Ex-Minister Michael Krüger und das Chaos im Team Stronach
Von Jakob Winter
"Bundesparteiobmann-Stellvertreterin" steht auf dem Türschild. Kathrin Nachbaur ist zwar schon am 18. November von allen Parteifunktionen zurückgetreten, doch die Zeit, das Schild vor ihrem Büro im Parlamentsklub zu entfernen, fand sie offenbar noch nicht.
Die jüngsten Turbulenzen sind Symptome eines knallharten Machtkampfs im Team Stronach. Als Nachbaurs Parteiaustritt bekannt wurde, witterte Ex-Klubobmann Robert Lugar die Chance auf ihre Entmachtung. Sein wichtigster Gefolgsmann: der frühere Pressesprecher und nunmehrige Abgeordnete Rouven Ertlschweiger. Vergangenen Dienstag kam es zum Showdown in der Parlamentsfraktion. Mehr als drei Stunden lang wurde heftig gestritten, bis die alte und neue Klubobfrau schließlich vor der Presse den Kompromiss verkündete: Nachbaur bleibt bis zur Geburt ihres Kindes Ende März Klubchefin, dann soll die steirische Parteichefin Waltraut Dietrich das Zepter übernehmen. Die übrigen Mandatare bedachten die Lösung mit demonstrativem Applaus. Der Rücktritt auf Raten ermöglicht der werdenden Mutter zwar die Wahrung ihres Gesichtes, der notwendige Neubeginn wird damit aber auf kommendes Jahr verschoben. Lugar spricht offiziell davon, dass das "Problem damit gelöst" sei, aber Dietrich ist alles andere als gesetzt: Im März beginnt der Wettlauf um die Mehrheit im Klub erneut.
Neue Einflüsterer
Bei der Pressekonferenz attackierte Nachbaur zudem nicht näher benannte "Intriganten" innerhalb der Partei. Sie spielte damit wohl auch auf Lugar an. "Da läuft eine sehr geschickt orchestrierte Intrige gegen Nachbaur", konstatierte Rudi Fußi, einst Berater des Team Stronach, auf Twitter. Der Klub müsse "machtlos zuschauen", wie eine kleine Gruppe
Frank Stronach instrumentalisiere. Zwischen Nachbaur und Stronach kriselt es schon länger.
Der Parteigründer hat längst neue Einflüsterer - allen voran Ex-Justizminister Michael Krüger. Der 58-Jährige ging wenige Wochen nach Amtsantritt der schwarzblauen Koalition im Februar 2000 als kürzestdienender Minister in Österreichs Polit-Geschichte ein: Die Amtszeit des damaligen FPÖ-Politikers dauerte ganze 25 Tage.
Nach seinem Abschied aus der Regierung wechselte Krüger bis Ende 2002 wieder in den Nationalrat. Dort war der gebürtige Linzer schon seit 1994 gesessen. An den rechten politischen Rand der Freiheitlichen Partei streifte er allerdings nie an: Zu den Blauen hatte ihn allein die Bewunderung für Jörg Haider gezogen. 2005 trat Krüger aus der FPÖ aus. Danach konzentrierte er sich wieder auf seinen Brotberuf als Anwalt. Sein Spezialgebiet: Medien. Unter anderem hatte er die Mediengruppe Styria im Portfolio.
Bei seinem Klienten ATV lernte er den damaligen Senderchef Tillmann Fuchs kennen. Dieser wiederum heuerte 2008 bei Stronach an und brachte die beiden zusammen, als sich der Milliardär im Jahr 2012 nach einem neuen Rechtsberater umsah.
Die Chemie stimmte von Beginn an. Heute sind Stronach und Krüger nicht nur gut befreundet, sie leben auch beide im Luxuswohnpark Fontana in Oberwaltersdorf. Krüger ist der eigentliche Architekt der Parteistruktur, die Statuten tragen seine Handschrift. Sie sichern Stronachs unumschränkte Macht und zementieren den grundlegenden Konstruktionsfehler der Partei: Frank Stronach kontrolliert alles, jeder Beschluss muss mit ihm abgesprochen werden; wer sich mit einem Anliegen durchsetzen will, hat um die Gunst des Mäzens zu buhlen. Selbst beim jüngsten Klubstreit gab Stronach via Telefon aus Kanada seinen Sanctus. Da er so oft im Ausland weilt, ist er stets auf Informationen aus zweiter Hand angewiesen. Umso inniger wird er dem Vernehmen nach von allen Seiten umgarnt: Lugar soll Stronach in dessen Beisein als "Messias" bezeichnet haben, wohingegen sich der Nationalratsabgeordnete selbst nur ein " Staubkörnchen" nannte.
Genutzt hat ihm das freilich wenig. Stronach setzt auf Michael Krüger. Von regelmäßigen gemeinsamen Abendessen in Oberwaltersdorf ist die Rede. Das gute Verhältnis schadet auch der Lebensgefährtin des Advokaten nicht: Renate Heiser-Fischer wurde im vergangenen Jahr Obfrau und Geschäftsführerin der niederösterreichischen Landespartei. Landesrätin Elisabeth Kaufmann-Bruckberger war zuvor aus der Partei gedrängt worden. Sollte noch jemand in der Milliardärspartei das Nationalratsmandat hinwerfen, wäre Heiser-Fischer (43) übrigens die Nächste auf der Liste. Krüger hält sich indessen geschickt im Hintergrund. Für politische Kommentare steht er nicht zur Verfügung. Er sei nur der Anwalt.
"Der Bund ist der Bund, und Kärnten ist Kärnten"
Die Bundespartei hat Stronach mit Geschäftsführer Roland Bauer - angeblich ein Personalvorschlag von Krüger und Heiser-Fischer - fest im Griff. Wenn Nachbaur vom "einen oder anderen Auffassungsunterschied" zwischen ihr und Stronach spricht, geht es um nicht weniger als die künftige Ausrichtung der Partei. Während der Parlamentsklub auf mehr politische Autonomie pocht, ist der politikmüde Stronach mit seiner Bundespartei vor allem um finanzielle Schadensbegrenzung bemüht. Auf Ratschlag seiner Vertrauten fordert er mit einem strikten Finanzplan sein investiertes Geld zurück. Die Bundespartei soll in den kommenden zehn Jahren jährlich eine Million Euro an den Parteigründer abstottern. Das ist mehr als die Hälfte der direkten Parteienförderung, die sich auf 1,9 Millionen pro Jahr beläuft. Förderungen für Klub (2,3 Millionen) und Akademie (1,2 Millionen) dürfen für die Rückzahlung nicht herangezogen werden. Die Raten an Stronach seien für die Partei ein "Hemmschuh", sagt ein Parlamentarier gegenüber profil. Die Partei soll "offensichtlich abwickelt werden".
Es gibt immer stärkere Indizien dafür, dass Stronach seine Zelte in Österreich komplett abbricht. 2015 wird es keine Renntage mehr im Magna Racino geben, wurde den Stallbesitzern in Ebreichsdorf dieser Tage mitgeteilt. Und für 2016 ist gar ein Stopp der Springreiten geplant. Beim Team Stronach gibt man sich dennoch optimistisch. Laut Geschäftsführer Bauer wird noch heuer über die Nachfolge von Nachbaur als Vizeparteichefin entschieden. Wer sich den Posten antut, ist fraglich, grundelt die Partei doch in Umfragen bei einem Prozent. Um einem jähen Ende zu entkommen, gehen die Landesparteien zusehends auf Distanz zum Bund. "Der Bund ist der Bund, und Kärnten ist Kärnten", sagt etwa Landesrat Gerhard Köfer. Für ihn arbeitet derzeit Ex-BZÖ-Spin-Doctor Stefan Petzner an einem neuen Erscheinungsbild der Landesgruppe. Dem Kärntner Ableger geben politische Beobachter noch eine Chance, während die Sache im Bund wohl gelaufen ist.
Das Team Stronach - zerstritten, politisch strategie- und führungslos. Von einem "starken Mann" fehlt jede Spur. Ein ehemaliger Mitarbeiter zieht Bilanz: "Keinem einzigen von den Parlamentariern geht es um die Sache. Alles geldgeile Politnaivlinge im Rausch der Position, die sie überfordert." Nach nur zwei Jahren scheint Stronachs Polit-Abenteuer schon wieder am Ende zu sein. Ein reicher Mann ist eben oft nur ein armer Mann mit sehr viel Geld.