Warum für Eltern der Schulbesuch ihrer Kinder immer teurer wird

Hunderte Euro pro Jahr kostet Eltern der Schulbesuch ihrer Kinder. Sie zahlen für immer mehr Leistungen, die eigentlich der Staat übernehmen müsste: Garderoben, Taschenrechner und sogar Klobrillen. Auch das Gratis-Schulbuch ist mittlerweile Schimäre.

Drucken

Schriftgröße

Eine böse Vorahnung beschleicht Susanne Mayer. "Wir kommen bald dorthin, wo wir schon einmal waren“, sagt sie: "Die Reichen schicken ihre Kinder in die höheren Schulen, und die anderen können es sich nicht mehr leisten.“ Mayer führt seit drei Jahren den Elternverein der Kindergartenpädagogikschule in Favoriten.

Viele Eltern haben gravierende Probleme, die steigenden Schulkosten zu stemmen, erzählt Mayer. Dabei ist der Schulbesuch in Österreich eigentlich gratis. Die Schulbuchaktion, im Jahr 1972 unter dem damaligen Bildungsminister Fred Sinowatz beschlossen, galt als bildungspolitischer Meilenstein. Die Aktion sollte den kostenfreien Bildungszugang endgültig ermöglichen.

Wieder teilweise Selbstbehalt bei Büchern

Doch davon kann heute, über 40 Jahre nach der Reform, keine Rede mehr sein. Längst reicht das Budget der Schulbuchaktion (immerhin 107 Millionen Euro) nicht mehr aus, um alle Anforderungen des Lehrplanes abzudecken. Vielerorts müssen die Eltern einzelne Bücher wieder selbst bezahlen. Andere Schulen weichen auf Kopien aus, heben dafür aber ebenfalls Gebühren ein. Auch bei mangelhafter Infrastruktur springen die Eltern ein: Spinde, Kästen, ja sogar Klobrillen werden inzwischen von Elternvereinen finanziert - aber nur dort, wo die Eltern es sich auch leisten können. In sozialen Brennpunktbezirken verlieren die Schulstandorte hingegen zunehmend an Boden. Das öffentliche Bildungssystem droht auseinanderzudriften.

Wie teuer der Schulbesuch bereits geworden ist, macht eine aktuelle Befragung des Verbandes der Elternvereine in Wien deutlich. 51 Elternvereine an höheren Schulen nahmen daran teil, seit vergangenem Freitag liegen die Ergebnisse vor: Im Schnitt müssen die Eltern für den Spind ihrer Kinder 9,20 Euro Miete im Jahr bezahlen. Zusätzliche Schulbücher schlagen mit 18,80 Euro zu Buche; das Kopiergeld beläuft sich auf 17,90 Euro. Dazu kommen noch Arbeitsmittelbeiträge, Taschenrechner und in immer mehr Schulen auch Laptops, die bis zu 1000 Euro kosten. Es gibt sogar Bildungsstätten, die Beiträge für die EDV-Ausstattung oder Sanierungsarbeiten einheben.

Durschnittlich 319 Euro Kosten pro Jahr

Insgesamt summieren sich die Kosten pro Kind und Schuljahr auf durchschnittlich 319 Euro, wie der Elternverband vorrechnet. Sprachreisen, Skikurse, Nachhilfestunden und Schulutensilien wie Hefte, aber auch Sportbekleidung sind da noch gar nicht eingerechnet. Die niederösterreichische Arbeiterkammer rechnete 2011 in einer Studie alle schulbezogenen Kosten zusammen. Demnach kostet der Schulbesuch eines Kindes die Eltern sogar 814 Euro pro Jahr.

Dabei zeigt sich ein klarer Trend: Die Eltern übernehmen nicht nur - wie bisher üblich - die Reisekosten ihrer Kinder, sondern zahlen immer öfter auch Leistungen, die eigentlich in den Aufgabenbereich der öffentlichen Hand fallen. "Wir erwarten uns, dass der Staat sich an seine eigenen Gesetze hält und die Schule wieder kostenfrei wird“, sagt die Vorsitzende des Verbandes der Elternvereine, Elisabeth Rosenberger.

Tatsächlich bleibt den Eltern meist keine andere Wahl, als die geforderten Geldbeträge zu bezahlen. Sie wollen schließlich das Beste für ihr Kind. Das wissen auch die Schulleiter, die mancherorts klassische Schulaufgaben ganz ungeniert an den Elternverein auslagern. Peter Trapp, Elternvertreter im Theodor-Kramar-Gymnasium im 22. Wiener Gemeindebezirk, kann ein Lied davon singen: "Wenn man eigene Kinder an der Schule hat, will man die Situation eben verbessern.“ Vor knapp zehn Jahren schaffte der Elternverein deshalb Spinde für alle 1000 Schüler an. Kostenpunkt: Etwa 70.000 Euro. Davor gab es nur Haken, immer wieder verschwanden Kleidungsstücke. Bis heute administrieren die Eltern die Spinde, von der Vergabe bis zur Reparatur. Derartige Aufopferungsbereitschaft ist allerdings selten. Daher wünscht sich der Landeselternverband eine garantierte Bereitstellung von Spinden in allen Schulen - kostenfrei, versteht sich.

An der Kopierpauschale von 30 Euro stört sich Trapp gar nicht mehr, weiß er doch, dass die Einnahmen einen wichtigen Teil des Schulbudgets ausmachen. Das sagt ihm die Direktorin auch ganz offen, wenngleich die Vorgehensweise nicht legal ist. Laut Gesetz dürfen die Kosten für Arbeitsmittel zwar den Eltern weiterverrechnet werden, die Schule müsste allerdings eine genaue Abrechnung darüber vorlegen.

"Klobrillen nicht mehr zumutbar"

Im vergangenen Schuljahr machte Trapp eine üble Entdeckung auf dem Schul-WC: "Die Klobrillen waren für keinen Menschen mehr zumutbar.“ Also fuhr der umtriebige Elternvertreter mit dem Schulwart zum nächstgelegenen Baumarkt, um 50 Klobrillen zu kaufen, finanziert aus der Kassa des Elternvereins.

Von bisweilen skurrilen Finanzspritzen weiß auch Olvier Haditsch, Elternvertreter am Musikgymnasium in Graz, zu berichten. In einer Klasse legten die Eltern für neue Vorhänge zusammen, weil die Schule diese nicht zahlen konnte. Zudem hat sich die Schulleitung immer neue Einnahmequellen einfallen lassen. Da werden neben dem Musik-Beitrag auch noch Öko-Beitrag, Sport-Beitrag und EDV-Beitrag fällig. Die Schule verdiene sich so ein "schönes Körberlgeld“, moniert Haditsch.

Verständnis für die Sorgen der Eltern bringt die Vorsitzende des Wiener Direktorenvereines, Ursula Madl, auf. Sie steht dem Billrothgymnasium im 19. Wiener Gemeindebezirk vor. Dort spürt sie die steigende Belastung der Familienbudgets.

Madl versucht aber auch, die Situation der Direktoren zu erklären: "Für die Ausstattung der Schulen gibt es einfach viel zu wenig Geld.“ Sie selbst hatte Glück: Spinde waren bereits in der Schule, als sie die Direktion übernahm. Andernfalls wüsste sie nicht, wie sie eine solche Investition bezahlen hätte sollen. Geht es nach ihr, sollte das Bildungsministerium Mindeststandards für die Schulinfrastruktur definieren und diese dann auch finanzieren - Spinde gehören jedenfalls dazu, findet Madl.

Aber auch sie klagt über finanzielle Engpässe: An ihrer Schule kommt sie mit den Geldern der Schulbuchaktion nicht über die Runden. Denn die Limits pro Kind (170 Euro für einen AHS-Oberstufenschüler) werden nicht automatisch inflationsangepasst. Die letzte Erhöhung liegt bereits vier Jahre zurück. Die Kosten muss sie an die Eltern weitergeben, anders geht es gar nicht.

Schulausflüg für Viele nicht leistbar

Viel größere Sorgen bereiten den Elternvertretern aber ohnehin die schulischen Ausflüge, für die hohe Selbstbehalte anfallen. Haditsch aus Graz ist vierfacher Vater. Die Sprachreise nach Südamerika (Kostenpunkt: 1650 Euro) konnte er seinem Sohn nicht finanzieren. Sechs weitere Kinder blieben damals daheim. Eine Erfahrung, die auch Mayer, die Elternvertreterin aus Favoriten, nur zu gut kennt. An ihrer Schule fahren pro Klasse bis zu fünf Kinder nicht mehr auf die Schulausflüge mit. Unter den Lehrkräften ortet sie mangelndes Verständnis, wurden doch Irlandreisen um über 1000 Euro geplant.

Die resolute Frau hat den ausufernden Reisekosten vor drei Jahren ein Ende gesetzt, indem sie mit der Schulleitung eine Kostenobergrenze von 700 Euro vereinbarte. Das ist zwar immer noch viel Geld, die Eltern können nun aber schon im Vorfeld kalkulieren.

Ein Sonderfall. Aus anderen Schulen ist von Reisen nach Kanada und in die USA die Rede. Das belastet auch die Schulbudgets, die für die Unterkünfte der Lehrer aufkommen müssen. Warum also tun sich die Schulen das an? Bei den Schulausflügen um die halbe Welt geht es vor allem auch um den langfristigen Imageaufbau. Die Schule lockt damit bereits zukünftige Schüler.

Direktorin Madl bestätigt dies im Gespräch mit profil. Allerdings würden einige Eltern Schulveranstaltungen "richtig einmahnen“. Sie verortet unter den Eltern ein "großes Spannungsverhältnis“ - zwischen jenen, die sogar mehr Reisen fordern, und jenen, die schon jetzt finanziell nicht mehr mitkommen.

Streitpunkt Laptop

Der nächste Kostensprung für die Eltern steht jedenfalls unmittelbar bevor, denn aktuell berät eine Arbeitsgruppe im Familienministerium über die Digitalisierung der Unterrichtsmaterialien. Derzeit gibt es etwa 600 Laptop-Klassen als Modellversuche. Nach den Plänen von Familienministerin Sophie Karmasin sollen es deutlich mehr werden. Die Elternvertreter befürchten weitere Belastungen und fordern die Regierung auf, eine kostenlose oder zumindest günstige Lösung zur Anschaffung von Laptops zu erarbeiten. Allein: Die Ausstattung der Schüler mit derlei Geräten sei "nicht durch den gesetzlichen Auftrag umfasst“ und somit "Pflicht der Eltern“, heißt es dazu aus dem Familienministerium.

Die Situation wird sich also noch zuspitzen, obwohl die steigenden Kosten schon heute die Ungleichheit zwischen den Schulstandorten befördern. Dort, wo viele sozial Schwache an die Schulen gehen, verwenden die Elternvereine oft ihr gesamtes Budget, um die Familien mit Subventionen zu unterstützen und den Kindern die für das Klassengefüge so wichtigen Reisen zu finanzieren. In besseren Gegenden können sich die Eltern darauf konzentrieren, den Schulstandort aufzuwerten - da werden EDV-Räume, aber auch WLAN-Router angeschafft.

Direktorin Madl beobachtet das "Auseinanderdriften“ mit Beunruhigung: "Wenn man diese Entwicklung weiter so geschehen lässt, klafft das Schulsystem endgültig auseinander.“ Noch sei es aber nicht zu spät, glaubt sie: "Im Moment stehen wir gerade an der Schwelle, wo wir noch etwas dagegen unternehmen können.“

Kopiergeld

17,90 Euro

EDV-Beitrag

5,40 Euro

Schulbücher

18,80 Euro

Arbeitsmittelbeitrag

25,80 Euro

Laptops oder andere Technik

185 Euro

Sanierungsbeitrag

22,10 Euro

Taschenrechner

35,40 Euro

Spind-Miete

9,20 Euro

GESAMT

319 Euro*

(* ohne Sprachreisen, Skikurse, Nachhilfestunden oder Schulutensilien)

Quelle: Verband der Elternvereine an den Höheren und Mittleren Schulen Wiens

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.