Geheimdienstexperte Beer: "Vorgangsweise war schädlich"
profil: Ist das BVT nach den vielen Suspendierungen handlungsunfähig? Beer: Das BVT ist kein kleines Amt und hat in der Vergangenheit sicher schon genug Routine entwickelt, um das zu bewältigen. So eine Führungskrise ist natürlich nie gut, aber man kann sie überleben.
profil:Wie üblich sind Hausdurchsuchungen bei einem Nachrichtendienst? Beer:So etwas ist nicht Standard. Die Vorgangsweise war schädlich und ich wundere mich, dass das im Ausland nicht höhere Wellen schlägt. Im Normalfall gibt es in einer Demokratie eher eine Anfrage im Parlament, Behandlung in einem Unterausschuss oder einen Untersuchungsausschuss. Andere Länder haben teilweise auch regierungsinterne Kontrolleinrichtungen. In den USA heißt das zum Beispiel Government Accountability Office oder in der CIA Inspector General.
profil:Wie wird sich die Causa auf die Zusammenarbeit mit anderen Nachrichtendiensten auswirken? Beer:Das BVT hat nach der Reform 2002 nicht schlecht gearbeitet, es gab keinen terroristischen Anschlag und auch sonst keine größeren Vorkommnisse. In der Community der Nachrichtendienste hatte es kein schlechtes Standing. Nun muss deutlich werden, dass man die Sache im Griff hat. Vor allem im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft wird man beweisen müssen, dass wir z.B. den Schutz der Staatschefs der Mitgliedsstaaten klaglos gewährleisten können.
profil:Wie beeinflussen die Verbindungen der FPÖ – zum Beispiel nach Russland – die Tätigkeit des BVT? Beer:Solche Kontakte sind natürlich, auch wenn sie als Signal nach innen gedacht sind, auch ein Signal nach außen. Das Vertrauen wird sicher nicht zugenommen haben. Das zeigt sich auch in der Besorgnis, die Angela Merkel geäußert hat. Das ist auf jeden Fall ein Problem.
Eine Sicherheitskrise sehe ich momentan nicht.
profil:Leidet die Sicherheit in Österreich momentan unter der Causa? Beer:Eine Sicherheitskrise sehe ich momentan nicht. Klar wird jetzt aber, dass eine Reform des BVT unausweichlich ist. Bundeskanzler Kurz wird sich da einbringen müssen.
profil:Wie könnte eine Reform des BVT aussehen? Beer:Man muss Sicherheit verstärkt als kontinuierliche Aufgabe sehen. Wir bekommen alle 10 Jahre eine neue Sicherheitsstrategie. Das dauert definitiv zu lang. Es bräuchte außerdem eine koordinierende und kontrollierende Stelle über den beiden Ministerien, die momentan verantwortlich sind. Die momentane Teilung in militärische und polizeiliche Nachrichtendienste alleine ist nicht mehr zeitgemäß. Hier gibt es zu wenig Koordination. Auch dass bei der Rekrutierung persönliche Netzwerke eine große Rolle spielen, führt dazu, dass oft gegeneinander gearbeitet wird. Die Dienste teilen sich außerdem zu wenig der Öffentlichkeit mit, was an übertriebener Geheimhaltung liegt. Sie müssen transparenter werden. Andere Staaten schaffen das besser. Aber die Mentalität in einer Bürokratie ist immer schwer veränderbar.
profil:Wäre ein EU-weiter Nachrichtendienst vorteilhaft? Beer:Auf jeden Fall. So würde sich die Kooperation zwischen allen verstärken. So etwas wurde auch von kleineren Staaten immer wieder angeregt, aber die großen, Deutschland, Frankreich und Großbritannien, wollen ihr Wissen nicht vollends teilen und denken, sie können das alleine regeln. Ich sähe nur Vorteile eines solchen gemeinsamen Dienstes.
Siegfried Beer, 69, ist Historiker und Geheimdienstspezialist. Er leitet das Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies an der Karl-Franzens-Universität in Graz.