Reportage

Ein Tag unter den Stars der Klimawandelleugner

Vergangenes Wochenende trafen sich Klimawandelleugner in Maria Enzersdorf. profil war auf der „EIKE“-Konferenz, die immer wieder mit Verbindungen in die rechtsextreme Szene auffällt.
Eva  Sager

Von Eva Sager

Drucken

Schriftgröße

Klimawandelleugner sind ein schüchternes Völkchen. Sie mögen keine Eindringlinge, bleiben gerne unter sich. Bei der „16. Klima- und Energiekonferenz“ des Vereins „EIKE“ in Maria Enzersdorf ist das nicht anders. Zuerst war da die Sache mit dem Veranstaltungsort; den wollte man nämlich nicht sofort bekannt geben. Irgendwo in der Nähe Wien, mehr war nicht bekannt. Und dann noch das Dauerthema Medien; wirklich gerne hat man die bei solchen Events nämlich nicht dabei. Schon 2018 erteilte „EIKE“ einer Journalistin der deutschen Rechercheplattform „CORRECTIV“ Hausverbot, im gleichen Jahr drohte man einem „WDR“-Moderator Gewalt an und kürzlich erzählte eine „Spiegel“-Journalistin, dass ihr Kameramann bei einer „EIKE“-Konferenz geschubst worden sei. Auch profil möchte der Verein anfangs nicht auf die Konferenz am vergangenen Samstag lassen - trotz gültigem Ticket, wohlgemerkt, die zwischen 80 und 580 Euro kosten. Nach einer kurzen Beratung haben die Gastgeber dann doch „nichts zu verbergen“ – Goodie-Bag, Namensschild, herzlich Willkommen.

Die deutsche Lobby-Organisation „Europäisches Institut für Klima und Energie“, kurz „EIKE“, hält einmal pro Jahr eine „Klima- und Energiekonferenz“ ab, heuer zum ersten Mal in Österreich und laut ursprünglicher Ankündigung eigentlich in Wien. Nun liegt Maria Enzersdorf zwar im niederösterreichischen Industrieviertel, bei „EIKE“ hat man es aber generell nicht so mit Fakten. Dem weltweiten Konsens der Klimaforschung, dass der Klimawandel maßgeblich vom Menschen verursacht wird, widerspricht „EIKE“. Im Grundsatzpapier des Vereins steht: „Für die Südhalbkugel der Erde wurde bis heute kein signifikanter oder gar einheitlicher Erwärmungstrend gefunden. Die Antarktis kühlt sich weiter ab.“ Die Klimawissenschaft würde „politisch und ideologisch instrumentalisiert“ um „restriktive und die demokratischen Freiheiten massiv einschränkenden Gesetze“ leichter durchzusetzen. Der Slogan von „EIKE“: „Nicht das Klima ist bedroht, sondern unsere Freiheit!“

Dabei tut der Verein gerne so, als wäre er eine wissenschaftliche Institution. Als würde er naturwissenschaftlichen Analysen seine eigenen Erkenntnisse gegenüberstellen; Papers schreiben, Professoren und Doktoren einladen, Studien aufsetzen. Als liege seinem Zweifel am menschgemachten Klimawandel ein wissenschaftliches Argument zugrunde. Das ist auch auf der Konferenz in Maria Enzersdorf so. Im Saal sitzen vor allem Seniorinnen und Senioren an langen Konferenztischen, in der Lobby gibt es Kaffee, viele haben sich schick gemacht. Um die 100 Leute sind gekommen, vor allem Männer. Auch die 19 Vortragenden sind ausschließlich männlich, die meisten älter und weiß, einige schon im Ruhestand. Sie werden mit ihren Doktortiteln angekündigt, haben PowerPoint-Präsentationen dabei, referieren zeitweise auf Englisch. „Wie die Wissenschaft half den Klimanotstand zu erfinden“, „Was Klimaalarmisten Ihnen verheimlichen“, „Strahlungsübertragung in Wolken“, „Klimapropaganda in Österreich“. Die Konferenz möchte einen professionellen Anschein erwecken, gibt sich bemüht wissenschaftlich. Trotzdem gibt den dort vertretenen Thesen kaum ein Klimawissenschaftler recht.

Wahrscheinlich ist man auch deshalb auf einen der heurigen Vortragenden so stolz: John F. Clauser, Experimentalphysiker. 2022 wurde ihm der Nobelpreis für Physik zuerkannt. Seitdem fällt er immer wieder mit Aussagen auf, in denen er den menschgemachten Klimawandel leugnet. Damit wurde er zum Star in der Szene der selbsternannten „Klimarealisten“. Das Problem ist nur: Clauser ist kein Klimawissenschaftler, er hat in seiner Karriere keine einzige von Fachleuten begutachtete Studie zum Thema Klimawandel publiziert. Ein anderer hochrangiger Gast in Maria Enzersdorf ist James Taylor, Präsident des „The Heartland Institute“, quasi das US-amerikanischen Pedante zu „EIKE“. „Die Kommunikation, die das Heartland Institute betreibt, hat nichts mit Wissenschaft zu tun. Das sind auf jeden Fall politisch motivierte Aussagen“, sagte Kathleen Mar vom Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung gegenüber „CORRECTIV“, „Sie nehmen wissenschaftliche Begriffe und missbrauchen sie für politische Zwecke. Die sind gar nicht an einer wissenschaftlichen Arbeit interessiert. Ich würde mich sofort fragen, wer sind diese Wissenschaftler, was sind ihre Qualifikationen.“

Zusammen mit „Frontal21“ widmete „CORRECTIV“ dem „The Heartland Institute“ eine Undercover-Recherche und zeigte, wie die Organisation Klimawandelleugner in Deutschland unterstützt, um Maßnahmen zum Klimaschutz zu untergraben.

Man könnte sich denken: Gut, ein paar Pensionisten mit kruden Theorien treffen sich also in Niederösterreich. So einfach ist es dann aber doch nicht. Sowohl das „The Heartland Institute“ als auch „EIKE“ beeinflussen mittlerweile die Politik, zählen zu den zentralen Akteuren der organisierten Klimawandelleugner-Szene. Zweitere pflegen zudem Kontakte zu rechtspopulistischen Organisationen, auf einem Tisch in der Lobby in Maria Enzersdorf liegen neben Werbung für Nährstoffergänzungsmittel Flyer der MFG-Partei, Aufklärungsbroschüren zum „Transgender-Hype“ und der „Polizisten für Grund- und Freiheitsrechte“. „EIKE“-Vizepräsident Michael Limburg ist Mitglied der in Teilen rechtsextremen AfD, kandidierte mit ihr 2017 erfolgslos für den Bundestag, schrieb am AfD-Parteiprogramm mit. „EIKE“-Pressesprecher Horst-Joachim Lüdecke verfasste 2019 für die AfD eine Stellungnahme für den Umweltausschuss. Dazu kommt der Veranstaltungsort der diesjährigen „EIKE“-Konferenz: Alter Wienerweg 12, Maria Enzersdorf. Dort befindet sich auch ein Standort der IT-Firma „ISIS Papyrus Europe AG“. Firmenvorstand Max J. Pucher war bis 2021 als „Faktenchecker“ für Stefan Magnets rechtsextreme Website „AUF1“ tätig, teilte dort „seine Meinung zur Vertrauenswürdigkeit von Politik, Medien und Wissenschaft“.

Im Übrigen: Wirklich vertrauenswürdig schien „EIKE“ profil am Ende doch nicht zu finden. Stichwort: „Nichts zu verbergen“. Während der Veranstaltung wurden Fotos von der profil-Journalistin gemacht, Zoom auf Handy-Display inklusive - und auf einschlägigen Portalen veröffentlicht. Wie gesagt, Klimawandelleugner sind ein schüchternes Völkchen.

Eva  Sager

Eva Sager

seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Gesellschaft und Gegenwart.