Ein bisschen Widerstand am 1. Mai
Ausgebuht wurden am Ende dann doch nur der niederösterreichische FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl und der Wiener ÖVP-Obmann Karl Mahrer, als sie in den Reden von Bürgermeister Michael Ludwig und Marina Hanke, der Vorsitzenden der Wiener SPÖ Frauen, erwähnt wurden. Pamela Rendi-Wagner blieb verschont: Auch während der Rede der SPÖ-Vorsitzenden im Zuge der Maifeiern am Rathausplatz gab es Jubel und vereinzelte Bravo-Rufe, wenngleich der Auftrittsapplaus für sie weitaus weniger euphorisch ausfiel als der Abtrittsapplaus ihres Vorredners, ÖBG-Präsident Wolfgang Katzian.
„Es muss unser gemeinsames Ziel sein, dass dieses Land endlich wieder eine sozialdemokratische Bundesregierung bekommt!“ rief Rendi-Wagner in die Menge; „unter Andreas Babler,“ ergänzte ein Zuhörer am Rathausplatz leise.
Dass der SPÖ gerade eine Drittel-Spaltung in die respektiven Lager Doskozil, Rendi-Wagner und Babler ins Haus steht – das hört man im Publikum deutlicher als auf der Bühne. Im Vorfeld wurde spekuliert, ob es am Rathausplatz ähnliche Bilder geben werde wie 2016, als der damalige SPÖ-Chef Werner Faymann ausgepfiffen wurde.
Ganz friedlich war es jedenfalls nicht: Mitglieder der SPÖ Wieden trugen beispielsweise demonstrativ „A Kiwara is ka Hawara“-Anstecker und äußerten damit Kritik an Hans Peter Doskozil, der vor seiner Polit-Karriere als Polizist gearbeitet hatte. Während der Rede von Pamela Rendi-Wagner entrollten Gewerkschafter:innen ein Transparent, auf dem „Sozialdemokrat*innen und Gewerkschafter*innen für Parteidemokratie und Andi Babler“ stand.
Joseph Stoisits, ein junges SPÖ-Mitglied, hatte sich ein Schild in rot-weiß-rot gebastelt, auf der einen Seite beschriftet mit „Werner, der Kurs stimmt“; „Pamela, der Kurs stimmt“ stand auf der anderen. Als er es während der Rede hochhielt, wurde es ihm von zwei Securities aus der Hand gerissen, ihm blieb nur ein kleiner Schnipsel. Die Securities hätten sich nicht ausgewiesen, so Stoisits, und als Grund wurde ihm genannt, dass das Schild eine Nationalflagge sei – „Pamela, der Kurs stimmt“ stand schließlich auf rot-weiß-rotem Hintergrund.
Die SPÖ Wien hat von dem Vorfall erst durch Medienanfragen erfahren, man nehme ihn aber sehr ernst, sagt Patricia Raschek, die leitende Sekretärin der SPÖ Wien, zu profil: „So etwas darf nicht sein.“ Die SPÖ Wien arbeitet am 1. Mai mit einer externen Sicherheitsfirma zusammen, mit der man den Vorfall auch nochmal besprechen werde, so Raschek.
Der erste erste Mai
Knapp 9000 neue Mitglieder konnte die SPÖ vor Start der Mitgliederbefragung am Montag vor einer Woche verbuchen, für viele von ihnen ist es der allererste Maiaufmarsch. Besonders zahlreich waren die Neuanmeldungen im neunten Bezirk, es seien auch merkbar mehr Mitglieder beim Aufmarsch dabei gewesen, heißt es von Funktionär:innen. Im Alsergrund marschierte auch Nikolaus Kowall mit, der Mitte März bekannt gegeben hatte, gegen Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil zu kandidieren.
Kowall zog die Kandidatur zurück als Andreas Babler seinen Antritt bekannt gab, und unterstützt nun Babler. Ob die heutigen Reden noch Mitglieder umstimmen konnten, bezweifelt er: „Ich glaube, dass neunzig Prozent aller Mitglieder schon abgestimmt haben.“
Kurz nach der Bezirksgruppe aus dem Alsergrund, die sich recht offensiv für Andreas Babler positioniert – Bezirksvorsteherin Saya Ahmad hat zu Beginn der Woche eine Wahlempfehlung für Andreas Babler abgegeben – marschierte die SPÖ Liesing zu „When The Saints Go Marching In“ am Rathausplatz auf. In den vordersten Reihen SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, daneben die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures. Die „Liesinger Partie“, wie diese Bezirksgruppe von ihren SPÖ-internen Gegnern genannt wird, gilt als besonders Rendi-Wagner-freundlich, zu Kritik an Babler oder Doskozil ließ man sich allerdings beim Maiaufmarsch nicht hinreißen.
Die beiden Gegenkandidaten begingen den ersten Mai in ihren Bundesländern. Babler trat im Laufe das Tages in Krems-Lerchenfeld und Traiskirchen auf, er forderte dabei unter anderem Vermögenssteuern als zukünftige Koalitionsbedingung. Hans Peter Doskozil nahm an der Maifeier in Kobersdorf im Mittelburgenland teil – und drängte per Aussendung auf Umsetzung eines Mindestlohns.
Einigkeit sollte demonstriert werden an diesem 1. Mai in Wien, nicht zuletzt heißt das Motto „Stark. Stärker. Zusammen!“ Das rezipiert natürlich auf die Mitgliederbefragung, die bei Gesprächen der Parteimitglieder am Rathausplatz das vorherrschende Thema war. Auch bei zwei älteren Herren, die sich zufällig vor der Bühne treffen. Sie begrüßen sich mit „Freundschaft“; beide sind Rapid-Fans und lamentieren: „Das ist die Höchststrafe, Rapid-Fan und SPÖ-Mitglied. Da kannst nur verlieren!“