Bundeskanzler Christian Kern im ORF-Sommergespräch.

Frage der Woche: Was bringt ein gesetzlicher Mindestlohn?

Forderungen nach der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns sind keineswegs neu. Ein profil-Überblick zum Thema Mindestlohn in Österreich und der EU.

Drucken

Schriftgröße

Als Tarek Leitner SPÖ-Chef Christian Kern zum letzten ORF-Sommergespräch dieses Jahres bat, lag der Fokus – auch bedingt durch die Vorberichterstattung – zwar auf anderen Aspekten, dennoch sprach der Bundeskanzler den Mindestlohn kurz an. Er inszenierte die SPÖ dabei als Kämpferin für die Einführung eines solchen:

"Es muss klar sein, dass diejenigen, die arbeiten mehr haben müssen als diejenigen, die nicht arbeiten. Unsere Strategie ist es, dafür zu sorgen, dass die Einkommen gestärkt werden. Indem wir für einen Mindestlohn kämpfen, indem wir für Steuererleichterungen für die ersten 1500 Euro – da wollen wir gar keine Steuern – sorgen und eine Strategie entwickeln, wie wir gemeinsam reicher werden."

Sommergespräch mit Christian Kern (SPÖ)

Wie ist die rechtliche Situation in Österreich?

In Österreich existiert kein einheitlicher, gesetzlich geregelter Mindestlohn. Das bedeutet jedoch nicht, dass sämtliche Arbeitnehmer dadurch willkürlichen Festlegungen ausgesetzt sind. Mindestlöhne beziehungsweise in den meisten Fällen Mindestgehälter sind vielfach branchenspezifisch über Kollektivverträge geregelt und werden demnach regelmäßig zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern ausverhandelt. Erst Ende Juni haben sich die Sozialpartner darauf geeinigt bis 2020 einen Mindestlohn von 1500 Euro brutto umzusetzen, allerdings weiterhin auf sozialpartnerschaftlicher Ebene.

Wer würde von einer Einführung profitieren?

Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, der somit unabhängig von Kollektivverträgen oder Mindesttarifen über alle Branchen hinweg gültig ist, würde vor allem jene Menschen betreffen, die in Bereichen arbeiten, wo keine Kollektivverträge existieren. Dazu zählen in Österreich etwa die Berufsfelder Kosmetik, Zahntechnik, Abfallwirtschaft, Werbung und Kommunikation sowie Mitarbeiter von Rechtsanwälten. Hier entfallen Untergrenzen für die Entlohnung und Gehaltsanpassungen. Zusätzlich würden momentan natürlich auch solche Branchen profitieren, deren Kollektivverträge weniger als einen gesetzlichen Mindestlohn vorsehen würden. Nach der geplanten Reform bis 2020 würden diese jedoch ohnehin vereinheitlicht.

Wie steht Österreich im EU-Vergleich da?

Im Großteil der Mitgliedsstaaten der EU beziehungsweise anderen europäischen Staaten gelten einheitliche Mindestlöhne. Deutschland hat dies etwa mit dem seit Anfang 2015 gültigen Mindestlohngesetz geregelt, welches auch den Großteil der Praktika umfasst. Die ursprünglichen 8,50 Euro pro Arbeitsstunde wurden mit 1. Jänner 2017 auf 8,84 Euro erhöht. Damit liegt Deutschland im Spitzenfeld, was die Höhe des Mindestlohns anbelangt. Lediglich in den Beneluxstaaten, in Frankreich und in Irland wird mehr vorgeschrieben. Keine Mindestlöhne gibt es etwa in Dänemark, Finnland und Schweden. Allerdings sind hier wie in Österreich branchenspezifische Bindungen an Kollektivverträge beziehungsweise Tarife üblich, die den Großteil der Arbeitnehmer umfassen.