Einzeltäter-Theorie

FPÖ-Finanzaffäre Graz: „Wie soll ich allein 700.000 Euro gefladert haben?“

Die Einzeltäter-Theorie im Grazer FPÖ-Finanzskandal wackelt: Matthias Eder hatte 2021 per Selbstanzeige gestanden, 700.000 Euro alleine veruntreut zu haben. Vor zwei Wochen erzählte er etwas anderes.

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Der kommende Dienstag wird für die FPÖ absehbarer Weise ein unangenehmer Tag. Im Parlament tagt der U-Ausschuss zur Klärung von allfälligem rot-blauen Machtmissbrauch. Und dabei kommt ein Thema aufs Tapet, das für die Freiheitlichen höchstes politisches Gefahrenpotenzial birgt: der seit 2021 schwelende Finanzskandal im Umfeld der Grazer FPÖ, der sich längst auch in andere Richtungen ausgewachsen hat.

Natürlich war ich das nicht allein. Wie soll ich allein 700.000 Euro gefladert haben? Wer glaubt das?

Matthias Eder

Ex-Klubsekretär der FPÖ Graz

Hunderttausende Euro aus Mitteln des Gemeinderatsklubs der Grazer Freiheitlichen sollen laut Verdachtslage veruntreut worden sein – profil berichtete ausführlich. Matthias Eder, ein Funktionär der mittleren Parteiebene, erstattete im Herbst 2021 Selbstanzeige und betonte, er habe im Alleingang 700.000 Euro veruntreut. Doch diese Einzeltäterversion kommt nun gehörig ins Wanken: „Natürlich war ich das nicht allein. Wie soll ich allein 700.000 Euro gefladert haben? Wer glaubt das?“, soll Eder vor zwei Wochen einer Abordnung der Grazer FPÖ-Abspaltung KFG in vertraulichem Rahmen gesagt haben. KFG-Chef Alexis Pascuttini hat dies mittlerweile der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gemeldet, die in der Causa ermittelt. Die Eingabe samt Transkript liegt profil vor.

„Zumal ich an diesem Abend stark alkoholisiert war, fehlt mir über weite Strecken die Erinnerung“, erklärt Eder dazu auf Anfrage. Er habe in diesem Zustand gegenüber Pascuttini und Co. „alles Mögliche gesagt“ und könne nur mutmaßen, die Aussage getätigt zu haben, „um selbst in einem besseren Licht dazustehen“. Richtig sei aber jedenfalls, „dass die von mir eingebrachte Selbstanzeige vom 5. November 2021 vollinhaltlich der Wahrheit entspricht“. Eder will also weiterhin allein gehandelt haben.

Zumal ich an diesem Abend stark alkoholisiert war, fehlt mir über weite Strecken die Erinnerung.

Matthias Eder

Ex-Klubsekretär der FPÖ Graz

Die seit 2021 laufenden Ermittlungen haben sich in verschiedene Richtungen ausgewachsen. Auf der Liste der Beschuldigten finden sich prominente Namen: etwa der frühere blaue Stadtparteichef und Vize-Bürgermeister Mario Eustacchio. Gegen ihn besteht unter anderem der Verdacht, er habe sich zu Unrecht den Großteil der sogenannten Parteisteuer rückerstatten lassen, die jeder Funktionär zahlt. Eustacchio, der im Ermittlungsverfahren sämtliche Vorwürfe immer bestritten hat, nahm wenige Tage vor der Selbstanzeige Eders im Herbst 2021 den Hut. Vergangene Woche feierte er jedoch ein Polit-Comeback: Als wilder Mandatar kehrte Eustacchio in den Grazer Gemeinderat zurück. Er nimmt den Platz eines kürzlich zurückgetreten ehemaligen Parteikollegen ein.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.