Zwei Männer in Anzügen, Herbert Kickl und Walter Rosenkranz
Parlament

Kickl hat entschieden: Rosenkranz wird FPÖ-Nationalratspräsident

Walter Rosenkranz ist FPÖ-Parteisoldat, scheidender Volksanwalt, verhinderter Bundespräsident und bald Nationalratspräsident.

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Anfang September gab es die ersten medialen Spekulationen, der freiheitliche Volksanwalt Walter Rosenkranz, 62, könnte im Falle eines FPÖ-Wahlsiegs Nationalratspräsident werden. Denn auf der FPÖ-Bundesliste für die Wahl am 29. September fand sich auch sein Name. Am Freitag kündigte Rosenkranz an, er werde die Volksanwaltschaft verlassen und in den Nationalrat zurückkehren. Und am Samstag bestätigte die FPÖ der „Kronen Zeitung“, Parteiobmann Herbert Kickl werde Rosenkranz als Nationalratspräsident vorschlagen. Nach der parlamentarischen Usance steht das Amt der stärksten Fraktion zu. Die Abstimmung findet am Donnerstag bei der konstituierenden Sitzung des Nationalrats statt. Die Wahl von Rosenkranz ist so gut wie fix. Er ist ein im blauen Spektrum eher sachlicher Politiker, gegen den die anderen Fraktionen kaum Einwände haben dürften. Allein die Grünen haben beschlossen, keinen FPÖ-Abgeordneten zum Parlamentschef wählen zu wollen.

Rosenkranz ist es gewohnt zu tun, was die FPÖ und ihr Chef wollen. „Ich bin Parteisoldat“, sagte er am Freitag. Das bewies Rosenkranz besonders im Oktober 2022. Nachdem einige Angefragte Parteichef Kickl abgesagt hatten, musste Rosenkranz als blauer Kandidat für die Bundespräsidentschaftswahl ran – wissend, dass er nur verlieren kann. Am Ende erhielt er immerhin 17,7 Prozent. Amtsinhaber Alexander Van der Bellen wurde mit 56,7 Prozent wiedergewählt.

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Das zweithöchste Amt im Staat kann als verspätete Belohnung für seine Treue interpretiert werden – aber auch als geschicktes Manöver von Herbert Kickl, um Norbert Hofer auszubremsen. Der bisherige Dritte Nationalratspräsident hätte den Posten liebend gern übernommen. Doch nun muss Hofer als Spitzenkandidat der FPÖ Burgenland bei der Landtagswahl im Jänner antreten. Kickl gönnte seinem Vorgänger als Parteichef den Spitzenjob im Parlament nicht. Er musste fürchten, dass Hofer als Nationalratspräsident in der Außenwirkung zu stark würde. Von Rosenkranz ist das nicht zu erwarten. 

Vom Ausgedinge ins 22.000-Euro-Amt

Der voraussichtlich nächste Nationalratspräsident verkörpert das FPÖ-immanenten soziale Gefälle von blauen Politikern zu blauen Wählern. Rosenkranz ist ein Jurist, der Latein und Hochdeutsch schätzt, einen Hang zum Elitären aufweist, aber die Partei des kleinen Mannes repräsentiert. Er selbst sieht darin keinen Widerspruch. Als Volksanwalt habe er sich hundertfach um die Anliegen einfacher Bürgerinnen und Bürger gekümmert, wie er einmal gegenüber profil ausführte. 

Im Allgemeinen ist die Volksanwaltschaft ein Ausgedinge für verdiente Politiker. Rosenkranz war in der Zeit der ÖVP-FPÖ-Koalition unter Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache Klubobmann und damit einer der Maschinisten von Türkis-Blau. Nach Ibiza und der Rückkehr der FPÖ in die Opposition war für ihn kein Platz mehr an der Klubspitze – diesen beanspruchte Herbert Kickl. Daher wechselte Rosenkranz im Juli 2019 in die Volksanwaltschaft, wohldotiert mit zuletzt 16.700 Euro brutto im Monat. Als Nationalratspräsident wird er 22.000 Euro verdienen. 

Gibt es ein liberales Leben im radikalen?

Rosenkranz stammt aus Krems, wo seine Frau Susanne FPÖ-Gemeinderätin war. Seit März 2023 ist sie Landesrätin für Arbeit, Konsumentenschutz, Natur- und Tierschutz in der schwarz-blau geführten niederösterreichischen Landesregierung. Auch Walter Rosenkranz startete seine politische Karriere im Kremser Gemeinderat. Im Jahr 2008 wurde er Nationalratsabgeordneter. Von 2013 bis 2019 war er Landesparteiobmann der FPÖ Niederösterreich. 

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Im Zivilberuf ist Rosenkranz Strafverteidiger, der Übeltäter aller Art  vor Gericht vertrat, auch solche, die die FPÖ gern abschieben oder ausbürgern würde.  Neben Jus studierte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst klassische Gitarre und gab als Volksanwalt Konzerte im Parlament. Dass er geschickte Hände besitzt, zeigte er auch beim Fechten. Rosenkranz ist Alter Herr der – weit rechts außen zu verortenden – Wiener Burschenschaft Libertas. Als Student überstand er acht Mensuren ohne gröbere Gesichtsverletzungen, nur an der linken Wange ist ein Ritzer zu sehen. Als historisch beschlagener Schöngeist sammelt er alte Münzen. Sein wertvollstes Stück ist ein Goldgulden aus der Zeit des Habsburger-Kaisers Friedrich III. 

Rosenkranz ist einer jener freundlichen Freiheitlichen, die glaubhaft machen wollen, es wäre ein liberales Leben im radikalen der heutigen FPÖ möglich. Früher prägten derartige Honoratioren – Anwälte, Steuerberater, Ärzte, Apotheker – die Partei. Aus Sicht von Parteichef Kickl ist Rosenkranz allerdings zum zweiten Mal die zweite Wahl. Für die Bundespräsidentenwahl 2022 war die Linzer FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst die Favoritin des Parteiobmanns. Und auch an der Spitze des Nationalrats hätte Kickl lieber Fürst gesehen. Allerdings wäre die Abgeordnete für die anderen Fraktionen kaum wählbar, ihre Nominierung eine Provokation. Die Namen seiner neuen Kollegen im Nationalratspräsidium kennt Rosenkranz. bereits. Die ÖVP nominiert den langjährigen Salzburger Abgeordneten Peter Haubner als Zweiten Präsidenten. Dritte Präsidentin wird Doris Bures, SPÖ.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.