Bruch des Schweigens: Kommt das Ende des Amtsgeheimnisses?

Bruch des Schweigens

Die Chancen für ein Ende des Amtsgeheimnisses standen noch nie so gut. Was bringt ein modernes Recht auf Informationsfreiheit?

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Selbst für Relikte läuft irgendwann die Zeit ab. Das Amtsgeheimnis, dieses in die Jetztzeit gerettete Überbleibsel einer zensurwütigen Ära, könnte bald Geschichte sein. Die neue türkisgrüne Regierung will diesen in der Praxis oft weit über seinen eigentlichen Bestimmungszweck hinaus strapazierten Passus aus der Verfassung streichen und durch ein modernes Recht auf Informationsfreiheit ersetzen.

Der Schritt ist überfällig. In internationalen Rankings taucht Österreich regelmäßig auf den unrühmlichen hintersten Plätzen auf: So liegt das Land etwa in den Bewertungen des Instituts Right to Inform seit 2013 an letzter Stelle (siehe Grafik). Beurteilt wird dabei der Zugang von Bürgerinnen und Bürgern zu staatlichen Informationen. Fazit: Er ist in Österreich so schlecht wie nirgendwo sonst, weil - eben - Amtsgeheimnis.

Seine Geburtsstunde erlebte die amtliche Verschwiegenheit in der Monarchie. In der Ersten Republik kam sie in den Verfassungsrang, wo sie bis heute überlebte. Noch im Regierungsprogramm von 2008 hielten Rot und Schwarz das Gesetz hoch: "Der Beitrag des Strafrechts zum Schutz des Amtsgeheimnisses ist wirksamer zu gestalten", war dort zu lesen.

Nach und nach setzte ein Kulturwandel ein. Wikileaks, Whistleblower und die zahlreichen Korruptionsaffären samt U-Ausschüssen brachten das Kontrollthema aufs Tapet. Transparenz wurde zum politischen Wahlkampfversprechen. Die Regierung Faymann plante ab 2013 erstmals die Streichung des Amtsgeheimnisses, verlor das Vorhaben im großkoalitionären Hickhack aber wieder aus den Augen. Der türkis-blauen Regierung wiederum war die Abschaffung kein Anliegen.

"So weit waren wir noch nie"

Nun geben sich Experten vorsichtig optimistisch. "So weit waren wir noch nie", sagt etwa Mathias Huter, Generalsekretär beim "Forum Informationsfreiheit" (FOI), das seit 2013 unermüdlich für ein entsprechendes Gesetz lobbyiert. Jedoch, so Huter: "Vieles wird vom Gesetzesentwurf abhängen." Bisher wurden Bürger von behördlichen Stellen mit zusammengefassten Auskünften abgespeist, eine Praxis, die laut dem Transparenzexperten in Europa inzwischen einzigartig ist. Nun sollen Bürger erstmals direkten Zugang zu echten Dokumenten bekommen. Zudem sollen die Kosten für Anfragen, die derzeit zwischen 15 und 30 Euro betragen, wegfallen.

Die vom FOI initiierte Website fragdenstaat.at gewährt Einblick in die aktuelle Praxis. Hier werden Anfragen von Einzelpersonen an Behörden gesammelt. "Die Menschen haben ein Recht darauf, zu erfahren , wofür ihr Steuergeld ausgegeben wird", erklärt Mathias Huter. Ein großer Teil der Anfragen zielt auf die Herausgabe von Studien, Gutachten oder staatlichen Verträgen mit Unternehmen ab. Künftig sollen diese Unterlagen "von allgemeinem Interesse" ab einem gewissen finanziellen Schwellenwert immer zugänglich gemacht werden. Bisher verschwanden viele Dokumente und Berichte in irgendwelchen Schubladen oder wurden nur zögerlich herausgerückt. Von aktuell 1777 Anfragen auf fragdenstaat.at wurde nur gut die Hälfte "erfolgreich" oder "teilweise erfolgreich" beantwortet. Huter: "Besonders bei politisch heiklen Fragen wird oft gemauert, um unliebsame Diskussionen zu vermeiden. Bürger können zwar vor das Verwaltungsgericht ziehen, was oft über ein Jahr dauert. Doch auch wer vor Gericht recht bekommt, erhält in der Praxis die beantragte Auskunft mitunter nicht."

Als großes Vorbild in Sachen Transparenz sehen die Experten die Regelungen in der Slowakei. "Dort können Verträge der öffentlichen Hand erst in Kraft treten, wenn sie im Internet publiziert wurden", so Huter. Das lässt mit Blick auf Östereich deutlich Spielraum nach oben.

"Kein ausreichendes Personal"

Kritisch sehen Experten die nach wie vor langen Fristen für Auskünfte. Vier bis acht Wochen sollen die Behörden und staatlichen Stellen Zeit für die Beantwortung von Anfragen bekommen. Nicht geklärt ist laut Huter auch noch, wie Bürger künftig an die gewünschten Informationen gelangen. Ein Informationsfreiheitsbeauftragter, wie er in Deutschland eingesetzt wurde, ist derzeit noch nicht vorgesehen. Und nicht überall wird die Transparenzoffensive willkommen geheißen. Mit partiellem Widerstand ist zu aber, dass am Steuergeheimnis nicht gerüttelt werden dürfe. Auf profil-Anfrage heißt es: "Das hat sich bewährt und schützt die höchstpersönlichen Daten der Bürgerinnen und Bürger." Seitens der Wiener Bildungsdirektion, die 2014 den rechnen. Im Finanzministerium etwa "begrüßt" man das Transparenzpaket, betont Negativ-Award "Mauer des Schweigens" erhielt, heißt es: "Bereits jetzt erfordern die Anfragen ein hohes Maß an Arbeitszeit, für das kein ausreichendes Personal zur Verfügung steht." Bei einer Ausweitung der Gesetze müsse der Bund für zusätzliches Personal sorgen. Und beim Land Niederösterreich möchte man sich erst zur Materie erst äußern, "wenn ein Gesetzesentwurf vorliegt".

Auskunftsfreude sieht anders aus, aber wenigstens hat sich dieses Mal niemand auf das Amtsgeheimnis berufen.