Franz Fischler: „Die FPÖ ist kein tragfähiger Partner mehr“
Interview: Otmar Lahodynsky, Fotos: Monika Saulich
profil: Welche Koalition sollte Sebastian Kurz nach seinem Wahlsieg eingehen? Fischler: Das Allerwichtigste ist jetzt, eine Neuauflage von Schwarz-Blau zu vermeiden, noch dazu, wo die FPÖ so viele Stimmen verloren hat. Dadurch werden die internen Konflikte in dieser Partei sehr bald noch größer werden. Die FPÖ kann in ihrer aktuellen Verfassung kein tragfähiger Partner mehr sein. profil: Sind die Grünen wirklich bereit für eine Koalition mit Kurz? Fischler: Es ist kein Zufall, dass im Westen Österreichs Koalitionen der Volkspartei mit den Grünen recht gut funktionieren. Im Osten sieht es anders aus. Dort sollten die Grünen jetzt über ihren Schatten springen. Ein Blick nach Deutschland zeigt ja auch: Koalitionen mit den Grünen funktionieren überall dort, wo grüne Pragmatiker regieren.
Einen Fehler hat Sebastian Kurz in der vorigen Regierung gemacht: Er ließ den Blauen viel zu viel Spielraum.
profil: Ist Sebastian Kurz bereit für eine Regierung mit den Grünen? Fischler: Wir brauchen eine Regierung, die sowohl im In- als auch im Ausland Respekt findet. Derzeit schließen mehrere Parteien eine Koalition mit der FPÖ aus. Aber sie sind auch nicht bereit, Kompromisse für eine Koalition mit der ÖVP einzugehen. Damit könnten sie die ÖVP erst recht in die Hände der Blauen treiben. profil: Welche Reaktion würde eine neue Koalition mit der FPÖ auf EU-Ebene auslösen? Fischler: Dass im Ausland eine neue ÖVP/FPÖ-Regierung scheel angesehen würde, ist eine Tatsache. Die Kritik daran wäre diesmal wesentlich heftiger als beim ersten Mal. Einen Fehler hat Sebastian Kurz in der vorigen Regierung gemacht: Er ließ den Blauen viel zu viel Spielraum. Da hätte es mehr und präzisere Absprachen geben müssen, schon im Regierungsübereinkommen.
profil: Hat Kurz zu lange zugeschaut? Fischler: Er hat immer eine Sorge angetrieben: Man muss nach außen auf Harmonie spielen, sonst könnte ein zweites Knittelfeld passieren. Ernsthaft zu kritisieren ist die enorme Toleranz bei Postenbesetzungen in staatsnahen Unternehmen. In einem exorbitanten Ausmaß kamen plötzlich Freiheitliche, die oft gar nicht ausreichend qualifiziert waren, zum Zug. Es ist schon eigenartig, dass ausgerechnet jene Partei, die jahrzehntelang – vor allem unter Jörg Haider – gegen Proporz und Postenschacher auftrat, so unverschämt zugelangt hat. profil: In der EU spielt Österreich immer öfter eine blockierende Rolle. So hat der Nationalrat die Ratifizierung des Freihandelsabkommens Mercosur abgelehnt. Fischler: Mercosur lehnen auch andere EU-Länder ab. Ein Problem ist sicher auch der Präsident von Brasilien, Jair Bolsonaro. Doch wenn man das neue Ressort für den österreichischen EU-Kommissar in Rechnung stellt, dann scheint die Wertschätzung gegenüber Österreich immer noch recht groß zu sein.
Vielleicht ist die Klimakrise eine Chance.
profil: Johannes Hahn wird die schwierigen Verhandlungen über das nächste EU-Budget führen. Mit Ausnahme der Migration spielten Europathemen in unserem Wahlkampf freilich keine Rolle. Fischler: Bei den jüngsten Wahlen spielte in so gut wie allen Ländern außer Frankreich nur mehr die Innenpolitik eine Rolle. Das hängt auch damit zusammen, dass der Populismus nur auf nationale Themen abstellt. Leider setzen die anderen Parteien nichts dagegen, sondern gehen auf dieser Ebene mit – auch weil sich die Einstellung der Bevölkerung immer mehr in Richtung Nabelbeschau entwickelt.
profil: Angesichts der Klimakrise wäre eine Regierungsbeteiligung der Grünen auch ein Signal in Europa. Fischler: Vielleicht ist die Klimakrise eine Chance. Wenn Europa nicht fähig ist, neue Initiativen für die Dekarbonisierung zu setzen, bedeutet das für die Zukunft der EU nichts Gutes. Interessanterweise trauen uns die asiatischen und auch afrikanischen Länder in diesem Sektor mehr zu als wir uns selbst. Die neue Kommissionsführung hat entsprechende Initiativen angekündigt. Frau von der Leyen will die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 50 Prozent statt um 40 Prozent senken. Ihre Ziele sind sehr ambitioniert. Die große Frage bleibt: Ziehen die Mitgliedsstaaten da mit?