„Ein Mädchen wurde ermordet“
Muhammad Majid wartet vor einem Clublokal in der Wiener Innenstadt. Ein Freund arbeitet hier, fallweise hilft er hier aus. Noch ist nicht viel los. Majid platziert sich mit Blick zur Glastür. Die jungen Gäste haben keine Ahnung, wer sie hier ohne FFP-2-Maske nicht passieren lässt: Majid ist der „syrische Zeuge“, der seit Tagen durch die Medien geistert. Er war es, der die Polizei auf die Spur jener Afghanen brachte, die im Verdacht stehen, die 13-jährige Leonie in der Nacht vom 25. auf den 26. Juni mit Drogen gefügig gemacht, missbraucht, getötet und im Morgengrauen in Wien-Donaustadt an einen Baum gelehnt zu haben.
Woher er die Männer kannte? Was er über das Verbrechen zu wissen glaubt? Warum er das alles der Polizei erzählte? „Ein Mädchen ist weg. Für immer. Da kann man nicht heimgehen und schlafen.“ Das ist die kürzest mögliche Antwort. Die längere Version hat mit einem Zufall und einer Jogginghose zu tun, aber auch mit dem 19-Jährigen selbst, mit seinen schwierigen Anfängen in Österreich, mit dem Bedürfnis, auf etwas stolz zu sein. Etwas, das auch dem Vater gefällt, den er so oft enttäuscht hat. Als es später dann um ein Bild von ihm geht, richtet Majid den Blick gerade in die Kamera: „Kein Syrer“, sondern „ein Kurde aus Rojava“, ein Mann, der das Richtige getan hat. So will er gesehen werden.
Die polizeilichen Ermittlungen laufen derweil auf Hochtouren. Einen der Tatverdächtigen – er sei 23 und noch flüchtig – habe er vor drei, vier Jahren als „Zubai“ in einem Flüchtlingsheim in Wien-Favoriten kennengelernt, erzählt Majid. Irgendwann sei dieser mit dem heute 18-jährigen Haji aufgetaucht. Er ist ebenfalls tatverdächtig. Haji lebt in der Wohnung, in der Leonie laut Obduktionsbericht erstickt worden sein soll. Polizeizeuge Majid sagt, er und Haji seien gut bekannt gewesen, hätten miteinander trainiert, Fußball gespielt und fallweise ein „schönes Gespräch“ geführt. Vor Wochen habe er Zubai erstmals mit Ramis gesehen, einem 16-jährigen Afghanen. Die beiden hätten einander bereits aus Kabul gekannt. Der Jüngere sei erst vor wenigen Monaten zu seinen Verwandten nach Wien gekommen. Er ist der Tatverdächtige Nummer drei.
Heute schäme er sich, dass er „solche Leute überhaupt kenne“, so Majid. Der Schock der Erkenntnis, wozu sie fähig gewesen sein könnten, ist erst ein paar Tage alt. Seither schlafe er schlecht, bringe kaum einen Bissen hinunter, habe keine Lust, zu trainieren, und sei so fahrig, dass er sich beim Kebabmachen in den Finger geschnitten habe. Sein Chef habe ihm nahegelegt, ein paar Tage freizunehmen. Majid sucht auf seinem Handy nach dem Anruf vom vergangenen Sonntag, dem erwähnten „Zufall“, der sein Leben umkrempelte. „Da ist er!“ Exakt um 17.46 Uhr habe er mit Haji wegen einer ausgeborgten Jogginghose telefoniert. Sein Bekannter aber habe „Stress gehabt“ und etwas „Wichtiges“ mit ihm besprechen wollen. [...]
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