Erschreckende Zustände in Stein
Anhand wochenlanger Recherchen zeichnete profil in der Ausgabe vom 1. Juni 1992 ein erschreckendes Bild von den Zuständen in Stein, "Österreichs größter Strafanstalt". Aus diesem Gefängnis würden am Ende "brutalisierte Menschen entlassen , die beim geringsten Anlass explodieren, um ihre Wut an Unschuldigen auszulassen", analysierte ein "Lebenslanger" die Situation.
"Schlimmer geht's nimmer", beklagte ein Funktionär das auch in der SPÖ-Hochburg Wien desaströse Wahlergebnis von Präsidentschaftskandidat Rudolf Streicher. Parteiintern wurde heftig über die Ursachen des Debakels diskutiert, Einigkeit herrschte nur darin, dass man, wie Altbürgermeister Leopold Gratz es ausdrückte, "gegen das Prinzip der indischen Witwenverbrennung" sei. Denn wenn einer durch eine Niederlage politisch "tot" sei, müssten nicht auch noch "ein paar andere mit ins Grab genommen werden".
Im Zuge der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Gemeinschaft würde Österreichs Neutralität zu Grabe getragen, fürchtete eine Mehrheit der Österreicher. Diese Neutralität stehe "für etwas anderes, als sie wirklich ist", schrieb Georg Hoffmann-Ostenhof im Leitartikel, sie sei zur Chiffre eines "historisch erstmalig reifenden österreichischen Nationalstolzes" geworden. Als Mentalität, so Ostenhof, sei Neutralität allerdings hierzulande "zuweilen nur schwer von Charakterlosigkeit zu unterscheiden".