Gernot Blümel über die EU: „Weniger, aber effizienter“

Gernot Blümel über die EU: „Weniger, aber effizienter“

EU-Minister Gernot Blümel fordert eine Obergrenze für das EU-Budget, will möglichst viel nationale Souveränität erhalten und kann sich unter Umständen auch EU-Militäreinsätze ohne Zustimmung aller Mitgliedsstaaten vorstellen.

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profil: Emmanuel Macron forderte in seiner mittlerweile berühmten Rede an der Sorbonne ein „handlungsfähiges Europa in einer unsicheren Welt“ und präsentierte Vorschläge zu einer EU-Reform. Vergangene Woche antwortete ihm Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel in einem Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Beide sprechen sich etwa für eine neue europäische Eingreiftruppe aus. Blümel: Österreich hat sich im November 2017 noch unter der Vorgängerregierung zur Teilnahme an der sogenannten Ständig Strukturierten Zusammenarbeit bekannt. Die EU-Verteidigungspolitik soll damit vertieft werden. Österreich hat sich auch bisher an den Battlegroups und an EU-Militärmissionen etwa in Bosnien-Herzegowina und Mali beteiligt. All das ist mit unserer Neutralität vereinbar. Eine weitere Vertiefung der Verteidigungspolitik ist sicher zu begrüßen. Sie sollte aber innerhalb der EU-Struktur stattfinden und nicht außerhalb. profil: Merkel schlägt eine Art Europäischen Sicherheitsrat vor. Blümel: Da muss man konkrete Vorschläge abwarten, wie ein solcher ausgestaltet würde. Man könnte bei den Mandaten für militärische Einsätze etwas ändern. Denkbar wäre, dass es keine Einstimmigkeit mehr braucht. Man müsste dann aber auch eine Opt-out-Möglichkeit für Länder gewährleisten, die sich nicht an einem Einsatz beteiligen wollen.

profil: Angela Merkel hat sich auch vorsichtig positiv zu Macrons Idee eines gemeinsamen Investitionshaushalts für die Eurozone geäußert. Blümel: Investitionen sind immer großartig. Die Frage ist nur: Wer zahlt sie? Macron schwebt ein weit höherer Betrag vor als Merkel. Man sollte außerdem nicht den Fehler machen, einzelne Fragen isoliert zu betrachten. Und eine Frage, die hier dazugehört, ist der EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat erst vergangene Woche in Brüssel wiederholt, dass wir beim zukünftigen EU-Haushalt an der Obergrenze von einem Prozent des Bruttonationaleinkommens festhalten. Bisher war es auch ein Prozent. Dank des Wirtschaftswachstums bedeutet das effektiv sogar mehr Geld für die EU, selbst wenn man den Wegfall Großbritanniens berücksichtigt. Wenn man dann noch bei der Verwaltung spart, hat man Spielraum. profil: Macron und Merkel können sich eine verkleinerte Kommission vorstellen, in der auch große Länder keinen Kommissar mehr stellen. Blümel: Bundeskanzler Kurz hat diesen Vorschlag bereits zuvor präsentiert. Wenn man dann auch noch den zweiten Sitz des EU-Parlaments in Straßburg einspart, wären erste wichtige Maßnahmen gesetzt.

Wir als ÖVP waren immer dafür, dass die EU ein Staatenbund und kein Bundesstaat sein soll.

profil: Die große Strategie hinter den Vorschlägen von Macron und Merkel besteht darin, auf die steigende Skepsis gegenüber Europa mit mehr Europa zu reagieren. Wie lautet die österreichische Strategie? Blümel: Europa kann man nur stärken, wenn man auf die Skepsis der Menschen eine Antwort hat. Ein Auslöser des Brexit war die Angst vor Wohlstandsverlust. Diese Befürchtungen mögen übertrieben sein, aber man muss sie ernst nehmen. Wir als ÖVP waren immer dafür, dass die EU ein Staatenbund und kein Bundesstaat sein soll. Die nationale Souveränität der Mitgliedsstaaten muss erhalten bleiben. Die großen Themen sollten dagegen auf gemeinschaftlicher Ebene geklärt werden, etwa Asyl und Migration. profil: Bei einem EU-Innenministerrat vergangenen Dienstag in Luxemburg konnten sich die Minister nicht auf eine verpflichtende Flüchtlingsverteilung einigen. Blümel: Das wundert mich nicht. Man kann nicht über die Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten sprechen, ohne den Schutz der Außengrenzen zu thematisieren.

profil: Wo sehen Sie Österreich generell in der EU? Auf der Seite Macrons? Bei Merkel? Oder doch bei den östlichen Staaten? Blümel: Es kommt immer auf das Thema an. In der Frage des EU-Budgets sind wir in einer Gruppe mit anderen Nettozahlern wie Dänemark, Schweden und den Niederlanden. Bei der Migration gibt es andere Allianzen. Was die Zukunft der EU betrifft, bevorzugen wir das Szenario 4 im Weißbuch von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Das heißt in aller Kürze: weniger, aber effizienter. profil: Wie europäisch ist denn Ihr Koalitionspartner FPÖ? Blümel: Um das herauszufinden, muss man nur ins Regierungsprogramm schauen. profil: Ein Programm ist das eine, die gelebte Praxis eine andere. Blümel: Wir haben diese Koalition lang verhandelt und zu jedem Zeitpunkt klargemacht, dass die Regierung eindeutig proeuropäisch ausgerichtet sein muss. Da gab es nie einen Zweifel.

Wer keine Grenzen innerhalb Europas will, muss die Außengrenzen umso stärker schützen.

profil: Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat vergangene Woche über eine Beschränkung der Personenfreizügigkeit räsoniert. Blümel: Er hat keine Forderung aufgestellt, sondern im Rahmen einer Diskussion eine Frage aufgeworfen, die zuvor schon von der Arbeiterkammer thematisiert wurde. Wir erweisen der Idee Europa keinen Gefallen, wenn wir uns selbst ein Kritikverbot auferlegen. Die Niederlassungsfreiheit ist nicht die Freiheit, sich das beste Sozialsystem auszusuchen. Lässt man dies zu, beschädigt man die Idee der Personenfreizügigkeit. Ähnlich ist es beim Thema Schengen und Migration. Wer keine Grenzen innerhalb Europas will, muss die Außengrenzen umso stärker schützen. profil: Der SPÖ-Vorsitzende Christian Kern kritisierte die Kosten und die bombastische Inszenierung des Schulausflugs der gesamten Regierung vergangene Woche nach Brüssel. Blümel: Dass die Opposition nicht immer gut findet, was die Regierung tut, liegt in der Natur der Sache. Dass Christian Kern derart plump argumentiert, ist für einen ehemaligen Bundeskanzler eher peinlich.

Interview: Gernot Bauer

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.