"Die EU muss außenpolitisch stärker auftreten"
Beim alljährlich stattfindenden "Europaforum" in Neumarkt - veranstaltet von der Europäischen Föderalistischen Bewegung (EFB) und den Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) - wurden am vergangenen Wochenende aktuelle EU-Themen von hochrangigen Experten diskutiert. Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle forderte, dass sich die EU nicht nur auf Wirtschaftsthemen konzentrieren solle. Bei der Digitalsteuer sollte die EU aber sehr wohl eine führende Rolle einnehmen. Notwendig sei vor allem eine "starke Stimme" in der Außenpolitik. "Über Syrien verhandeln Russland, die USA, die Türkei und der Iran. Dabei haben die Europäer Millionen Menschen aus Syrien aufgenommen", kritisierte Stainer-Hämmerle.
Die ehemalige EU-Abgeordnete der Grünen, Eva Lichtenberger, forderte mehr Transparenz bei Entscheidungen des EU-Rates (Treffen der EU-Minister). "Dies wäre ein zentraler Schritt zur Weiterentwicklung der EU."
Die von Juncker ausgerufene "politische EU-Kommission" sei nicht parteipolitisch gedacht gewesen, sondern dass sich die Kommission nicht nur um "Sachthemen der Experten" kümmert, sondern um politische Themen, die für die Bevölkerung wichtig sind. Auch im Europaparlament gebe es kein rein parteipolitisches Agieren wie auf nationaler Ebene. "Das ist eine Qualität auf europäischer Ebene, die erhalten bleiben muss - aber transparent und für die Bürger nachvollziehbar."
Europaabgeordneter Lukas Mandl (ÖVP) verwies darauf, dass der globale Einfluss der EU, die nur mehr sieben Prozent der Weltbevölkerung stelle, weiter sinken werde. Aber nirgendwo auf der Welt würden Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie so gelebt wie in Europa. "Der Klimawandel gehört zu den Themen, bei denen Europa seine Stimme erheben muss. Da müssen wir unser Denken in andere Teile der Welt tragen. Europa muss seine Stärke nützen, um eine Klimadiplomatie im positiven Sinn zu betreiben" Zudem müsse Europa stärker aufzeigen, was es in der Welt beiträgt – zum Beispiel in der Entwicklungshilfe.
Der Europa-Redakteur des profil, Otmar Lahodynsky, warnte in seinem Einführungsvortrag vor der zunehmenden Kluft zwischen den alten EU-Mitgliedern und den neuen EU-Staaten in Mittel- und Osteuropa. Hier habe auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nicht sensibel genug gehandelt. "Juncker ist zu selten nach Warschau, Prag, Budapest oder Bukarest und Sofia gereist." Er hätte seinen Vorschlag für ein Quotensystem zur Aufnahme von Flüchtlingen viel mehr erklären und auch Anreize dafür schaffen müssen. Die neuen Mitgliedsstaaten hätten aber zu wenig Solidarität an den Tag gelegt und die EU mit einem Bankomaten verwechselt. Das System der "Spitzenkandidaten" bei der Wahl zum Kommissionspräsidenten sei nun tot.
Die Auswahl der deutschen CDU-Politikerin Ursula von der Leyen als Juncker-Nachfolgerin wurde von mehreren Experten als nicht ideal bewertet. "Spitzenkandidaten waren der bei Wahl 2014 geeignet für die Mobilisierung der Wähler. 2019 war das nicht notwendig - da haben Brexit und scharfe Auseinandersetzung zwischen EU-Befürwortern und - Gegnern mobilisiert", so Stainer-Hämmerle. EU-Abgeordneter Mandl kündigte an, für Von der Leyen zu stimmen. "Aber man muss sich schon die Frage stellen, ob solche Machtspiele die Begeisterung für die EU steigern."