Getötete Sexarbeiterinnen: „Verhexter” Täter wird eingewiesen
Sie zählen zu den brutalsten Frauenmorden seit langem: zwei chinesische Sexarbeiterinnen und die Betreiberin des Bordells „Studio 126A” wurden am 23. Februar von Ebdullah A. in der Wiener Brigittenau erstochen. Am Wiener Straflandesgericht begann heute der Prozess, der auf mehreren Ebenen für Aufsehen sorgte: Wegen der Brutalität der Tat, der Herkunft des Täters und der Lebensumstände der Opfer. Im März recherchierte profil die Lebensgeschichte von Hongxi Z., der Betreiberin des Sexstudios. Über die Hintergründe des migrantischen Sexarbeiterinnen-Milieus und Frau Z.s „Stück Himmel auf Erden“ lesen Sie hier.
16, 30 und 60: So viele Stiche zählten die Gerichtsmediziner an den Körpern der Opfer. „Das ist schwerste körperliche Gewalt“, betont der medizinische Sachverständige Peter Hoffmann im großen Schwurgerichtssaal. Selbst für den erfahrenen Psychiater zeugen die Anzahl und die gezielten Verletzungen, insbesondere im Gesicht, von der außergewöhnlichen Brutalität der Tat. A. ist vor Gericht geständig, kann sich jedoch nicht an die Morde erinnern. Gutachter halten ihn aufgrund einer schwerwiegenden psychischen Störung nach wie vor für hochgradig gefährlich. Die Staatsanwaltschaft beantragte, A. aufgrund mangelnder Schuldfähigkeit in eine forensisch-therapeutische Anstalt einzuweisen. Der 27-jährige Afghane war in der Tatnacht nicht zurechnungsfähig.
Vom Hoffnungsträger zum Dreifachmörder
A. stammt aus einer wohlhabenden paschtunischen Familie in Afghanistan, die als Ortskräfte für die US-amerikanischen Streitkräfte gearbeitet haben sollen. In Kabul besuchte er die Schule, studierte Informatik und hatte einen festen Job. Nach der Machtübernahme der Taliban sah sich die Familie gezwungen, in den Iran zu fliehen – im Vergleich zur Lebenssituation in Kabul war das ein sozialer Abstieg. Die Familie sammelte ihr Erspartes, um A. eine Flucht nach Europa zu finanzieren. Von dort soll er Geld nach Hause schicken. Über die Balkanroute erreichte A. 2021 Österreich, ein traumatischer Weg, der ihn oft orientierungslos in Wäldern umherirren ließ. In Serbien soll er eine Flüchtlingshelferin namens Maria kennengelernt haben, sie habe ihn angeblich „verhext“. Auf die Frage, wie er weiß, dass er verhext sei, erklärte A., er habe den Fluch durch das Lesen des Korans „zerstört“. In Wolfsberg (Kärnten) war A. in einem Flüchtlingsheim untergebracht, wo er Hänseleien durch Mitbewohner erlebt haben soll. Verteidiger Philipp Springer spricht von Mobbing bis hin zu sexuellen Übergriffen, die mit Handys dokumentiert wurden. Konkrete Beweise gibt es dafür aber nicht.
Im Dezember 2023 verschlechterte sich A.s gesundheitlicher Zustand. Ein Schulfreund, der inzwischen in Wien lebt, berichtet vor Gericht, dass A. zunehmend psychische Probleme hatte, ein besonders streng-gläubiger Muslim soll A. nie gewesen sein. Mit der Verschlechterung seiner mentalen Gesundheit entwickelte er einen Wahn: Der Teufel spiegelte sich für ihn in Frauen, Sex und Pornografie wider. A.s Familie im Iran war so besorgt, dass sie versuchten, ihm die „Dämonen“ mithilfe eines Exorzismus (aus der Ferne) auszutreiben – jedoch ohne Erfolg. Wegen der zunehmenden Besorgnis legten sie ihm die Rückkehr in den Iran nahe. Das Flugticket war bereits für März gebucht.
Vor den Geschworenen kann sich der junge Afghane nicht an den Dreifachmord erinnern. Er erzählt von zwei Stimmen, die permanent in seinem Kopf schwirren – ein Zeichen seiner paranoiden Schizophrenie, wie der Psychiater feststellt. Heute, nach einer medikamentösen Behandlung in der Justizanstalt Göllersdorf, hört er die Stimmen weniger, ganz verschwunden sind sie jedoch nicht. Ob A. sich an die Morde nicht erinnern kann oder nicht erinnern will, ist selbst für die Gerichtsmediziner schwer zu beurteilen. An was er sich aber erinnert: Vor der Tat hatte er eine Moschee besucht, in der er versehentlich eingesperrt wurde und sich durch ein Fenster selbst befreite. Vor Gericht deutete er die verschlossene Moschee als Zeichen Gottes, um ihn vom Töten abzuhalten. Verteidiger Philipp Springer interpretiert das als einen Ausdruck von Reue.
Überlebende: „Blut. Böse Menschen. Komm schnell.“
Neben den drei getöteten Chinesinnen befand sich zum Tatzeitpunkt eine weitere Sexarbeiterin im Studio 126A. Mit einem Kunden verbarrikadierte sie sich vor A. Vor Gericht schildert sie als Ohrenzeugin, wie ihre Kolleginnen getötet wurden. Mit der Nachricht: „Blut. Böse Menschen. Komm schnell“ benachrichtigte sie ihren Lebensgefährten, der daraufhin den Notruf verständigte. Die Polizei fasste A. in einer nahe liegenden Böschung.
Die Überlebende leide weiterhin unter den traumatischen Ereignissen der Nacht vom 23. Februar. Die Richterin weist die Sexarbeiterin darauf hin, dass eine finanzielle Entschädigung für ihr Leid nicht Teil des Strafverfahrens ist.
Der Überlebenden ist das gleichgültig. Sie sei froh, noch am Leben zu sein und vermisse ihre Kinder in der Volksrepublik. Aufgrund des laufenden Verfahrens wurde ihr die Ausreise nach China untersagt. Mit der Einweisung des Täters darf sie jetzt das Land verlassen.