FPÖ: Jugend schützt vor Wahlkampf nicht
Mittwoch vorvergangener Woche war Norbert Hofers Welt noch in Ordnung, wenn auch ein wenig eingetrübt. Bei der Sitzung des FPÖ-Parteivorstands hatten hochrangige Funktionäre Hofer erneut bedrängt, blauer Kandidat bei der Bundespräsidentschaftswahl am 24. April zu werden. Und Hofer hatte sich abermals erfolgreich geweigert. Begründung: Seine Gehbehinderung mache einen Wahlkampf zur Qual. Und er sei für das Amt noch viel zu jung. Ein paar Witzbolde im Vorstand nahmen ihren Leider-Nicht-Kandidaten daraufhin auf die Schaufel: "Du schaust eh schon so alt aus.“ Dass sein äußeres Erscheinungsbild - im brünetten Haar finden sich weiße Strähnen - verspottet wurde, soll den nicht ganz uneitlen Hofer durchaus getroffen haben.
Vergangenen Donnerstag wurde der bald 45-jährige Burgenländer offiziell als FPÖ-Kandidat für die Bundespräsidentschaftswahlen präsentiert. Die Kür verlief alles andere als rund. Als ruchbar wurde, die zu den Blauen konvertierte Ursula Stenzel werde für die FPÖ antreten, rumorte es in einflussreichen Landesgruppen. Parteichef Strache geriet erstmals in seiner zehnjährigen FPÖ-Obmannschaft unter Druck. Droht ihm nun weiteres Ungemach aus den eigenen Reihen?
Norbert Hofer sollte die neue, moderate FPÖ repräsentieren.
Tatsächlich ist Norbert Hofer kein Kandidat zweiter Wahl. Schon im April 2014 schrieb profil, der Dritte Nationalratspräsident werde FPÖ-intern als Bestqualifizierter für die Präsidentschaftswahl gehandelt. In der Partei herrschte damals Unruhe: Kurz vor der EU-Wahl hatte Heinz-Christian Strache seinen Spitzenkandidaten Andreas Mölzer ausgetauscht und durch Generalsekretär Harald Vilimsky ersetzt. Mölzer hatte die EU ein "Negerkonglomerat“ genannt, in dem von ihm herausgegebenen Wochenblatt "Zur Zeit“ wurde der "pechrabenschwarze“ Kicker-Star David Alaba verhöhnt. Mölzers Degradierung war der Abschluss der Umformung der FPÖ zu einer österreichpatriotischen Partei ohne deutschnationale Störenfriede.
Und Norbert Hofer sollte - in der zweiten Reihe - diese neue, moderate FPÖ repräsentieren: sympathisch, verbindlich und selbst beim üblichen EU-, Regierungs- und Migranten-Bashing noch manierlich. Dazu das überparteiliche Amt als Nationalratspräsident - fertig ist der FPÖ-Präsidentschaftskandidat.
Doch Hofer widersetzte sich allen Avancen. Andere Kandidaten sagten entweder ab, wie Rechnungshofpräsident Josef Moser; oder waren nicht geeignet, wie Volksanwalt Peter Fichtenbauer (zu alt, zu wenig Glamour für ein Staatsoberhaupt) und Wiens Vizebürgermeister Johann Gudenus (zu jung, zu aggressiv für ein Staatsoberhaupt).
Stenzel, so Straches Lob, sei eine fantastische Wahlkämpferin.
Man sollte Heinz-Christian Strache nicht unterschätzen: Die Personalpolitik des FPÖ-Obmanns erfolgt durchaus strategisch. Bei Männern und Jungen ist die FPÖ stärkste Partei im Land; bei Senioren und Frauen schwächeln die Blauen. Ein Kandidat, der ältere und weibliche Wähler anspricht, würde das Potenzial erhöhen. Die logische Person: Ursula Stenzel. Schon nach den Wahlen in Wien zeigte sich der FPÖ-Chef in kleinem Kreis begeistert, obwohl die von der ÖVP übergelaufene Bezirksvorsteherin der Innenstadt ihr Amt nicht halten konnte. Stenzel, so Straches Lob, sei eine fantastische Wahlkämpferin, die ohne Berührungsängste auf die Leute zugehe.
Da erschien es durchaus schlüssig, Stenzel auch in den Kampf um die Hofburg zu schicken, zumal die nunmehrige einfache Gemeinderätin durchaus Lust zeigte, erneut im Rampenlicht zu stehen. Und so verdichtete sich die Idee der Stenzel-Kandidatur in den vergangenen Wochen zum Plan.
Postet Strache ein Foto vom Urlaub oder Wochenend-Ausflug, erhält er innerhalb von Minuten Dutzende Antworten.
Strategisches Denkvermögen ist für einen Parteichef von Vorteil, mindestens ebenso wichtig ist Instinktsicherheit. Doch Straches Gespür für die Befindlichkeiten seiner Partei hat diesmal versagt, ebenso jenes von Generalsekretär Herbert Kickl. Schon vor Wochen war beiden aus wichtigen Landesgruppen wie der oberösterreichischen und der steirischen FPÖ signalisiert worden, eine Spitzenkandidatin Ursula Stenzel werde eher skeptisch gesehen. Aus mehreren Gründen: Stenzel ist keine originäre Blaue; als Wienerin kommt sie im Westen eher nicht an, als Innenstadt-Lady noch weniger. Und vor allem: Stenzel trägt auch in FPÖ-Kreisen den Makel der Überläuferin. Dass politischen Verrätern vom Wahlvolk eher üble Motive unterstellt werden, hätten Strache und Kickl bei jedem Demoskopen erfragen können.
Der medial kolportierte Aufstand der Burschenschafter gegen Stenzel und pro Hofer fand nicht statt. Die schmissigen Burschen und Alten Herren bedeuten längst keinen geschlossenen Machtfaktor mehr in der FPÖ. Überdies war der Nicht-Akademiker Hofer nie aktives Mitglied einer Waffen tragenden Verbindung, sondern ist nur Ehrenmitglied der Junioren-Pennälerverbindung "Marko-Germania“ Pinkafeld.
Nachdem Anfang vergangener Woche Stenzels Name als wahrscheinliche Kandidatin durchgesickert war, hob parteiintern abermals Protest an. Dazu kamen teils äußerst aggressive Postings auf Straches Facebook-Site, an der sich der FPÖ-Chef durchaus orientiert. Kein Wunder: Mit 300.000 Fans ist der FPÖ-Obmann die Social-Media-Nummer-eins unter Österreichs Spitzenpolitikern. Postet Strache ein Foto vom Urlaub oder Wochenend-Ausflug, erhält er innerhalb von Minuten Dutzende Antworten.
Will Hofer in die Stichwahl kommen, müssen die Wahlverweigerer unter den blauen Sympathisanten mobilisiert werden.
Mittwoch kam es zu einer letzten Gesprächsrunde, an der nur Strache, Kickl, Hofer und Stenzel teilnahmen. Das Ergebnis entsprach der Vorhersage, die einige FPÖ-Vorständler schon zuvor gewagt hatten: Wenn man Hofer, einen eher zaudernden Charakter, lang genug bekniet und an seine Verantwortung für die Partei appelliert, wird der Burgenländer nachgeben. Und so kam es dann auch.
Im Falle einer Stenzel-Kandidatur hätte Strache zwar kein Parteiaufstand gedroht. Mancher Landesobmann warnte ihn aber, die eigenen Funktionäre seien für Stenzel nur schwer mobilisierbar.
Nun hat der FPÖ-Chef wenigstens eine Sorge weniger. Wäre seine Kandidatin bei der Wahl am 24. April durchgefallen, wäre dies ihm allein angelastet worden. Für Norbert Hofers Kandidatur trägt die ganze Partei die Verantwortung.
Gegen die Wahlchancen des blauen Kandidaten sprechen sein geringer Bekanntheitsgrad und eine gewisse Fadesse in der Außenwirkung, für ihn seine relative Jugend und sein gemäßigtes Auftreten. FPÖ-Sympathisanten zeigten in der Vergangenheit freilich nur wenig Interesse an Bundespräsidentenwahlen. Schließlich wollte ihr Idol Strache das Amt mehrmals abschaffen. Will Hofer in die Stichwahl kommen, müssen die Wahlverweigerer unter den blauen Sympathisanten mobilisiert werden.
Vielleicht fühlt sich aber auch Strache mit seinen 46 Jahren noch zu jung für das Präsidentenamt.
Einen Wahlkampf nach dem Vorbild von Strache, der kaum einen Kirtag oder ein Zeltfest auslässt, kann Hofer aufgrund seiner eingeschränkten Gehfähigkeit nicht absolvieren: Nach einem Paragleiter-Unfall 2003 geht er am Stock. In den vergangenen Jahren litt er zusätzlich an schweren Entzündungen an einem Fuß. Hofer war an einem heißen Sommertag auf einer durch die Sonne aufgeheizten Blechplatte gestanden und hatte die drohenden Verbrennungen aufgrund des mangelnden Gefühls im Bein nicht bemerkt. Eine Zeit lang drohte ihm sogar die Amputation des betroffenen Fußes.
Hauptattraktion im Wahlkampf wird freilich nicht der Kandidat, sondern der Chef sein. Hätte Strache als Bundespräsident kandidiert, wäre ihm die für Hofer eher unerreichbare Stichwahl wohl sicher gewesen. Doch der FPÖ-Obmann will lieber Kanzler werden - nach baldigen Neuwahlen, mit denen er fix rechnet. Vielleicht fühlt sich aber auch Strache mit seinen 46 Jahren noch zu jung für das Präsidentenamt. Interne Witze über das altersadäquate Aussehen des FPÖ-Parteichefs sind jedenfalls nicht überliefert.