Gerhard Dörfler: "Einzementiert ist hier nichts"
profil: In Ihrem Kärntner Heimatbezirk Feldkirchen, einem historisch blauen Bezirk, ist die SPÖ bei der Landtagswahl mit 41,89 % klar stärkste Partei geworden. Verliert die FPÖ ihre Stammwähler? Gerhard Dörfler: Nein, man muss sich nur das Ergebnis der letzten Nationalratswahl ansehen. Auch bei der Bundespräsidentenwahl lag in Kärnten stets Norbert Hofer vorne. Der Wähler ist einfach beweglicher geworden. Alle Parteien haben einen immer kleiner werdenden Grundwählerstock. Als Demokrat halte ich das aber für positiv. Kärnten ist somit ein sehr vitales Bundesland. Einzementiert ist hier nichts.
profil: Wird die FPÖ durch die Regierungsbeteiligung auf Bundesebene geschwächt? Dörfler: Das ist immer so. Es ist sicher einfacher einer Regierung zu kritisieren, als selbst zu regieren. Als ich in die Politik geraten bin, war die FPÖ auch in der Bundesregierung. Da kommt man schnell mit seinen eigenen Wählern in Konflikt.
profil: Wie erklären Sie sich den Erdrutschsieg der SPÖ in Kärnten? Dörfler: Das ist nicht schwer zu erklären. Peter Kaiser hat seine Machtstrukturen in den letzten fünf Jahren klug und knallhart ausgebaut, sowie die Beamtenschaft dunkelrot umbesetzt. In Kärnten wird er nicht umsonst Malermeister genannt. Mit Hilfe der Grünen und der ÖVP hat er alle möglichen Bereiche umgefärbt. Die SPÖ regiert aktuell in den großen Städten Klagenfurt und Villach. Zudem hat Kaiser wichtige Posten , wie bei der KABEG durch seinen ehemaligen Büroleiter besetzt. Bei Infineon agiert ein SPÖ-Betriebsrat, auch der Kärntner AK-Boss kommt aus dieser Kaderschmiede.
profil: Mit dem Flüchtlingsthema konnte die FPÖ diesmal nicht punkten? Dörfler: Das Thema ist noch immer groß. Letztes Jahr gab es aber keine große Flüchtlingswelle, viele Migranten sind in andere Bundesländer weitergezogen. In Klagenfurt hat sich das Straßenbild aber durchaus verändert.
Das politische Klima in Kärnten hat Sieger und Opfer gebracht. Man muss sich nur die Grünen ansehen.
profil: Sie waren von 2008 bis 2013 Landeshauptmann von Kärnten. Wie hat sich das Land seitdem verändert? Dörfler: Wir leben in einer sehr schnellen Epoche, es verändert sich vieles, auch in Kärnten. Die Freiheitlichen hatten mit der starken Bürgermeisterpartei SPÖ immer eine ständige, laute Opposition im Land. Diese Opposition gab es in den letzten fünf Jahren nicht. Die ÖVP sitzt in der Regierung, die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung agieren zudem sehr freundlich. Das politische Klima in Kärnten hat Sieger und Opfer gebracht. Man muss sich nur die Grünen ansehen.
profil: Den Wählern und dem Land scheint der ruhige Politstil des Landeshauptmanns aber durchaus zu gefallen. Dörfler: Eine ständige Aufgeregtheit ist in der Politik natürlich zu hinterfragen. Auch ein Herr Pröll hat ziemlich gepoltert. Seine Nachfolgerin pflegt heute einen anderen Stil, haut nicht so auf den Tisch und hat dennoch ein besseres Ergebnis für die ÖVP erzielt. Eine politisch ruhigere Phase kann auch durchaus positiv sein. Im Grunde halte ich es aber so: Politik heißt Bewegung, Politik heißt Vordenken, Politik heißt auch, von verschiedenen Positionen auf eine Lösung hinzuarbeiten.
profil: Dennoch würden laut einer aktuellen Umfrage immer noch 36 Prozent der Wähler Jörg Haider eine Stimme geben. Ist das Land so gespalten? Dörfler: Nein, das Land ist nicht gespalten. Jörg Haider hat markante Spuren hinterlassen. Viele Menschen können eben einschätzen, dass manches im Land auch nachhaltig positiv war, wie z.B. der Lakeside Park, der Koralmtunnel oder das Bildungsprojekt Lehre mit Matura. Denken Sie nur an die Veranstaltungen im Wörtherseestadion, mit dem der Landeshauptmann aktuell wirbt. Wanda und Andrea Berg werden da heuer auftreten, Robbie Williams und Elton John waren letztes Jahr da. Solange wir Politik gemacht haben, war das Stadion schlecht. Peter Kaiser erntet jetzt den Applaus.
profil: Haben die Kärntner Haider das Hypo-Debakel verziehen? Dörfler: Viele Kärntner sagen heute, dass die Hypo Alpe-Adria unter Jörg Haider nie so geendet hätte. Auch die überstürzte „Notverstaatlichung ohne Not“ hätte der damalige Finanzminister Josef Pröll mit Haider nicht so durchziehen können. Ich wurde damals ohne jegliche Vorinformation von Pröll zu den Verhandlungen nach Wien zitiert wo man Kärnten mit der „Konkurskeule“ de facto erpresst hat. Die Wahl hat das Thema diesmal nicht sonderlich beeinflusst.
profil: Seit März 2017 sind Sie nicht mehr Mitglied des Bundesrates. Planen Sie Ihr politisches Comeback? Dörfler: Nein, heute bin ich ein politisch massiv interessierter, neutraler Beobachter. Ich genieße meine neue Freiheit und bin viel unterwegs. In Srebrenica, dieser zerrütteten Stadt, verstehe ich mich aktuell als Brückenbauer zwischen den beiden Volksgruppen, da hilft mir mein Knowhow aus der Ortstafelfrage. In Russland werde ich zudem als Wahlbeobachter tätig sein. Was mich außerdem freut: ich muss Bücher heute nicht mehr schnell lesen, ich kann sie studieren.
Gerhard Dörfler, 62
Der gelernte Bankkaufmann und ehemalige Depotleiter einer Brauerei wurde 2001 von Jörg Haider in die Politik (FPÖ, BZÖ, FPK) geholt. 2008 übernahm er nach Haiders Unfalltod die Nachfolge als Landeshauptmann. Bis 2017 war er österreichischer Bundesrat.