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Wie ein Kanzler Kickl Österreichs Sicherheit gefährdet

Deutschland droht, die Zusammenarbeit mit Österreichs Geheimdiensten einzuschränken. Der Grund dafür ist Herbert Kickl und die FPÖ. Die Sorgen sind berechtigt.

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Mit Herbert Kickl als Kanzler dürften sich die sonst guten deutsch-österreichischen Beziehungen spürbar verschlechtern. Denn deutsche Geheimdienste denken bereits über eine mögliche Einschränkung der Zusammenarbeit nach. Sollte es so weit kommen, hätten Österreichs Nachrichtendienste keinen Zugang mehr zu gewissen vertraulichen Informationen – mit gravierenden Folgen für die nationale Sicherheit.

Bereits nach dem Wahlsieg der FPÖ im September 2024 haben mehrere deutsche Sicherheitspolitiker ihre Bedenken geäußert. Die „nachrichtendienstliche Kooperation mit Österreich“ müsse man „auf den Prüfstand stellen“, sagte Konstantin Kuhle, FDP-Fraktionsvize und Mitglied im Geheimdienste-Kontrollgremium des Bundestags, im Oktober 2024 gegenüber dem Handelsblatt. Konstantin von Notz, Grüne und Vorsitzender des Geheimdienstgremiums ergänzte, dass „die FPÖ in Regierungsverantwortung durchaus ein erhebliches Sicherheitsproblem für österreichische Behörden, aber auch ihrer Partner wäre“. Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner machte auf die „Zusammenarbeit“ der FPÖ „mit Rechtsradikalen“ aufmerksam und CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter erinnerte an den BVT-Skandal in Kickls Zeit als Innenminister – und die Sorge kommt nicht von ungefähr.

Deutschland ist Österreichs wichtigster Partner im Kampf gegen Terror, Extremismus und Spionage. Mit keinem Land kooperieren die österreichischen Sicherheitsbehörden enger als mit dem nördlichen Nachbarn. Die Zusammenarbeit funktioniert auf drei Ebenen: Mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) werden Informationen zu Terrorismus und Spionage ausgetauscht, das Bundesamt für Verfassungsschutz ist der Ansprechpartner in Sachen Extremismus und dem Bundeskriminalamt bei der grenzübergreifenden Aufklärung von Verbrechen.

BVT-Skandal mit Folgen

Grund zur Sorge gibt es für die deutschen Behörden genug, denn als Kickl Ende 2017 Innenminister wurde, dauerte es nicht lange, bis er seine neue Machtposition nützte, um Informationen zu konkreten Ermittlungen zu erhalten. Er fragte seinen Generalsekretär Peter Goldgruber um interne Details zur Beobachtung von Burschenschaften. Goldgruber wollte daraufhin vom damaligen Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Peter Gridling wissen, bei welchen Burschenschaften verdeckte Ermittler im Einsatz waren - so etwas ist absolut unüblich und übergriffig, wie ein U-Ausschuss später auch festhielt.

Aber er ging noch weiter: Kickl misstraute seinen eigenen Beamten derart, dass er in freundlicher Kooperation mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung in seinem wichtigsten Sicherheitsapparat anleierte. Die Ende Februar 2018 stattgefundene Razzia wurde als rechtswidrig erklärt. Aber der Schaden war angerichtet, hat Österreichs Reputation bis heute beschädigt, das Vertrauen der internationalen Partner ist angeschlagen. Und Vertrauen ist die wichtigste Währung, wenn es um Nachrichtendienste geht. Damals wurden im BVT nämlich zahlreiche Daten über verdeckte Ermittler in der Neonazi-Szene beschlagnahmt. Vom Schreibtisch der damaligen Referatsleiterin für Extremismus, Sibylle G. verschwand etwa laut ihren eigenen Angaben im Zuge der Razzia eine E-Mail, wo der Rechtsextremist Gottfried Küssel unter anderem den Einsatzleiter der Hausdurchsuchung zu einer Veranstaltung eingeladen hatte. Zufall? Auch Informationen internationaler Partnerdienste wurden mitgenommen – ein No-Go in der Welt der Agenten. Das brachte das Fass international zum Überlaufen. Nachdem es vor der Razzia schon Reibereien mit Österreich wegen des schwerwiegenden Verdachts der Russlandspionage gegeben hat (Stichwort: Egisto Ott), wurden die heimischen Dienste schließlich aus dem Berner Club ausgeschlossen. Das ist ein Netzwerk aller EU-Geheimdienste sowie der Schweiz und Norwegen. Assoziierte Mitglieder sind Australien, Israel, Kanada, Neuseeland und die USA – der Club ist somit der mächtigste Geheimdienstverband der Welt. Wer hier nicht mehr mitspielen darf, hat ein schwerwiegendes Sicherheitsproblem – vor allem, wenn man ein kleines Land wie Österreich ist, das auf die Informationen von Diensten angewiesen ist.

Droht Österreich das mit einem Kanzler Kickl also wieder und was heißt das?

Man muss differenzieren: Bei konkreter Gefahr, also vor allem im terroristischen und allgemeinen verbrecherischen Bereich, würde Österreich auch unter einer freiheitlichen Führung wohl weiter Informationen aus Deutschland erhalten, sind sich Experten einig. Hinweise auf terroristische Aktivitäten stammen zudem häufig aus Großbritannien, Israel oder den USA.

Es ist davon auszugehen, dass auch Deutschland auf dieser Achse behilflich sein würde, denn niemand würde einen Terroranschlag in Europa zulassen, wenn er vereitelt hätte werden können. Der Kontakt zu den deutschen Nachbarn zählt zu den engsten Partnerschaften im internationalen Geheimdienstnetzwerk Österreichs. Bereits vor dem Terroranschlag in Wien am 2. November 2020 lieferten deutsche Geheimdienste Informationen über die Kontakte des Attentäters Kujtim Fejzulai. Damals waren zwei deutsche Islamisten nach Wien gereist und wurden von Fejzulai empfangen. Diese Erkenntnis stammte aus der Überwachung durch die deutschen Geheimdienste. 

Doch welche Auswirkungen hätte es, wenn Deutschland diese Zusammenarbeit mit Österreichs Nachrichtendiensten tatsächlich einschränken würde? Weder die DSN noch das HNaA wollten dazu Stellung nehmen. Man verwies lediglich darauf, dass die Vernetzung mit internationalen Partnern weiterhin eng sei. Trotzdem gibt es Bedenken bei Experten, dass sich die Arbeit in der DSN unter einem Kanzler Kickl verändern könnte. Ex-BVT-Chef Peter Gridling, der während Kickls Amtszeit als Innenminister suspendiert wurde, kritisiert die offen zur Schau gestellte Nähe der FPÖ zu Russland. Diese Haltung, so Gridling, könnte nicht nur die Sicherheitsstrukturen des Landes destabilisieren, sondern auch die Kooperation mit internationalen Partnern, etwa Deutschland, erheblich erschweren.

Russische Freundschaften

Das betrifft vor allem die Spionageabwehr. In diesem Bereich gibt es häufig keine unmittelbare Gefahr, demokratische Strukturen werden langsam im Geheimen unterwandert. Im Dezember 2024 wurde öffentlich, dass profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer sowie der Chef des Verfassungsschutzes, Omar Haijawi-Pirchner, von einer russischen Spionagezelle in Wien beschattet wurden. „Alles, was aus den Ermittlungen rund um Jan Marsalek hervorgegangen ist, zeigt, dass über die Verbindungen zwischen der FPÖ und Russland durchaus viele nachrichtendienstliche Kanäle bestehen, über die Fehlinformationen verbreitet, Kontakte geknüpft und nachrichtendienstlich genutzt werden können. Wenn FPÖ-Politiker nach Russland reisen und dort einen Freundschaftsvertrag unterzeichnen – unabhängig davon, wie die FPÖ heute dazu steht – gibt es immer das Risiko einer Indoktrination oder Beeinflussung. Es besteht die Gefahr, dass diese Netzwerke für nachrichtendienstliche und politische Zwecke genutzt werden“, sagt Gridling.

In einem Interview mit dem „Standard“ übte er zudem Kritik daran, dass man damals „das BVT handstreichartig umfärben“ wollte. Auf die Frage, ob dies auch der DSN drohen könnte, antwortet Gridling: „Wenn die FPÖ die Kanzlerpartei stellt, muss sie viele Positionen besetzen. Das Rekrutierungspotenzial innerhalb der eigenen Reihen ist jedoch nicht so groß wie bei der ÖVP. In diesem Zusammenhang sollte man genau beobachten, ob Vertreter der Identitären oder aktive Identitäre in Spitzenfunktionen aufsteigen beziehungsweise wer sensible Positionen besetzen wird.“

Russische Beeinflussung und wachsender Rechtsextremismus – zwei Phänomene, die Deutschland und Österreich aufgrund ihrer gemeinsamen Sprache, Kultur und Geschichte in ähnlicher Weise betreffen. Teilweise agieren sogar dieselben Akteure in beiden Ländern. Rechtsextreme Medien aus Österreich erreichen ein Millionenpublikum in Deutschland, während Neonazis grenzübergreifend vernetzt sind. Und russische Desinformationskampagnen werden schon aufgrund der Sprache grenzübergreifend geführt.

Die Zusammenarbeit der Geheimdienste wird in den kommenden Jahren entscheidend sein, um dieser Bedrohung zu begegnen. Werden Österreichs Nachrichtendienste erneut aus dem Berner Club und anderen internationalen Vernetzungstreffen ausgeschlossen, fehlen ihnen entscheidende Informationen über die geheimdienstliche Großwetterlage. Ob sie dann noch schnell genug und mit ausreichend Wirkung auf neue Gefahren reagieren können, bleibt abzuwarten.

Daniela Breščaković

Daniela Breščaković

ist seit April 2024 Innenpolitik-Redakteurin bei profil. War davor bei der „Kleinen Zeitung“.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.