Gegen Hass im Netz: Ausgenützte Anonymität
An sich sind die Gesetze in Österreich streng. Gefährliche Drohung, Beleidigung, üble Nachrede, Verhetzung, Cybermobbing, Gutheißen von strafbaren Taten – all das ist verboten. Es gibt jedoch einen Haken. Bei den Delikten „üble Nachrede“ und „Beleidigung“ hat man es als Betroffener extrem schwer, zu seinem Recht zu kommen, wenn die herabwürdigende Wortmeldung von einem anonymen Account getätigt wurde. In diesem Fall kann man nicht vor Gericht ansuchen, die Identität des anonymen Posters zu lüften – selbst dann nicht, wenn man die sogenannte „IP-Adresse“ des Users hat, die oft Rückschlüsse auf den Besitzer des Internetaccounts zulässt.
Der Hintergrund: Straftatbestände wie üble Nachrede und Beleidigung sind „Privatanklagedelikte“; bei solchen Taten findet keine Voruntersuchung mithilfe des Untersuchungsrichters statt – zumindest seit einer Gesetzesreform im Jahr 2008. Zuvor konnten Privatankläger beim Richter darum ansuchen, die Identität eines Nutzers auszuforschen. Das Gericht entschied dann, ob der Eingriff in die Privatsphäre gerechtfertigt ist.
„Lücke in der Rechtsdurchsetzung”
Die Reform der Strafprozessordnung änderte dies: Der Staatsanwalt bekam darin mehr Befugnisse, Privatankläger weniger. Als diese Gesetzesnovelle beschlossen wurde, war die Aggression im Web noch kein so breit diskutiertes Thema. „Man könnte durchaus nachdenken, ob Privatankläger wieder diese rechtliche Möglichkeit erhalten sollen“, meint Christian Pilnacek, der zuständige Sektionschef im Justizministerium. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt müssen Opfer solcher Beschimpfungen hoffen, dass sie über Umwege die Identität des Verfassers herausfinden – etwa wenn dieser sich irgendwann versehentlich im Netz verrät. Auch der Wiener Medienanwalt Michael Pilz, der auf Internetthemen spezialisiert ist, empfiehlt Nachbessern: „Zum Beispiel könnte man hier juristisch stärker differenzieren und bedrohliche Beleidigungen im Internet auch in den Aufgabenbereich der Staatsanwaltschaft verschieben, wenn dies die beleidigte Person wünscht. Diese Lücke in der Rechtsdurchsetzung wäre absolut schließbar.“
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