Gernot Bauer: Handelskrieger
Die Blauen sind gegen das Kanada-EU-Freihandelsabkommen CETA, weil sie Rechtspopulisten sind; die Grünen, weil sie Linkspopulisten sind; Kirchenvertreter, weil sie Profit für eine Sünde halten; NGOs wie Attac, weil Widerstand gegen die Globalisierung ihr Geschäftsmodell ist. So albern der Protest gegen ein Bündnis mit einem Vorzeige-Staat wie Kanada ist – er wirkt zumindest authentisch.
Bizarr wird es allerdings, wenn ein Handelskonzern gegen den freien Handel mobilisiert. Vergangene Woche unterzeichnete der Vorstandsvorsitzende und Miteigentümer des Handelsriesen Spar, Gerhard Drexel, das Volksbegehren gegen TTIP und CETA und forderte seine Mitarbeiter auf, es ihm gleichzutun. Auch die Spar-Kundschaft wurde in Inseraten und sogar auf den Kassenbons um Unterstützung gebeten.
Drexlers wackerster Mitstreiter ist die „Kronen Zeitung“, die seit Jahren gegen Freihandel agitiert. In einem Artikel vergangene Woche durfte Spar-„Natur pur“-Werbeträgerin Mirjam Weichselbraun „als attraktives Gesicht der Bewegung“ („Krone“) vor CETA warnen.
„Krone“-Boss Christoph Dichand und Gerhard Drexel halten Freihandelsabkommen zum einen vielleicht wirklich für Teufelszeug. Zum anderen verspricht die gemeinsame Kampagne monetarisierbare Imagegewinne. Die „Krone“ positioniert sich seit jeher als Austria-first-Zeitung und Spar als Austria-first-Handelskette. Auch sonst funktioniert das Geschäft auf Gegenseitigkeit. Spar schaltet in der „Krone“ Inserate, die „Krone“ berichtet über Spar und Drexel in Wort und Bild. So gesehen ist das Anti-CETA-Engagement für Spar auch eine gelungene Werbekampagne.
Der mündige 'Krone'-Leser und Spar-Kunde darf sich freilich gepflanzt fühlen.
Der mündige „Krone“-Leser und Spar-Kunde darf sich freilich gepflanzt fühlen. So wird auf der Spar-Website die CETA-Ablehnung damit begründet, dass das Abkommen „eine Gefahr für heimische Bauern“ sei. Im März 2016 empörte sich allerdings der ÖVP-Bauernbund, weil Spar unter seiner Diskont-Marke „S-Budget“ Butter aus Bayern anbot. Spar falle als österreichisches Unternehmen den Landwirten „in den Rücken“. Überdies hätte der Konzern von den Molkereien unrealistisch niedrige Preise verlangt. Spar rechtfertigt sich auf Nachfrage gegenüber profil, die österreichischen Molkereien hätten keine „streichweiche Butter“ liefern können. Daher sei man nach Bayern ausgewichen. Die Preisgestaltung sei eine normale Verhandlungssache zwischen Anbieter und Abnehmer. Was also ist gefährlicher für heimische Bauern? Ein Handelsabkommen, das es ihnen leichter macht, ihre Produkte nach Kanada zu exportieren? Oder ein Handelsriese, der Butter für eine Eigenmarke aus Deutschland bezieht und laut Bauernschaft beim Preis drückt?
Weiters argumentiert Spar auf seiner Website, Freihandelsabkommen wie CETA würden die „hohen europäischen Standards im Konsumentenschutz“ gefährden. Diese Standards werden aber gerade im österreichischen Lebensmittelhandel nicht immer eingehalten – vor allem, wenn es um die Brieftaschen der Konsumenten geht. Die Arbeiterkammer kritisiert regelmäßig, dass die Preise hierzulande deutlich über dem deutschen Niveau liegen. Auch die Bundeswettbewerbsbehörde nahm die Branche ins Visier. 2015 verkündete der Oberste Gerichtshof gegen Spar eine Rekordstrafe von 30 Millionen Euro wegen Preisabsprachen mit Lieferanten von Molkereiprodukten. Im Juni 2016 verhängte das Kartellgericht über Spar eine weitere Geldbuße in Höhe von 10,2 Millionen Euro wegen „Preisabstimmungsmaßnahmen“ unter anderem bei Bier, Feinkost und Mehl.
Was also ist gefährlicher für Konsumenten? Ein Handelsabkommen, das neue Produkte, mehr Wettbewerb und damit günstigere Preise bringt? Oder ein Handelsriese, der mit seinen Lieferanten wettbewerbswidrig Preise abstimmt?
Und schließlich argumentiert Spar auf seiner Website, Freihandelsabkommen würden die „hohen europäischen Standards am Arbeitsmarkt“ gefährden. Allerdings sprach das Landesverwaltungsgericht Salzburg in einem Erkenntnis im Dezember gegen Spar-Chef Drexel eine Verwaltungsstrafe in Höhe von 52.730 Euro aus. Das Arbeitsinspektorat hatte zuvor das Arbeitszeiterfassungssystem in 14 überprüften Filialen der Handelskette beanstandet. Spar legte Beschwerde ein, das Erkenntnis ist nicht rechtskräftig.
Gleichermaßen kritisieren „Krone“ und Spar die bei CETA geplanten Schiedsgerichte zur Streitbeilegung als Anschlag auf die Demokratie. Aber interessant: Die jahrelangen Auseinandersetzungen der Familie Dichand mit ihren deutschen „Krone“-Miteigentümern wurden nicht vor einem österreichischen Gericht ausgetragen, sondern vor allem vor einem Schiedsgericht in Zürich.
Die „Krone“ ist eine mächtige Zeitung mit Millionen Lesern. Spar ist ein mächtiger Handelskonzern mit Millionen Kunden. Für ihre aggressive Negativkampagne gegen den Freihandel gäbe es ein glaubwürdigeres Testimonial als Mirjam Weichselbraun: Donald Trump.