Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Christian, Niko, Werner

Christian, Niko, Werner

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Eigentlich lächerlich, worüber das deutsche Staatsoberhaupt zu stolpern droht. Man braucht sich nur das Backsteinhaus anzusehen, für dessen Kauf sich Christian Wulff, als er noch Ministerpräsident war, auf nicht ganz saubere Weise einen günstigen Kredit bei einem befreundeten Geschäftsmann besorgte. Das deutsche Feuilleton macht sich lustig über die ambitionierte Biederkeit, die kleinkarierte Beschaulichkeit der Immobilie. „Einer flog übers Eigenheim“ ist einer der witzigeren der unzähligen Spotteinträge im Internet. Und wenn man die normalen Konditionen bei einem Hypothekarkredit ansieht, dann hat sich der Mann, der jetzt im Berliner Schloss Bellevue residiert, bloß ein paar Tausender erspart. Lächerlich. Und doch spricht die deutsche Öffentlichkeit von einer Staatskrise und darüber, dass das höchste Amt nachhaltig beschädigt sei.

Wäre Wulff, als seine fragwürdige Hausfinanzierung her­auskam, vor die Öffentlichkeit getreten, hätte er eingestanden, dass sein Vorgehen damals nicht ganz in Ordnung war, sich dafür entschuldigt und versprochen, dass Ähnliches nicht mehr vorkommen würde – über die ganze Sache wäre wohl bald Gras gewachsen. Mit ähnlichen Worten hatte Wulffs Vorvorgänger Johannes Rau im Jahr 2000 seine Flugaffäre hinter sich gebracht. Er wurde in einem zweiten Anlauf doch noch zu einem allseits geachteten Bundespräsidenten.

Das freilich wird Wulff nicht mehr schaffen. Denn als wirklichen Skandal empfindet die deutsche Öffentlichkeit nicht so sehr die Sache selbst, sondern wie er mit ihr umging. Übel nimmt man ihm, dass er versucht hat, mittels Intervention bei den Chefs der „Bild“-Zeitung die Veröffentlichung zu verhindern. Damit hätte der Präsident eines der höchsten Güter der Republik mit Füßen getreten: die Pressefreiheit.

Auch da scheint auf den ersten Blick die Erregung übertrieben: Der Versuch eines Politikers, direkt Medien zu beeinflussen – zuweilen auch in schroffer Art –, ist ja kein Sonderfall, sondern jahrzehntelange Usance, die nur selten skandalisiert wurde. Helmut Kohl und Gerhard Schröder etwa haben sich so einiges gegenüber Zeitungen und Fernsehen herausgenommen, ohne dass sie daran Schaden genommen hätten. Und angesichts des Deals, den Wulff mit „Bild“ eingegangen war – er bekam eine gute Presse, und im Gegenzug versorgte er die Boulevardzeitung mit glamourösen Storys aus seinem Leben –, hat er offenbar angenommen, er könne die Angelegenheit noch einmal hinbiegen. In früheren Zeiten wäre ihm das vielleicht sogar gelungen.

Aber es scheint sich da im Kräfteparallelogramm Politik–Medien–Publikum etwas Grundlegendes geändert zu haben. Offenbar lässt die Bevölkerung der Politik, die immer mehr an Glaubwürdigkeit verliert, nichts mehr so leicht durchgehen. Da ist die Sensibilität gewachsen. Vor allem, wenn die Menschen das Gefühl haben, für dumm verkauft zu werden. Die enge Verbandelung von Politikern mit dem Boulevard, die geradezu zur Kumpanei gerät, funktioniert auch nicht mehr so wie früher.

„Bild“ und die übrige Springer-Presse mussten im vergangenen Jahr bereits ihren deklarierten Liebling, den Verteidigungsminister und adeligen Hoffnungsträger der deutschen Konservativen, Karl-Theodor zu Guttenberg, fallen lassen, als sich nicht mehr verheimlichen ließ, wie schamlos sich dieser seinen akademischen Grad durch schlichtes Abschreiben erschwindelt hatte. Und nun muss der Boulevard, der Christian Wulff, einen überaus durchschnittlichen Provinzpolitiker, zum großen Deutschen hochgeschrieben hat, diesen selbst abschießen.

Offenbar hat die Gesellschaft ein neues Selbstbewusstsein gegenüber Politik und Medien und ein echtes Sensorium für Presse- und Meinungsfreiheit erlangt. Ob das wohl an dem Aufkommen von Facebook und Twitter liegt, jenen massenwirksamen Kommunikationsmitteln, in denen der Citoyen selbst zum Akteur der Öffentlichkeit wird?

Die Entwicklung ist aber nicht auf Deutschland beschränkt. Der Fall Niko Pelinka illustriert das. Jahrzehntelang war es selbstverständlich, dass wichtige und gut bezahlte Verwaltungsposten am Küniglberg von Parteileuten besetzt werden. Da wurde zwar gemotzt. Aber zum Skandal gerieten derartige Bestellungen kaum. Jetzt wird quasi in einem Pendelschlag wüst überzogen. Nicht nur befördert Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek den „kleinen Niko“ zum „Totengräber der Sozialdemokratie“.

Auch sonst gehen die Emotionen unüblich hoch: Die Unabhängigkeit des ORF sei endgültig bedroht, wird allgemein geklagt – und das in einer Situation, in der dieser wahrscheinlich noch nie politisch so wenig gegängelt wurde wie jetzt. So seltsam die Übertreibungen in der Niko-Affäre erscheinen mögen, sind sie aber offenbar ein Teil jenes Emanzipationsprozesses, den auch die deutsche Gesellschaft erlebt.

Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann möge endlich erkennen, dass er immer dann in die Bredouille kommt, wenn es um seine Beziehung zu den Medien geht: Da waren der liebedienerische EU-Brief an Hans Dichand, die hoch dotierten Inserate in der Massenpresse, dann sein lächerlicher Auftritt in Facebook. Und nun sein peinliches Pelinka-Problem. Und ein Blick nach Deutschland würde ihm zeigen, wie es einem ergehen kann, der sich allzu sehr auf den Boulevard verlässt.

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