Frauenquote in Politik: Nur FPÖ und Grüne konsequent
Es begann mit Zigarettenquoten. Am 1. Februar 1946, in der sechsten Parlamentssitzung der Zweiten Republik, fand im Nationalrat die erste Frauendebatte statt. In der kargen Nachkriegszeit waren Zigaretten begehrte Genuss- und Tauschwaren – aber rationiert und nur via Punktekarte beziehbar. Das Finanzministerium schlug vor: 40 Zigaretten pro Monat für Männer zwischen 18 und 65 Jahren, 20 Zigaretten für Frauen zwischen 25 und 55. „Auf dem Papier eine Benachteiligung der Frauen“, befand der ÖVP-Abgeordnete Viktor Müllner zunächst, um dann aber gleich ins Detail zu gehen: „Die Zahl der Frauen ist bedeutend größer als jene der Männer, daher erhalten Männer und Frauen in Summe gleich viele Rauchwaren.“ Für die SPÖ argumentierte Max Elbegger nicht minder spitzfindig und umständlich im Konjunktiv: „Es wäre selbstverständlich gewesen, dass wir gefordert hätten, Frauen hinsichtlich Alter und Menge gleich zu behandeln.“ Aufgrund „der Erkenntnis aber, dass ein Mangel an Rohstoffen besteht“, forderte er es dann doch nicht. Es blieb beim Quotenvorschlag des Finanzministeriums.
SPÖ und ÖVP drucksen herum
Die Raucherkarten sind seit 1949 Geschichte, längst können alle gleichberechtigt qualmen. Die Haltung von SPÖ und ÖVP zu Quoten für politische Ämter aber hat sich seither nicht grundsätzlich geändert: Die SPÖ wäre im Prinzip für gleiche Verteilung zwischen Frauen und Männern, in der Praxis aber nur dann, wenn es leicht geht. Also recht selten. Die ÖVP wiederum kann herrlich paradoxe Begründungen dafür finden, warum Mehrverteilung an Männer alternativlos ist. Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer verteidigte die 100-Prozent-Männerquote in seiner neuen Regierung entwaffnend lapidar: „Einen Aufstand hätte es so oder so gegeben. Entweder von den Bauern oder den Frauen.“ Angesichts von 33.000 Bauernhöfen und 720.064 Frauen keine Frage, welchen Aufstand er mehr scheute – jenen der Bauern selbstredend.
All das zum verdrucksten Umgang, den SPÖ und ÖVP seit Jahrzehnten bei der verflixten Q-Frage pflegen. Im Grunde gehen nur Grüne und die Freiheitliche konsequent und ehrlich mit dem Thema Frauen in der Politik um, wenn auch von diametral entgegengesetzten Positionen aus. Die Burschenschafterriege der FPÖ verströmt das strenge Odeur von Herrenrunden, ist nie um absichtliche oder unabsichtliche Kalauer zum Binnen-I verlegen („Bürger ist ein Begriff, der beide Geschlechtsteile umfasst“, so Heinz-Christian Strache) und lehnt Frauenquoten als unnötigen Firlefanz strikt ab. Das Resultat: 18 Prozent Frauenanteil im Nationalrat. Das muss man nicht goutieren – aber es ist in sich schlüssig. enau wie bei den Grünen: Seit Freda Meissner-Blau 1986 allein unter sieben grünen Männern im Parlament saß, sind die Ökos Quotenfetischisten, haben eigene Frauenplätze auf ihren Kandidatenlisten und gendern wie wild. Das Resultat: 54 Prozent Frauen im Parlament. Das muss man nicht mögen – aber es ist geradlinig.
NEOS mit nur 11,11 % Frauenanteil
Alle anderen Parteien bluffen und gaukeln falsche Tatsachen vor – oder sie stehen, wie die Modernisierungsfans NEOS, verdutzt vor der Tatsache, dass der Markt nicht alles flugs und von allein regelt. Ein kniffeliges Dilemma für eine dezidiert liberale Partei, der Quoten genauso prinzipiell zuwider sind wie Zwangsmitgliedschaften in Kammern, Komplettverstaatlichung der Industrie oder andere öffentliche Bevormundungen. Bisher setzten die NEOS auf unverbindliche Frauenförderung und hofften, dass „bis wir uns bis 2016 einer Balance annähern“, wie Josef Lentsch, Direktor des NEOS-Lab, formulierte. Das Resultat: Ein Frauenanteil von kümmerlichen 11,11 Prozent im Nationalrat, der selbst bei großzügiger Auslegung die Bezeichnung „Balance“ nicht verdient. Aber 2016 ist ja noch zwei Monate weg, genug Zeit, sich vor der unbequemen Q-Debatte wegzuducken.
Und die anderen Parteien sind auch nicht besser. In der ÖVP gilt eine ganze Reihe von Quoten traditionell als unabänderliches Naturgesetz: für die Bundesländer, den Wirtschafts- und den Arbeitnehmerbund und auch im 21. Jahrhundert für die Bauern. Nur eine Frauenquote wurde stets als unzulässige Einschränkung abgelehnt. Seit dem bombastisch als Erneuerungssignal inszenierten Parteitag im vergangenen Mai will die ÖVP „bunter und weiblicher“ dastehen und propagiert ein Reißverschlusssystem. In der Theorie. In der Praxis wurde seither ein Mann Generalsekretär, ein anderer Mann Chef der ÖVP Wien, in Oberösterreich regiert eine reine Männerriege.
Keine Partei muss „weiblicher“ werden, wenn sie das nicht will. Aber simulierte Frauenfreundlichkeit nervt.
Vor allem, wenn sie zum Dauerzustand wird. Seit den 1980er-Jahren hat die SPÖ hochoffiziell eine Quote – und sie seither kein einziges Mal erfüllt. Theoretisch sollten, so steht es im Parteistatut, 40 Prozent Frauen im Nationalrat sitzen – in der Praxis sind es 32,69 Prozent. Man kann sich an ein Leben im Konjunktiv gewöhnen. Das gilt auch für andere Parteitagsbeschlüsse, etwa das Jein zu Rot-Blau. Um den peinlichen ewigen Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu beenden, drängen die SPÖ-Frauen neuerdings auf ein Gesetz, das gleich allen Parteien Quoten oder Geldstrafen vorschreiben soll. Klingt wie feige Problemverlagerung, ist es auch. Nur weil es sich in der SPÖ offensichtlich als unmöglich erweist, die selbstverordnete Quote parteiintern durchzusetzen, will sie anderen vorschreiben, was sie selbst nicht schafft? Der Umgang mit Frauen in politischen Ämtern ist eine Frage, die jede Partei getrost intern regeln sollte – wie den Umgang mit Flüchtlingen, Budgetfragen und so weiter. Jeder Wähler, jede Wählerin kann dann entscheiden, was wichtig und passend erscheint.
In der profil-Umfrage zumindest fällt das Votum eindeutig geschlechtergetrennt aus: 26 Prozent der Männer und 41 Prozent der Frauen ist es „sehr wichtig“, dass Frauen im selben Ausmaß in politischen Spitzenpositionen sind wie Männer. Jetzt kann sich jede Partei aussuchen, wessen Ärger sie scheut.