FPÖ schickt Martin Graf in den Nationalfonds
„Der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus wurde 1995 gegründet, um die besondere Verantwortung der Republik Österreich gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus zum Ausdruck zu bringen.“ So ist es auf der Website des Fonds zu lesen. Dessen Gründung vor 24 Jahren lag die - späte - politische Erkenntnis zugrunde, dass überlebende NS-Opfer und manche Opfergruppen (wie etwa Angehörige von Euthanasie-Opfern oder von in KZs Ermordeten sowie homosexuelle Menschen) bis dahin nicht die ihnen gebührende Anerkennung erhalten hatten. Aus seinen Rechtstiteln leistete der Nationalfonds seit 1995 Zahlungen im Ausmaß von 330 Millionen Euro an NS-Verfolgte aus den unterschiedlichen Opfergruppen.
Eingerichtet ist der Fonds beim Nationalrat. Oberstes Organ, ausgestattet mit Richtlinienkompetenz, ist das Kuratorium, an dessen Spitze der jeweilige Präsident des Nationalrates steht. Weiters gehören dem Kuratorium die beiden anderen Nationalratspräsidenten, Regierungsmitglieder sowie Vertreter der Parlamentsparteien an. Auch die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) hat ein Mandat in dem Gremium inne.
Montag, 17. Juni, ab 15 Uhr, fand die jüngste Sitzung des Kuratoriums statt. Die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) war allerdings verhindert. Als Vertreter für Kitzmüller nahm ausgerechnet der FPÖ-Abgeordnete und frühere Dritte Nationalratspräsident Martin Graf, 59, teil. Entweder eine besondere Frechheit oder eine bewusste Provokation: Denn Graf hat eine einschlägige Vita. Bereits 1987 war er, Mitglied der Freiheitlichen Studenten, Saalordner beim Auftritt eines deutschen Neonazis in Wien.
Graf ist Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft Olympia, bei der in der Vergangenheit notorische Neonazis zu Gast waren. Im Jahr 2006 bekannte er sich in einem Interview zur „deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“. Mitarbeiter seines Büros gaben bei einem rechtsextremen Versand Bestellungen auf. Und nach dem Rücktritt von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Mai schrieb Graf auf Facebook, Straches Kritiker hätten „weder Ehre noch Treue“. Die Wortwahl erinnert frappant an den SS-Leitspruch „Meine Ehre heißt Treue“.
In der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) zeigte man sich ob der Teilnahme Grafs an der Sitzung des Nationalfonds entsetzt. IKG-Präsident Oskar Deutsch übermittelte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Mittwoch ein Schreiben. (siehe Faksimile)
Darin heißt es, die IKG könne die Entsendung von Graf „in dieses für die Republik so wichtige Gremium nicht tatenlos hinnehmen“. Grafs Burschenschaft Olympia sei für „ihren Geschichtsrevisionismus“ bekannt und „ein Hotspot rechtsextremistischer Umtriebe“. Auch Graf selbst vertrete „extremistische Haltungen“. Sein Schreiben an Sobotka schließt IKG-Präsident Deutsch mit den Worten: „Solange Nationalratsabgeordneter Mag. Dr. Martin Graf im Kuratorium des Nationalfonds zugegen ist, wird die Kultusgemeinde ihr Mandat in diesem Gremium ruhend stellen.“ Die Entscheidung zur temporären Sistierung des Mandats wurde am Mittwoch im Präsidium der IKG beschlossen - einstimmig.
Während seiner Zeit als Dritter Nationalratspräsident (2008 bis 2013) hatte Graf dem Kuratorium automatisch per Gesetz angehört. Dass sie Graf im Nationalfonds allerdings für eine Zumutung hielt, machte die damalige Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) im Jänner 2009 mehr als deutlich. Sie verwehrte Graf die Berufung in das so genannte Komitee des Nationalfonds, das über die tatsächliche Zuerkennung von Leistungen entscheidet. Der damalige Grünen-Abgeordnete Alexander Van der Bellen gratulierte Prammer. Graf, so der heutige Bundespräsident, habe aufgrund seiner Gesinnung im Nationalfonds „nichts verloren“.