FPÖ-Mann Gerald Hauser: Schwurbler mit Mandat
Gerald Hauser braucht nicht viel, um in Fahrt zu kommen. Manchmal reicht dem freiheitlichen Nationalratsabgeordneten ein banaler Nebensatz, um seine Weltanschauung vorzutragen. Das jüngste Beispiel ist keine zwei Wochen alt: Da sagte Finanzminister Magnus Brunner in seiner Budgetrede, die Welt sei nicht dieselbe wie vor der Corona-Pandemie. Eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Hauser aber nahm Anstoß. In seinem Redebeitrag fragte er den Finanzminister: „Herr Minister, woher wissen Sie das? Ich sage es Ihnen, wenn Sie es nicht wissen, Herr Minister. Sie haben nachgelesen bei Klaus Schwab, der das in seinem Buch „The Great Reset“ geschrieben hat.“
Schwab ist Gründer es World Economic Forum (WEF), das 2020 erschienene Buch ein etwas überambitionierter Problemaufriss einer Welt, die mit multiplen Krisen konfrontiert ist. Sie bräuchte Neuanfänge, Resets eben, auf verschiedenen Ebenen, um sich weiterzuentwickeln. Rechtsextreme Ideologen halten das Buch aber für eine Betriebsanleitung zur Weltverschwörung. Auf den Demonstrationen gegen das Management der Corona-Pandemie war das Konzept in aller Munde. „Großer Austausch, Great Reset: Stoppt den Globalistendreck“ stand auf einem Transparent der „Identitären Bewegung“.
Hauser war auf diesen Demos, das Vokabular ist ihm geblieben. In derselben Rede am vorvergangenen Donnerstag sprach er mehrmals davon, dass Brunner und die Bundesregierung Politik für die „Globalisten“ mache. Seine Botschaften tut er nicht nur im Parlament kund, er teilt sie auf Telegram und in Büchern. Denn auch wenn Verschwörungstheorien zum politischen Stilmittel der FPÖ geworden sind, verbreitet sie kein anderer blauer Abgeordneter mit so viel Eifer und Hingabe wie Hauser.
Wurzeln in der ÖVP
Der 62-Jährige war nicht immer so. Politisch hatte er sich ursprünglich für die Volkspartei engagiert, in Osttirol war er stellvertretender Obmann der Jungen ÖVP. Doch dann kam Jörg Haider, und der studierte Wirtschaftspädagoge und karenzierte HAK-Lehrer wurde FPÖ-Mitglied. Er blühte auf. Schon 1994 trat er bei den Landtagswahlen als Spitzenkandidat für den Bezirk Lienz an. Zwar wurde aus dem Einzug in den Landtag nichts, doch Hauser schaffte es, auf sich aufmerksam zu machen. Er wetterte gegen teure Lawinengalerien, die Einführung der Autobahnvignette und die, im Land mit absoluter Mehrheit regierende, ÖVP.
Es passte in den Zeitgeist, in ganz Österreich polterten FPÖ-Funktionäre nach dem Vorbild Haiders gegen die Großparteien, den Filz im Staat und immer mehr auch gegen Ausländer. Die Botschaften griffen – auch in den ÖVP-Bastionen in den Alpentälern. Den neuen Wind spürte man bei den Bürgermeisterwahlen in St. Jakob im März 1998. Während es Langzeit-Ortschef Armin Ladstätter nicht einmal in die Stichwahl schaffte, holte Hauser im ersten Wahlgang 35 Prozent und damit den ersten Platz. Dass er in der Stichwahl unterlag – und damit nicht Osttirols erster FPÖ-Bürgermeister wurde – tat der Sensation und Hausers Karrieresprung keinen Abbruch. Schon im Jahr darauf zog er auf sicherem Listenplatz in den Landtag ein und wurde Klubobmann.
Statt einem noch steileren Aufstieg folgte allerdings ein Auf-und-Ab, die nächsten Jahre von Hausers politischer Karriere waren von innerparteilichen Streitigkeiten geprägt. 2003 flog er nach dramatischen Verlusten aus dem Landtag, im Zuge der Abspaltung des BZÖ blieb er bei den Freiheitlichen. 2006 zog er, als Tiroler Landesparteivorsitzender, erstmals in den Nationalrat ein, seinen Sitz musste er schon zwei Jahre später aber wieder räumen. Dafür wurde er 2010 schließlich doch Bürgermeister von St. Jakob, 2013 ein weiteres Mal Nationalratsabgeordneter.
Sorge um Osttirol
Hauser positionierte sich als Fürsprecher des strukturschwachen Osttirols und der kleinen Tourismusbetriebe. Das zeigt auch ein Blick auf seine parlamentarischen Anfragen. Sie drehten sich um die Schließung und Unterbesetzung von Polizei- und Rettungsdienststellen im Bezirk Lienz, die Vergünstigung von Skipässen für Einheimische und die Vergabe von Mikrokrediten an Kleinstbetriebe. Dazwischen mischten sich Anfragen und Wortmeldungen zur vermeintlichen „Ausländerkriminalität“ in Tirol. In einem Interview im März 2016 sagte Hauser auf die Frage, ob in St. Jakob Asylwerberinnen und Asylwerber untergebracht werden sollen: „Eine Familie mit ein paar Kindern wird das Problem nicht sein. Aber was wir nicht brauchen, sind junge Männer, wo sich die Bevölkerung dann am Abend nicht mehr auf die Straße traut.“ Er war ein Paradebeispiel eines FPÖ-Mandatars vom Land.
Diese Positionen sind noch immer erkennbar. Früh kritisierte Hauser die hohen Ausfallzahlungen für große Tourismusbetriebe, während kleine Herbergen und Pensionen lange warten mussten. Auch die umfassenden Kompetenzen der COFAG problematisierte er, in einer Plenarrede im November 2022 betonte er, dass die Finanzämter viel besser für die Abwicklung der Coronahilfen geeignet gewesen wären. Ein Umstand, auf den auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Cofag-Urteil hingewiesen hat.
Hausers Radikalisierung war da allerdings bereits im Gange. Bei den Coronademos trat er häufig als Redner auf, immer mehr seiner Anfragen drehten sich um die Impfungen. Vom Landwirtschaftsministerium wollte er wissen, ob Österreichs Zootiere auf Corona getestet oder dagegen geimpft wurden, vom Gesundheitsminister, ob es einen Zusammenhang zwischen der Impfung und beschleunigtem Krebswachstum gebe. Bei Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka erkundigte er sich: „Ist Ihnen bekannt, dass [sic!] Corona-Pandemie seitens der Eliten seit Jahren vorbereitet wurde? Wenn ja, wer hatte diese Informationen?“ Die Anfrage nahmen die Grünen Abgeordneten Eva Blimlinger und Ralph Schallmeiner zum Anlass für einen Gastkommentar im „Standard“ und schrieben dort: „Anfragen wie diese sind ein Missbrauch der parlamentarischen Demokratie, haben nichts mit dem verfassungsrechtlich garantierten Interpellations- oder Fragerecht zu tun, sondern ziehen dieses schlicht ins Lächerliche.“
Ich habe Gerald als engagierten Politiker kennengelernt, aber jetzt ist alles von seinem Fantasimus überdeckt.
„Brachiale Zensur“
Hauser verbreitete seine Ansichten aber auch abseits des Parlaments. Zwei Bücher hat er geschrieben, sie heißen „Raus aus dem Coronachaos“ und „Und die Schwurbler hatten doch recht“, im November erscheint ein drittes unter dem Titel „Die gestohlene Normalität“. Im Spätsommer 2022 gründete er zwei Telegramgruppen, seine Beiträge werden im Durchschnitt von 1500 Personen gelesen. Er mutmaßt dort über einen „Turbokrebs“, der sich bei geimpften jungen Menschen verbreitet. Im September des Vorjahres listete Hauser auf, wer bei der Bundespräsidentschaftswahl 2016 Alexander van der Bullen unterstützte: „Alle Systemparteien, alle Systemmedien, die Kirche, alle maßgeblichen Institutionen, die EU.“ Regelmäßig warnt er vor der drohenden Diktatur der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Telegram sei für die Verbreitung seiner politischen Botschaften „immens notwendig“, schreibt Hauser auf Anfrage von profil, auf anderen Kanälen schlage „die Zensur mittlerweile ja brachial zu und die Meinungsfreiheit wird immer mehr ausgehöhlt“. Er beantworte Fragen ausschließlich schriftlich, das tut er rasch, zuverlässig und ziemlich ausführlich.
Auf die Feststellung, dass die Rede von „Globalisten“ antisemitische Untertöne beinhalten könne – und die Existenz einer verborgenen Weltmacht suggeriere – geht er allerdings nicht ein. Er versteht unter dem Begriff „weltweit tätige Personen, Unternehmen und Organisationen“ und verweist er auf Interviews mit WEF-Gründer Schwab und Youtube-Videos, die die Gefahr eines „Great Resets“ untermauern sollen. Grundsätzlich habe ihn das politische Handling der Corona-Pandemie in seinem „Agieren gegen globale Agenden“ bestärkt.
Fanatismus ist Trumpf
Hauser sei während der Corona-Pandemie „verloren gegangen“, sagt ÖVP-Tourismussprecher Franz Hörl. Die beiden kennen sich seit fast 30 Jahren. „Ich habe Gerald als engagierten Lokalpolitiker erlebt“, sagt der Zillertaler. „Aber jetzt ist das alles von seinem Fanatismus überdeckt.“ Dabei entstamme Hauser eigentlich nicht dem rechten Rand der Partei, von neonazistischen Umtrieben habe er sich immer glaubhaft distanziert.
Im Abseits steht Hauser allerdings auch heute nicht. Der „Great Reset“ ist fest im Wortschatz der FPÖ verankert, immer wieder spricht auch Parteichef Herbert Kickl davon. In den Umfragen schadet das den Freiheitlichen bekanntermaßen nicht. Oder wie Hauser auf Telegram schrieb: „Herbert Kickl wird mit der Unterstützung der Menschen ,Volkskanzler‘, gerade weil die Eliten und Globalisten das nicht wollen.“