Eva Zelechowski: „Ein dunkelhäutiges Kind konnte ich mir wegen Rassismus nicht vorstellen“
Moritz* ist 1,5 Jahre alt und schon relativ stabil auf den Beinen. Er steht für einen Kindeswunsch, welcher der 45-jährigen Journalistin Eva Zelechowski zehn Jahre lang verwehrt blieb. „Am Ende war der Wunsch so stark, dass es mir körperliche Schmerzen bereitete, wenn ich andere Mütter mit ihren Babys sah.“ Auf biologischem oder künstlichem Weg klappte es nicht. Und als Alleinerzieherin ein Adoptivkind zu bekommen, hielt sie für ausgeschlossen, weil Paare in der Praxis bevorzugt würden und selbst drei Jahre warten.
Eines Abends schoss ihr auf der Couch ein, dass ein Kollege Pflegevater ist. Sie kontaktierte ihn, traf ihn und er stellte ihr bei einem Bier die entscheidende Frage: „Kannst du ein Kind lieben, das nicht Dein biologisches ist?“ Zelechowski beantwortete die Frage innerlich mit Ja und ging auf die Reise zum Pflegekind. Sie dauerte wegen einiger Hindernisse zwei Jahre. März 2021 ging es an die finale Abklärung. Hausbesuch, Finanzcheck, Kriterien-Liste. Eva Zelechowski: „Ein dunkelhäutiges Kind konnte ich mir wegen Rassismus nicht vorstellen. Weil ich weiß, wie es ist, mit Rassismus aufzuwachsen. Ich möchte nicht jeden Tag gefragt werden, wer ist der Papa.“ An Krankheiten schloss sie Hepatitis C, psychische Krankheiten oder ADHS in Folge von Alkohol- oder Drogensucht der Eltern aus. „Ich wollte praktisch ein gesundes Kind. Niemand hat mir einen Vorwurf gemacht. Im Gegenteil.“
Ein dunkelhäutiges Kind konnte ich mir wegen Rassismus nicht vorstellen. Weil ich weiß, wie es ist, mit Rassismus aufzuwachsen. Ich möchte nicht jeden Tag gefragt werden, wer ist der Papa.
Mitte Oktober bekam Zelechowski den Anruf. Im November werde ein Kind auf die Welt kommen. Ihr potenzielles Pflegekind. Eine junge Österreicherin aus sehr schwierigen Verhältnissen fühle sich nicht in der Lage, das Kind aufzuziehen. Ein paar Tage vor dem Geburtstermin, Zelechowski feierte gerade Geburtstag, ein Schockanruf. Die Mutter überlege, das Kind doch zu behalten. Zwei Tage später der nächste Anruf: Sie könne das Kind jetzt holen. Drei Tage nach seiner Geburt war Moritz bei ihr.
Seither hat sie „Null Angst“, das Kind noch zu verlieren. „Wer reißt ein Kind nach zwei, drei Jahren noch aus seiner gewohnten Umgebung raus?“ Sie will sich die Urangst aller Pflegeeltern auch gar nicht zugestehen. „Ich bin mir sicher, das würde sich aufs Kind übertragen.“ Sie trifft sich alle sechs Wochen mit der biologischen Mutter und freut sich drauf. „Es ist schön, wenn ich neue Züge an ihm in ihr entdecke.“ Es gibt Pflegeeltern, die reservieren sogar das Wort „Mama“ für die biologische Mutter und lassen sich selbst vom Kind mit Vornamen ansprechen. Soweit geht Zelechowski nicht. „Ich bin schon die Mama.“
*Um die Identität des Kindes zu wahren, ist der Vorname verändert
Fotos: Sophie Salfinger