Gericht gibt Rothschild-Nachkommen Recht
Schön langsam wird es für die Stadt Wien peinlich. Geoffrey Hoguet, New Yorker Nachfahre der Wiener Rothschilds, konnte in einer seit Monaten laufenden gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Gemeinde einen Etappensieg verbuchen. Anlass des Rechtsstreits ist der Umgang der Stadt Wien mit der 1907 eingerichteten Stiftung für Nervenkranke von Nathaniel Freiherr von Rothschild, dem Urgroßonkel von Geoffrey Hoguet. Die Stiftung errichtete das 1912 eröffnete Krankenhaus Rosenhügel in Hietzing, das bis heute als Neurologisches Zentrum Rosenhügel besteht. Im Eigentum der Nathaniel Freiherr von Rothschild’schen Stiftung für Nervenkranke stehen die ursprünglichen Pavillons des Krankenhauses und diverse Verwaltungsgebäude im geschätzten Wert von 70 Millionen Euro.
Von den Nazis war die Stiftung aufgelöst worden. Bei ihrer Wiederherstellung 1956 wurde nicht wie vor 1938 ein unabhängiges Kuratorium als Verwaltungsorgan eingesetzt, sondern der Magistrat der Stadt Wien. Diese Regelung besteht bis heute. Laut Hoguets Wiener Rechtsanwalt Wulf Gordian Hauser habe die Stadt Wien sich dadurch „das Stiftungsvermögen unter Verletzung des Stifterwillens treuwidrig zugeeignet“. Im Jahr 2017 genehmigte der Magistrat Wien noch dazu eine Statutenänderung, wodurch das Vermögen der Stiftung im Falle einer Auflösung zur Gänze der Stadt Wien zufallen würde.
Hoguet und sein Anwalt fordern die Abberufung des Magistrats als Stiftungsverwalter. In einem ersten Schritt beantragte Hauser, statt des Magistrats einen so genannten Kollisionskurator einzusetzen, der die Interessen der Stiftung vertritt. Der Antrag war erfolgreich. Per Beschluss vom 6. November bestellte das zuständige Bezirksgericht Hietzing den Linzer Rechtsanwalt Dietmar Lux zum Kollisionskurator. Die Begründung der Richterin folgt der Argumentation von Hoguet-Anwalt Hauser: Es sei unvereinbar, dass der Magistrat sowohl Verwalter als auch eventuell Begünstigter der Stiftung sei. Überdies bestehe eine klare Interessenkollision, wenn der Magistrat die Stiftung in Verfahren gegen den Magistrat vertreten müsse.
Geoffrey R. Hoguet hofft nun, dass Bewegung in die Sache kommt. Als nächstes werde die umstrittene Statutenänderung aus dem Jahr 2017 juristisch angefochten. Und am Ende solle wieder ein unabhängiges Kuratorium die Geschicke der Stiftung leiten. Hoguet: „Meine Vorfahren wollten diese Unabhängigkeit. Die Stadt Wien hat weder moralisch noch juristisch das Recht, nach eigenem Gutdünken über das Stiftungsvermögen zu verfügen.“ Er selbst habe keine persönlichen finanziellen Interessen. Das Vermögen der Stiftung solle im Sinne von Nathaniel Rothschild in die Behandlung und Betreuung psychiatrisch erkrankter Menschen in Österreich fließen.
Der zuständige Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) zeigte bisher keinen übermäßigen Einsatz, die Auseinandersetzung gütlich zu lösen. Der Wiener Landtag beschloss die Einrichtung einer unabhängigen Expertenkommission zur Aufarbeitung der Geschichte der Stiftung. Einsicht in die Akten, die im Wiener Magistrat zur Rothschild-Stiftung vorliegen, wird Hoguets Anwalt allerdings nach wie vor verwehrt.