doch Karoline Edtstadler nahm darauf keine Rücksicht. Vergangenes Wochenende ließ sie über die „Kronen Zeitung“ verkünden, einer künftigen Bundesregierung nicht mehr angehören zu wollen. Kanzler Nehammer bedankte sich etwas knapp via Kurznachrichtendienst X für Edtstadlers „großen Einsatz und die gemeinsame Arbeit für Österreich“.

Der Bruch steht am Ende einer gegenseitigen Entfremdung, die auch einiges über die Volkspartei aussagt. Mit Verzögerung reißen nach der Wahlschlappe vom 29. September lang überwunden geglaubte Sitten in der Volkspartei ein: Fouls, Gegenfouls, Eifersüchteleien.

„Selbstbewusste, ehrgeizige Frau“

Über ihre mediale Nachrede kann sich Edtstadler nicht beschweren. Die „Kronen Zeitung“ resümierte: „Wenn die Starken das Feld räumen, haben die Schwächeren freie Bahn.“ Als „äußerst profilierte Politikerin“ bezeichnet sie der „Standard“; als „pragmatisch, empathisch“ die „Presse“. Der „Kurier“ zitierte einen Anonymus – oder eine Anonyma – aus der Volkspartei: „Eine selbstbewusste, ehrgeizige Frau von Format ist nicht immer erwünscht.“ Stattdessen würden „Ja-Sager, Bauern- und andere Bündler und alte Männer in grauen Anzügen“ in der Partei das Sagen haben.

Es gibt auch andere Stimmen in der ÖVP: Edtstadler sei keine Teamspielerin und habe vor allem den eigenen Vorteil im Auge. Zeitpunkt und Art ihres Rückzugs werden als Foul an der Partei und ihrem Obmann interpretiert.

Karl Nehammer wurde von Edtstadlers Vorhaben überrascht und von ihr erst kurz vor der Veröffentlichung in der „Kronen Zeitung“ informiert. Der Artikel erschien mit großformatigem Foto auf der Aufmacherseite der Sonntagsausgabe – Titel: „Edtstadler verlässt die Spitzenpolitik“ – und dominierte damit den ganzen Tag lang österreichweit die Berichterstattung. Verfasst wurde er vom Chefredakteur der „Salzburg-Krone“ Claus Pándi, der in der Landeshauptstadt als schärfster journalistischer Kritiker von Landeshauptmann Wilfried Haslauer, ÖVP, gilt. Auch dieser war in Edtstadlers Plan nicht eingeweiht.