Gab es ein Geheimtreffen zwischen Kickl und Kurz?
Über eine „Annäherung“ der politischen Erzfeinde Sebastian Kurz und Herbert Kickl spekuliert aktuell die Tageszeitung „oe24“. Der Anlass: In einer Pressekonferenz am Dienstag äußerte sich der FPÖ-Obmann unerwartet soft zur nicht rechtskräftigen Verurteilung des früheren Kanzlers wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss. Aufgrund von Kickls Naturell hätte man eigentlich heftige Attacken gegen Kurz und die ÖVP erwartet.
Zwei Wochen zuvor war es Kurz, der für Erstaunen sorgte. In einem Interview mit „krone.tv“ durchbrach er die scharfe Linie von Karl Nehammer gegen Kickl. Seit Monaten warnt der ÖVP-Bundesparteiobmann eindringlich vor einem „Volkskanzler“ Kickl und schließt eine Regierungszusammenarbeit mit dem FPÖ-Chef kategorisch aus. Anders Kurz: Auf die „krone.tv“-Frage, ob Kickl rechtsextrem sei, antwortete er: „Von mir gibt es weder Zuschreibungen noch eine Kommentierung der österreichischen Innenpolitik.“ Würde Kickl Kanzler, sei dies zu akzeptieren, so Kurz. Denn: „Das ist Demokratie.“
Zur Erinnerung: Nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos im Mai 2019 hatte Kurz als Bundeskanzler Bundespräsident Alexander Van der Bellen vorgeschlagen, den damaligen Innenminister Kickl zu entlassen. Es war der Beginn einer bemerkenswerten Feindschaft. „Kurz muss weg“ wurde zu Kickls Kampfruf nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Im Dezember 2021 war Kurz wirklich weg – als Kanzler und ÖVP-Obmann. Kickl ist immer noch da.
Comeback-Kurz
Doch jüngst soll es zu mehr als einer Annäherung gekommen sein. In FPÖ-Kreisen wird gemunkelt, es habe ein persönliches Treffen von Kickl mit Kurz gegeben. Über das Motiv für den Termin kann nur spekuliert werden. Für Kickl wäre es strategisch durchaus angebracht, sein Verhältnis zur ÖVP wieder zu normalisieren. Schließlich braucht er die Volkspartei als Partner, will er tatsächlich Bundeskanzler werden. Ein Friedensschluss mit dem früheren Parteichef wäre ein erster Schritt. Zudem rechnet die FPÖ damit, dass Karl Nehammer nach einer Niederlage bei der Nationalratswahl im Herbst nicht mehr lange ÖVP-Obmann bleibt, und Kurz möglicherweise ein Comeback feiert.
Von Sebastian Kurz weiß man, dass er gern eine eigene Agenda betreibt und Unruhe sät. Auf Befindlichkeiten anderer, auch der aktuellen ÖVP-Führung, nimmt er keine Rücksicht, wie das „krone.tv“-Interview zeigt. Hinter den zum Jahreswechsel kursierenden Neuwahl-Gerüchten vermuteten so manche in der ÖVP Kurz als Quelle. Durch eine Aussöhnung mit Kickl würde Kurz seinen lautstärksten Kritiker besänftigt haben. Und es wäre eine Investition in zukünftige Kooperationen, sollte Kurz wieder in die Politik zurückkehren.
Und was sagen die Betroffenen zu den herumschwirrenden Ondits? Aus Kickls Büro heißt es auf Anfrage, allfälliges Hörensagen zu einem Treffen mit Kurz beruhe auf Falschinformationen. Und Sebastian Kurz lässt über seinen Sprecher eine Zusammenkunft ebenfalls dementieren.