Club 3 mit Johannes Rauch
Club3

Gesundheitsminister Johannes Rauch: „Fassungslos“ – „Abenteuerlich“

Johannes Rauch zu Gast bei profil-TV. Ein Gesundheitsminister voller Emotion – und mit weniger Eitelkeit als erwartet.

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Sein Portefeuille ist breit, und ebenso sind es die Zuschreibungen an den Charakter dieses Politikers: Soziales, Gesundheit, Pflege, Konsumentenschutz, Tierschutz – erfahren, extrovertiert, eigensinnig, eitel. Johannes Rauch war Gast im Club 3, dem gemeinsamen TV-Talk von profil, „Kurier“ und „Kronen Zeitung“. Wurde die Erwartungshaltung (oder auch das Vorurteil) der Interviewer erfüllt? Teils, teils: Der Minister, seit exakt vier Monaten im Amt, plagt das Publikum nicht mit Langatmigkeit, nur gelegentlich vermeidet er Konkretes durch weitschweifige Antworten. Er ist glaubwürdig nachdenklich, überraschend emotional. Die ihm zugeschriebene Eitelkeit äußert sich an diesem Tag vor allem im Hinweis auf langjährige Erfahrung und im Bemühen, persönliches Engagement zu vermitteln.

Den Höhepunkt findet das einstündige Gespräch gegen Ende und konkretisiert sich in dem Wort „fassungslos“. So beschreibt Rauch seine Reaktion auf die Kritik Harald Mahrers an den westlichen Sanktionen gegen Russland. Der Wirtschaftskammerpräsident hatte in einem Interview erklärt, diese seien „nicht fertig gedacht“, man habe „auf die Ukraine schielend“ nicht an unseren „Wohlstand und sozialen Frieden gedacht“. Rauch an den hochrangigen Funktionär seines Koalitionspartners: „Das ist unverantwortlich … gegen die europäische Solidarität … man will Putin wieder den roten Teppich ausrollen.“

Herausragendes Adjektiv Nummer zwei: „abenteuerlich“. Damit bekräftigt Rauch seine bekannte Schelte der Landeshauptleute, des Föderalismus und damit der Zuständigkeiten in Österreich: „Das generiert Ineffizienzen ohne Ende.“ Es brauche eine „Generation von Politikern“, die ohne Rücksicht „auf Wahlen, die verloren gehen, das Ding neu aufstellen“.

Näher am eigenen Zuständigkeitsbereich nimmt sich der Club-3-Gast auch kein Blatt vor den Mund. War die (fehlende, wie profil aufgedeckt hatte) Patientenmilliarde tatsächlich ein „Marketinggag“, wie der Obmann der Gesundheitskasse Andreas Huss konstatiert? Rauch: „Ich habe mich auf die Suche nach dieser Milliarde gemacht und sie in keiner Schublade gefunden.“ Er rechne auch nicht damit, dass es diese Einsparungen mit Verzögerungen geben werde, wie zuletzt behauptet wurde. Vielmehr werde man zusätzliches Geld brauchen. Der Zahl „zwei Milliarden“ im Pflegewesen – also einer Verdoppelung der eben beschlossenen Pflegemilliarde – widerspricht der Pflegeminister nicht: „Die Schätzung würde ich teilen.“ Woher sollen die Pflegekräfte kommen, derzeit wird die Lücke mit rund 80.000 Personen vermessen? „Wir werden Zuwanderung brauchen statt der Abschottungspolitik, die Österreich seit 20 Jahren betrieben hat, wo alles von außen per se als fremd und gefährlich deklariert worden ist.“ Auch aus Afrika und Asien? „Ich habe da ein moralisches Dilemma, weil das einen kolonialen Anstrich hat. Aber es wird nicht ohne gehen. Nicht nur in der Pflege.“ Impfpflicht? Hier bewegt sich Rauch um keinen Millimeter von seinem Standpunkt, dass diese nicht zu Impfungen, sondern „zur Spaltung der Gesellschaft“ beigetragen hätte. Weitere Lockdowns? Schließt er mit Hinweis auf viele Ungewissheiten nicht aus.

Woher nimmt er die Kraft für die Bundespolitik – nach einer Krebserkrankung (die er selbst anspricht) und einem Burnout? „Ich will nicht von meinen Enkeln die Frage gestellt bekommen: Warum hast du damals nicht gehandelt?“

Christian   Rainer

Christian Rainer

war von 1998 bis Februar 2023 Chefredakteur und Herausgeber des profil.