FPÖ

Frauen aus Sicht der Blauen: Zurück in die “gute, alte Zeit”

Die Frauenpolitik der FPÖ sorgte zuletzt in Salzburg für laute Gegenstimmen. Wahlfreiheit und Selbstbestimmung oder Reise ins vorige Jahrhundert: Wie ist es um das Frauenbild der FPÖ bestellt?

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Ein Mädchen schaut freudestrahlend mit rosa Schultüte in der Hand in die Kamera, während ihre beiden anderen Geschwister ihrer Mutter einen Abschiedskuss geben. Der Vater im schwarzen Anzug steht eher im Hintergrund. Er beobachtet, sie kümmert sich. Dieses Familienbild stammt nicht, wie man meinen könnte, aus einem Heimatfilm des vorigen Jahrhunderts - das Foto bebildert auf der Homepage der FPÖ das Kapitel Familie im FPÖ-Parteiprogramm.

Zum Start der schwarz-blauen Koalition in Salzburg sorgt die geplante Familien- und Frauenpolitik bislang für die schärfste Kritik. Der Plan der neuen Landesregierung, Familien dafür finanziell zu belohnen, wenn sie ihre Kinder zuhause betreuen, wurde vielfach als “Herdprämie” kritisiert. Auch in der Vergangenheit krachten Freiheitliche und Feministinnen immer wieder heftig aneinander. Wie rückschrittlich ist das Frauenbild der FPÖ wirklich?

 

Mutter statt Karriere

Die FPÖ nennt es „Wahlfreiheit“, die Opposition „Herdprämie“: Stark in Kritik geriet in den letzten Wochen, das Bestreben im Salzburger Koalitionsabkommen, jener Person in der Familie, die in den ersten drei Lebensjahren beim Kind zu Hause bleibt, die Wahl zu geben: Kinderbetreuungsgeld oder Kinderbetreuungsplatz?

Dass diese Wahl freiwillig ist, bezweifeln Kritiker des Vorschlags: Der Wiedereinstieg in den Beruf würde so vor allem für Mütter erschwert werden, die Wahl könne nicht freiwillig sein, da es in vielen Salzburger Orten nicht genügend Kinderbetreuungsplätze gebe. Laut einer Studie der Salzburger Arbeiterkammer, die im Zeitraum 2021/2022 durchgeführt wurde, ist Salzburg im Bundesländervergleich „Nachzügler“ wenn es um das Betreuungs-Angebot für Unter-Dreijährige geht: Nur 24,3 Prozent der Kinder unter 3 Jahren werden in Salzburg in Kinderkrippen betreut. Im Österreich-Schnitt sind es 29,1 Prozent.

Die FPÖ spricht öffentlich gerne von Wahlfreiheit und „wirklicher Gleichberechtigung“. Die auf Geschlechterforschung spezialisierte Politologin Birgit Sauer sieht in der Frauenpolitik der FPÖ eine „geburtenfördernde Politik“. Das heißt: je mehr Kinder, desto besser. Das Ideal, viele Kinder auf die Welt zu bringen, wird über wirtschaftliche oder andere Interessen gestellt. Die Selbstbestimmung von Frauen stehe dem entgegen, solle also nicht gefördert werden. Darunter fallen etwa: Eine berufliche Karriere und finanzielle Unabhängigkeit.

Dass „nicht die kinderlose Karriere-Frau, sondern die Mutter bei ihren Kindern das Idealbild für einen erfolgreichen Fortbestand unseres Volkes“ sei, fand sich 2003 noch auf der Homepage der Freiheitlichen Jugend. Der damalige Bundesobmann hieß: Johann Gudenus. Auch die FPÖ muss mit der Zeit gehen. Auf drastische Formulierungen, die Frauen auf ihre Rolle als Mutter reduzieren, verzichten die Freiheitlichen heute weitestgehend. Aber: „Nur die Partnerschaft von Mann und Frau ermöglicht unserer Gesellschaft Kinderreichtum“, steht auch heute noch im offiziellen Parteiprogramm der FPÖ. Im Unterschied zur „alten“ Rechten habe die FPÖ ein „modernisiertes traditionelles Frauenbild“, so Sauer. Im Zentrum stehe nach wie vor das Ideal der Mutter, allerdings sei eine Dimension der „Wahlfreiheit“ auch die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit.

Hauptsache hetero

Einen “Rückgriff auf die gute alte, heile Zeit“, nennt Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle das Familienbild der FPÖ. Früher wurde nicht gegendert, früher gab es keine Quoten. Schwule oder Lesben gab es erst recht nicht. Wenn die FPÖ von der klassischen Familie, heißt das ausschließlich: „Vater-Mutter-Kind“. Immer wieder wird verlautbart, sei es im Parteiprogramm der FPÖ oder im Salzburger Koalitionsabkommen: Die Familie sei die „Keimzelle der Gesellschaft“. Ein Begriff, der laut Sauer „ein alter Topos der politischen Rechten sei, der eine “’völkische’ Vorstellung von Gesellschaft und Staat“ besitze. „Politische, staatliche Ordnung soll nach dem patriarchalen, hierarchischen Vorbild der heterosexuellen Familie funktionieren und diese Form der Familie ist verantwortlich für die Reproduktion der eigenen, ethnisch ‘reinen’ Nation“, so Sauer. Die ideale Frau ist demnach: die heterosexuelle Mutter mit Kind.

Frauen, die sich gegen Kinder entscheiden oder homosexuelle Frauen mit Kinderwunsch haben es, so scheint es, schwerer in der FPÖ: Im Handbuch freiheitlicher Politik der Steiermark wird 2019 festgehalten: „Nein zur Homo-Ehe und zum Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare.“ Immer wieder äußert sich die FPÖ kritisch zu Veranstaltungen der LGBTQIA+- Community. So auch vor einer Kinderbuch-Lesung der Dragqueen Candy Licious Mitte April in der Türkis-Rosa-Villa in Wien; der Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp verlautbarte in einer Presseaussendung: „Eine solche ungustiöse Sexualisierungspropaganda ist strikt abzulehnen.“ Die Freiheitliche Jugend Wien rief auf Instagram zu einer Demonstration gegen „Frühsexualisierung“ und „Geschlechterverwirrung“ auf. 

Männer unter sich

„Die Gleichstellung von Mann und Frau? Lehne ich ab. Wir sind nicht gleich, wir sind grundverschieden und das ist das Schöne an unserem Dasein“, schreibt Marlene Svazek  in einem Facebook-Posting zum Weltfrauentag. „Wenn wir Frauen die Hälfte der Macht wollen, dann müssen wir dafür arbeiten, hart arbeiten und ein mehrmaliges Scheitern in Kauf nehmen“, führt Svazek in dem Facebook-Posting weiter aus.

Geht es nach diesem Prinzip, müssen sich Frauen nur genug anstrengen, um sich in der Politik hochzuarbeiten. Folglich steht eine Frauenquote in der FPÖ nicht zur Diskussion. Eine Quote bevorzuge das weibliche Geschlecht, heißt es dazu im FPÖ-Parteiprogramm.

Zwar gibt es vereinzelt Frauen wie Marlene Svazek, die sich in der FPÖ eine Führungsposition erkämpft haben, blaue Frauen sind aber dennoch eine Seltenheit. Der Frauenanteil ist im Vergleich zu den anderen Parteien gering: Bloß vier von 30 FPÖ-Abgeordneten im Nationalrat sind Frauen, mit 13,3 Prozent hat die Partei den geringsten Frauenanteil unter allen Parlamentsklubs. Während durch die Quotenregeln der Frauenanteil bei den anderen Parteien sukzessive anstieg, stagnierte der Anteil bei der FPÖ oder ging sogar zurück. Ein ähnliches Bild ergibt sich in den Bundesländern: Im Salzburger Landtag ist nur eine der zehn Landtagsabgeordneten eine Frau, im Landtag in Niederösterreich gibt es zwei Frauen unter den 14 Mandataren. 0,0 Prozent: der Anteil an Frauen im Kärntner Landtag.

Die FPÖ gilt aber nicht nur wegen des geringen Anteils an Frauen innerhalb der Partei als Männerpartei: Frauen wählen eher links, Männer rechts, das besagt die Wahlforschung. Bei der Nationalratswahl 2019 wählten 21 Prozent der Männer FPÖ, bei den Frauen waren es hingegen nur 11 Prozent. Im Vergleich: Die SPÖ wählten Frauen und Männer mit 22 Prozent gleichermaßen. 

Selbstbestimmt schwanger?

Aufregung gab es auch zu einem weiteren Vorhaben der schwarz-blauen Salzburger Landesregierung: Es soll eine „Informationskampagne (…) zur Vermeidung ungewollter Schwangerschaft sowie zu Adoption und Pflegeelternschaft als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch“ ausgearbeitet werden und eine „(...)anonymisierte Studie, die das Alter der Frauen sowie auch die Gründe für Schwangerschaftsabbrüche aufzeigt(...)” durchgeführt werden. 

Der Frauenring bekrittelt, dass dieses Vorhaben in das Selbstbestimmungsrecht der Frau eingreift. Durch die „Hintertür eine Schwangerschaftsstatistik einführen zu wollen, solange jeder Schwangerschaftsabbruch von der Frau selbst zu bezahlen ist”, sei ein „No Go“.

Ganz anders sieht das freilich FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker: Sie findet es „zynisch“, an Initiativen zur Vermeidung von ungewollten Schwangerschaften Kritik zu üben. Jede Initiative, die Frauen „diese enorm belastenden Erfahrungen“ erspare, sei „willkommen und auch auf Bundesebene höchst gefragt“.

Ob es der FPÖ tatsächlich nur darum geht, Frauen die Erfahrung eines Schwangerschaftsabbruchs zu ersparen, ist fraglich. Erst letzten Oktober postete die Freiheitliche Jugend Wien auf Instagram: „Bevölkerungsaustausch durch Hedonismus, was Emily abtreibt, gebärt Aischa. Bevölkerungsaustausch findet nicht nur durch Migration, sondern auch durch den Geburtenrückgang der autochthonen Österreicher statt!“. Zusammengefasst: Österreicherinnen sollen viele Kinder bekommen, Frauen mit Migrationshintergrund lieber nicht. 

Im „Handbuch Freiheitlicher Politik“ aus dem Jahr 2013 bestätigt sich der Eindruck: „Wenn wir als Volk überleben wollen, muss die Geburtenrate auf zwei Kinder pro Frau ansteigen. Daher hat die Realisierung, der von uns geforderten Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Familien und insbesondere kinderreicher Familien, die höchste Priorität.“ Inhaltlich war damals Norbert Hofer für das Handbuch für "Führungsfunktionäre und Mandatsträger" verantwortlich. 2019 unterstützte Hofer neben anderen FPÖ-Politikern die Bürgerinitiative “#fairändern“. Kritiker sahen in den Forderungen der Initiative die erste Aufweichung der Fristenlösung. Dadurch könne es Frauen erschwert werden, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Dennoch: Offiziell rüttelt an der Fristenlösung, also an der Möglichkeit, bis zum dritten Schwangerschaftsmonat abtreiben zu können, auch in der FPÖ niemand.

Frauen und Fremde

Noch 2012 ließ die ehemalige Amtstettner FPÖ-Stadträtin Brigitte Kashofer mit der Aussage aufhorchen, Frauenhäuser seien „maßgeblich an der nachhaltigen Zerstörung von Ehen und Partnerschaften beteiligt". Ein Ausspruch dieser Art scheint aber eher ein Einzelfall in der FPÖ zu sein. Gewalt an Frauen ist ein Problem – das wird auch im Parteiprogramm der Bundes-FPÖ unter Familie festgehalten: „Rohe Gewalt, insbesondere gegen Kinder, verdient keine Nachsicht.“ Die FPÖ bekenne sich zu “strengsten strafrechtlichen Bestimmungen bei Straftaten, die sich gegen Kinder und schutzbedürftige Mitglieder unserer Gesellschaft richten”.  Ähnliche Worte im Koalitionsabkommen der ÖVP und FPÖ in Salzburg: „Gewalt gegen Kinder und Frauen ist inakzeptabel“, im ÖVP/FPÖ-Koalitionsabkommen in Niederösterreich, wolle man „den Ausbau von Plätzen und Frauenhäusern und Frauen- und Mädchenberatungsstellen evaluieren“.

Geht es um das Vorhaben, Frauen vor Gewalt zu “beschützen“, gibt die FPÖ öffentlich klare Statements ab.In der politischen Praxis sieht es anders aus: Unter Herbert Kickl stoppte das  Innenministerium im Jahr 2018 die MARACS (Multi-Institutionelle Zusammenarbeit bei Frauen in Hochrisikosituationen), bei dem Frauen in Hochrisikosituationen unterstützt wurden. Einen „ziemlichen Einschnitt in die Gewaltprävention“, nennt Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, Maria Rösslhumer, den damaligen Schritt des Innenministeriums.

Offiziell bekenne man sich in der FPÖ zum Schutz von Frauen, bestätigt Rösslhumer. In erster Linie wolle die FPÖ „unsere“ Frauen vor Ausländern und Flüchtlingen beschützen. Ein Trugschluss, so sagt sie, denn “Gewalt kommt überall vor, das ist kein importiertes Problem, sondern ein globales Problem. Es gibt auch viele autochthone Österreicher, die Gewalt ausüben."

Das sieht Bundesparteiobmann Herbert Kickl anders. „Unsere Gefängnisse sind voll mit Ausländern und gerade unsere Frauen können sich im eigenen Land nicht mehr sicher fühlen“, schreibt Kickl in einem Facebook-Posting im Oktober 2022. Bei Frauenmorden von österreichischen Tätern spart Kickl mit solchen Postings. 

Die Diskussion über die blaue Frauenpolitik dürfte der FPÖ jedenfalls unangenehm sein. Mehrere Interviewanfragen an FPÖ-Politikerinnen, unter anderem an Marlene Svazek, wurden entweder kurzfristig abgesagt oder die Freiheitlichen wollten sich gar nicht zum Thema äußern. 

Die Postings und Programme sprechen ohnehin für sich.

Anna Wintersteller

Anna Wintersteller

war bis September 2023 bei profil.