Ermittler decken Betrug bei der Wirtschaftskammerwahl im Burgenland auf
Bei der Wirtschaftskammerwahl im Burgenland Anfang März dürfte es Wahlbetrug gegeben haben. profil liegt der 114-seitige Abschlussbericht des Landeskriminalamts (LKA) Burgenland an die Staatsanwaltschaft Eisenstadt vor, die in der Causa gegen sechs Beschuldigte ermittelt. Demnach wurden die Stimmen von 24-Stunden-Pflegerinnen manipuliert, die als Einzelunternehmerinnen bei der Kammerwahl wahlberechtigt sind.
Profitiert haben dürfte von dem Betrug unter anderem Anita Szojak, Kandidatin des ÖVP-Wirtschaftsbundes, Vize-Obfrau der Fachgruppe Personenbetreuung und Chefin der nach ihr benannten Vermittlungsagentur für Pflegekräfte: Eine Ex-Mitarbeiterin von Szojak erzählte den LKA-Ermittlern, sie hätte drei Tage lang Wahlkartenanträge von Pflegerinnen gefälscht. Dazu habe die Angestellte Dokumente der Betreuerinnen ausgedruckt, deren Unterschriften ausgeschnitten und auf die Wahlkartenanträge geklebt – die Anträge habe sie dann eingescannt und an die Kammer gemailt. Ein Fahrer der Agentur Szojak gestand gegenüber LKA-Beamten, dass er und drei weitere Mitarbeiter des kroatischen Büros der Agentur die Stimmzettel im Sinne ihrer Chefin ausfüllten. Mindestens 60 Stimmzettel sind betroffen. Als Begründung führte der Fahrer an, die Pflegerinnen „konnten Fr. SZOJAK nicht mal der richtigen Partei zuordnen bzw. ihren Namen richtig schreiben“.
Auch Norbert Aichhorn, Chef der gleichnamigen Pflegeagentur, Wirtschaftsbund-Kandidat und Ausschussmitglied der Wirtschaftskammer-Fachgruppe, gestand in seiner Einvernahme: „Ich habe mich zumindest einmal selbst gewählt. (…) Ansonsten habe ich noch weitere zumindest 10 Vorzugsstimmen auf meinen Namen lautend angebracht.“ Eine Bekannte habe er ersucht, „ebenfalls bei zumindest acht weiteren amtlichen Stimmzetteln die Vorzugsstimme auf meinen Namen lautend anzubringen.“ Er bedauere diese Manipulationen. Aichhorn zu den Ermittlern: „Ich wollte einfach nur ein respektables Vorzugsstimmenergebnis haben.“ Auf profil-Anfrage bestreitet Aichhorns Anwalt die Aussagen seines Mandanten. Die Vorwürfe seien „unrichtig“.
Beinahe bleibt der Schwindel unentdeckt. Wäre da nicht Anja Haider-Wallner von der Grünen Wirtschaft. Als Mitglied der Hauptwahlkommission steht Haider-Wallner zur richtigen Zeit im richtigen Raum und beobachtet zwei Wahlhelfer, die in der Fachgruppe Personenbetreuung die Vorzugsstimmen zählen. Sie wird misstrauisch, weil die Wahlzeugen immer wieder dieselben Namen vorlesen. Also schaut sie genauer hin – und ist fassungslos: „Wer das nicht sehen will, der muss blind sein. Es war so offensichtlich, dass das dieselbe Schrift ist“, sagt sie zu profil.
Haider-Wallner alarmiert den Hauptwahlleiter. Doch an Aufklärung wird nicht gedacht: Haider-Wallner wird aus dem Raum geschickt, die Wahlzeugen zählen in Ruhe fertig. Und die Wahlkommission entscheidet einstimmig, den Vorfall nicht zu protokollieren. Haider-Wallner ist nicht stimmberechtigt – ihr bleibt nur mehr der Weg zur Staatsanwaltschaft Eisenstadt. Dort wird sie ernst genommen, mehr noch: Alle Stimmzetteln werden beschlagnahmt. Und das LKA bringt die mutmaßlichen Fälscher schließlich zum Reden.
Ihren Fund beschreibt Haider-Wallner als „totalen Zufall“: „Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, nach so was zu suchen.“ Die Funktionärin der Grünen Wirtschaft stellt sich seither eine Frage: „Wer hat aller davon gewusst?“ Dass die Agenturbetreiber allein auf diese Idee gekommen sind, bezweifelt Haider-Wallner: „Die Reaktion der Anwesenden aus der Zweigwahlkommission war so auffällig – die waren überhaupt nicht überrascht.“
Die Causa wirft auch Fragen zum Wahlmodus der Wirtschaftskammer auf: Wie konnten die Wahlkarten in den Besitz der Agenturen gelangen – und warum wurden sie nicht eingeschrieben an die Pflegerinnen geschickt? Warum blieben die gefälschten Unterschriften auf den Wahlkarten unentdeckt? Und wird die Wahl in der Fachgruppe Personenbetreuung wiederholt? Dazu wollte die Wirtschaftskammer Burgenland auf profil-Anfrage nichts sagen.
Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt will demnächst über eine Anklage entscheiden. Im Fokus stehen sechs Beschuldigte. Der Vorwurf: Urkundenfälschung und Fälschung bei einer Wahl. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
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