Eurofighter und Rapid: Eine dubiose Verbindung
Drei Verträge. Viereinhalb Jahre Laufzeit. Acht Rechnungen. 4,05 Millionen Euro. Eine Frage: warum? Dies ist die Geschichte einer verblichenen Geschäftsbeziehung, die auch Jahre später nichts von ihrer Rätselhaftigkeit verloren hat. Hier: Der österreichische Fußballverein SK Rapid Wien. Da: EADS Deutschland, ein Rüstungsunternehmen.
Der Fall Eurofighter also. Es erscheint bis heute schleierhaft, warum EADS ab September 2003 - in zeitlicher Nähe zum größten militärischen Beschaffungsvorgang in der Geschichte Österreichs - das dringende Bedürfnis verspürte, ausgerechnet den SK Rapid Wien zu sponsern. Als ersten und einzigen Fußballklub in der Geschichte des Konzerns; ein Sponsor, der obendrein öffentlich nicht in Erscheinung treten wollte. War es bloß ein Akt der Courtoisie gegenüber dem "Gastland“, wie es in der Präambel eines Vertrags aus 2003 niedergeschrieben worden war? Oder doch der Versuch, die Eurofighter-kritische SPÖ und deren "Rapid-narrische“ Repräsentanten um Alfred Gusenbauer "aus dem Rennen“ zu nehmen, wie es der frühere FPÖ-Kommunikationschef und verdeckte EADS-Berater Kurt Lukasek wörtlich empfohlen hatte?
Bisher unveröffentlichte E-Mails und Aussagen stützen eine Annahme: Mit einem Sponsoring im klassischen Sinne hatte das Engagement wenig zu tun. "Ich weiß noch, dass ich eines Tages … die Information erhielt, dass EADS Rapid Wien sponsern will. Das war circa 2003/2004. Vorangegangen sei ein Treffen mit der Vereinsführung von Rapid Wien. Diese stand der SPÖ sehr nahe.“ Das gab der frühere Leiter der Eurofighter-Kommunikationsabteilung Wolfdietrich Hoeveler bei einer Zeugeneinvernahme durch deutsche Ermittler im Jänner 2014 zu Protokoll. "Ich erhielt die Info, dass ein, nicht sichtbares‘ Sponsoring vereinbart worden sei … Das Sponsoring von Rapid Wien passte nicht zu den Grundregeln, die ich beim Sponsoring für relevant hielt … Meine Reaktion auf diese Info war, dass ich völlig fassungslos war.“
4,05 Millionen Euro. Das ist jener Betrag, den der SK Rapid Wien zwischen 2003 und 2007 auf Grundlage dreier Verträge von EADS Deutschland bekam. Dies belegen acht profil vorliegende Rechnungen, die der Verein respektive die nachgeordnete SK Rapid Wirtschaftsbetriebe GmbH (heute SK Rapid GmbH) stellten. Aber was bekam EADS dafür? Die Antwort darauf führt über den damaligen "General Manager“ von Rapid, Werner Kuhn, der bis heute im Sold des Vereins steht. Die Aktenstücke zeigen auch, dass der SPÖ-nahe Manager Kuhn laufend Kontakt zu EADS-Leuten unterhielt - und sich dabei längst nicht nur über Fußball austauschte.
Am 13. Dezember 2006 schrieb EADS-Manager Wolfgang Aldag seinem Kollegen Johann Heitzmann ein E-Mail, das ein vorangegangenes Treffen mit Werner Kuhn so zusammenfasste: "Meeting mit Hr. Kuhn: dieses Jahr kein Treffen mehr mit G notwendig, aber im Januar wird eines gewünscht (ich versuche, was um den 19.1./ 20.1 zu organisieren). Darabos ist als Minister vorgesehen - entweder Innen, Außen od. Verteidigung! Das Wirtschaftsmin. will SPÖ auch, Min. noch nicht definiert.“
"G“ - das war unzweifelhaft Alfred Gusenbauer, damals wie heute Rapid-Vereinsmitglied. Zweieinhalb Monate zuvor hatte die Nationalratswahl das schwarzblaue Experiment beendet. Der SPÖ-Vorsitzende und spätere Regierungschef hatte die Partei mit dem Versprechen in den Wahlkampf geführt, den unter Schwarzblau 2003 paktierten Ankauf von 18 Eurofighter Typhoon-Jets zu stornieren. Verständlich, dass EADS gerade jetzt die Nähe zur SPÖ suchte.
Schon der erste Eurofighter-Untersuchungsausschuss 2006/2007 brachte hervor, dass Gusenbauer und der einstige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos, damals auch Mitglied des Rapid-Kuratoriums, EADS-Vertreter Heitzmann im Oktober 2006 getroffen hatten. Darabos - er wurde am 11. Jänner 2007 als Verteidigungsminister angelobt - legt bis heute Wert auf die Feststellung, dass Gusenbauer und er die ablehnende Haltung der SPÖ gegenüber dem Projekt Eurofighter damals unmissverständlich kommunizierten (aus dem versprochenen Storno wurde letztlich ein umstrittener "Vergleich“: Anstelle der 18 neuen Jets der sogenannten Tranche 2, bestellte Österreich im Juni 2007 neun neue und sechs gebrauchte Flieger mit "herabgestufter technischer Ausrüstung“, allesamt aus der älteren Baureihe "Tranche 1“).
Dass Rapid-Manager Kuhn mit EADS Termine des SPÖ-Parteichefs koordinierte und nebenbei Informationen zu möglichen Ministerbesetzungen und Ressortverteilungen überbrachte, wirkt an sich schon sonderbar. Doch Aldags E-Mail vom 13. Dezember 2006 schließt mit einer Bemerkung, die erst recht Fragen aufwirft: "SPÖ bietet uns Hilfe im Ausland an, z. B. Griechenland. Haben angeblich starke Verbindung nach Athen.“
Griechenland? Welche Art von Hilfe könnte die SPÖ EADS in dieser sensiblen Phase angeboten haben? Was wollte Kuhn damit andeuten? Er selbst will sich dazu nicht äußern. "Ich habe davon weder eine Ahnung, noch eine Erklärung dafür“, schreibt Alfred Gusenbauer in einer Stellungnahme an profil. Ähnliches sagt auch Norbert Darabos: "Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Ich habe niemandem Hilfe angeboten, ich weiß auch nicht, was mit Griechenland oder der starken Achse nach Athen gemeint gewesen sein könnte.“
Tatsache ist, dass Griechenland ab 2000/2001 erwogen hatte, bis zu 60 Eurofighter Typhoon anzuschaffen - doch der Deal wurde nie finalisiert.
Bereits am 13. November 2006 hatte EADS-Manager Aldag seinen Kollegen Heitzmann via E-Mail von einem Treffen mit Kuhn unterrichtet; zwei Wochen, nachdem der erste parlamentarische Eurofighter-Ausschuss eingesetzt worden war. "Ich soll Ihnen von Hrn. Kuhn Folgendes übermitteln: Darabos will im U-Ausschuss eine klare Kommunikationsregel nach außen durchsetzen. D. will sich starkmachen, dass sich der U-Ausschuss mit 4/5 Leuten über das Produkt (Anm.: Eurofighter) als auch über den Produktionsstand direkt beim Hersteller informiert … Es könnte arrangiert werden, dass Sie sich mit Pilz treffen (4-Augen).“
Was sagt Darabos dazu? "Auch das entbehrt jeder Grundlage. Ich habe den Eindruck, da wollte sich jemand gegenüber EADS wichtigmachen. Da wurde offenbar vonseiten Rapids der falsche Eindruck suggeriert, dass man Einfluss bei uns geltend machen konnte. Es gab aber keine wie immer geartete Beeinflussung. Und es ist auch kein Geld zur SPÖ geflossen.“
Der grüne Abgeordnete Peter Pilz, der in dem Mail ebenfalls genannt wird, erinnert sich allerdings an eine versuchte Kontaktaufnahme. "Ein Rapid-Funktionär, dessen Namen ich nicht nenne, hat damals tatsächlich versucht, mir ein Essen mit einem EADS-Vertreter zu vermitteln. Meine Antwort war ein klares Nein.“
Geht es nach Pilz, er ist heute Mitglied des Rapid-Kuratoriums, dann ist die Verwendung der EADS-Millionen durch Rapid auch Jahre später "völlig unklar“: "Man muss sich schon fragen, wo eigentlich der Werbewert für EADS lag. Blieb das Geld beim Verein? Oder lief es teilweise durch?“
Am 26. September 2003 schloss Rapid den ersten von drei Verträgen, zwei Millionen Euro schwer, Laufzeit bis 31. Juli 2005. Ein klassischer Sponsorvertrag, der EADS unter anderem die Möglichkeit gab, auf Trikots der Kampfmannschaft zu werben. EADS überwies die zwei Millionen Euro in zwei Tranchen, warb aber nicht. Der damalige Rapid-Präsident und SPÖ-Finanzminister a. D. Rudolf Edlinger erklärt das so: "Ursprünglich war geplant, dass EADS auf die Trikotärmel geht. Ich wollte aber auf keinen Fall, dass Rapid für Kriegsgerät wirbt. EADS hat ja noch andere Produkte. Offenbar konnte man sich im Unternehmen aber nicht auf eine Alternative verständigen, weshalb die Ärmel der Spieler eineinhalb Meisterschaften hindurch frei blieben.“ Das Geld forderte EADS übrigens nicht zurück. Edlingers Wahrnehmungen stehen jedenfalls in Widerspruch zu den eingangs zitierten Aussagen von Wolfdietrich Hoeveler, wonach das Sponsoring von Anfang an "nicht sichtbar“ sein sollte.
Am 14. Dezember 2004 wurde ein zweiter Vertrag (eine Million Euro, Laufzeit bis 30. April 2007) geschlossen, der am 25. Jänner 2007 (1,05 Millionen Euro, Laufzeit bis 30. April 2008) einmalig verlängert wurde. Um Werbung ging es da schon nicht mehr, fortan war von "Talenteförderung“ die Rede.
Auffallend: Von den schlussendlich 4,05 Millionen Euro, die Rapid auf Basis der drei Verträge fakturierte, landeten 450.000 Euro bei der vereinseigenen SK Rapid Wirtschaftsbetriebe GmbH. Diese legte drei der acht Rechnungen an EADS. Rechnungszweck jeweils: "Consulting und PR-Aktivitäten“. Der Fußballklub - ein Beratungsunternehmen? Rapid äußert sich dazu auf Anfrage nicht. Sprecher Peter Klinglmüller verweist auf vertrauliche Vertragsinhalte. Ex-Präsident Rudolf Edlinger sagt: "EADS bekam im Gegenzug Zugang zu unserem VIP-Club und zum Kreis unserer Sponsoren.“ Für annähernd eine halbe Million Euro? "Das war es dem Konzern offenbar wert. Hätte ich das ablehnen sollen, nur weil jemand sagen könnte, das sei zu viel? Ich wäre ein schlechter Präsident gewesen.“