Der Mann, der die Malta-Casinos zum Zahlen zwingen will
Sie klagen Verluste von österreichischen Spielern von Online-Casinos mit Sitz in Malta ein. Welchen Anteil bekommen Sie, wenn Sie das Geld erfolgreich zurückholen?
Stefan Schleicher
Wir bekommen 36 Prozent. Das ist in der Branche der Prozessfinanzierer üblich. Es gibt auch Mitbewerber, die mit 19 Prozent werben. Aber das ist ein Schmäh. Dazu haben wir auch eine Wettbewerbsklage eingebracht. Denn im Kleingedruckten steht dann, dass die 19 Prozent nur gelten, wenn es eine außergerichtliche Einigung mit dem Casino gibt. Doch, oh Wunder: das kommt quasi nie vor.
Von welchen Summen sprechen wir da, die Sie für österreichische Spieler zurückklagen?
Schleicher
2024 war es ein zweistelliger Millionenbetrag.
Klingt nach einem todsicheren Geschäftsmodell. Die Spruchpraxis österreichischer Gerichte zu maltesischen Online-Casinos ist eindeutig: Die Spieler bekommen immer Recht, weil die Casinos in Österreich keine Konzession haben und dadurch die Spielverträge für nichtig erklärt werden.
Schleicher
Nicht ganz. Wenn wir Erfolg haben, machen wir Umsatz, wenn nicht, habe ich viel Geld für Anwaltskosten versenkt, auf denen ich sitzen bleibe.
Warum bleiben Sie auf den Kosten sitzen, wenn Sie vor Gericht gewinnen?
Schleicher
Es gibt wenige große Player, die zahlen. Das sind meistens die, die sich in Österreich um eine legale Lizenz bewerben wollen – bwin zum Beispiel. Mit Bet365 führen wir seit November Vergleichsgespräche. Da werden dann Listen mit Forderungen und Gegenvorschlägen ausgetauscht. Aber es gibt auch die harten Nichtzahler – und die sind in der Mehrheit. Die zahlen ganz bewusst gar nichts, weil sie kein Incentive schaffen wollen, dass weitere Spieler klagen.
Wenn österreichische Spieler in den Online-Casinos gewinnen, behalten sie das Geld, wenn sie verlieren, klagen sie. Verstehen Sie, dass sich die Anbieter wehren?
Schleicher
Es ist aber oft umgekehrt. Es gibt Casinos, die zahlen hohe Gewinne an die Spieler einfach nicht aus. Beschwerden werden ignoriert. Gleichzeitig umgehen sie den Spielerschutz und verweigern dann die Auszahlung von Verlusten nach Gerichtsurteilen. Was unterscheidet diese Betreiber von einem betrügerischen Hütchenspieler auf der Mariahilferstraße?
Diese Verfahren in Malta sind eine Farce.
Jufina-Vorstand
Welche Konsequenz hat es für die Casino-Betreiber, wenn sie trotz OGH-Urteil nicht zahlen?
Schleicher
Wir müssen es auf Exekutionsverfahren in Malta ankommen lassen. Doch der Rechtsschutz ist dort nicht gegeben.
Da kommt Ihnen die umstrittene Bill 55 in die Quere. Ein maltesisches Gesetz, das Casinos einen Freibrief einräumt, Strafen aus dem EU-Ausland nicht zu bezahlen.
Schleicher
Ja, aber das war vor der Bill 55 ähnlich. Da gibt es einen berüchtigten Richter, der entscheidet alle Verfahren zugunsten der Casinos. Sein Argument ist, dass das Glücksspiel ein Grundpfeiler der maltesischen Wirtschaft ist, weil das etwa 12 Prozent des dortigen BIP ausmacht – und dass das österreichische Glücksspielrecht unfair gegenüber den Casinos sei.
Wie kann ein maltesischer Richter das österreichische Glücksspielrecht beurteilen?
Schleicher
Die lassen Vertreter von der Österreichischen Vereinigung für Wetten und Glücksspiel (OVWG) einfliegen.
Einem Verband, der konzessionslose Betreiber in Österreich vertritt, wohlgemerkt.
Schleicher
Genau. Als Zeugen holen die oft jene Anwälte nach Malta, die konkret diese Verfahren in Österreich geführt und verloren haben. Und die sagen dann aus, wie unfair die österreichischen Gerichte mit Casinos umgehen.
Das gilt einem maltesischen Gericht als Entscheidungsgrundlage?
Schleicher
Ja. Ich kann Ihnen eine Übersetzung eines aktuellen Urteils zeigen, in dem die Statements der OVWG eine Entscheidungsgrundlage waren. Diese Verfahren in Malta sind eine Farce.
Malta spielt also den staatlichen Schutzpatron für lizenzlose Online-Casinos. Bekommen Sie das auch persönlich zu spüren?
Schleicher
Ich bin einmal in Malta die offiziellen Anschriften von Casino-Betreibern abgefahren. Das sind alles nur Briefkästen, keine echten Büros. Ich wollte damals Anwälte rekrutieren, die vor Ort Exekutionsklagen für uns einbringen. Aus dem Bereich Glücksspiel kommen sehr viele nicht in Frage, weil sie bereits für die Industrie arbeiten. Also habe ich mir Anwälte aus dem Familienrecht rausgesucht, die möglichst keine Querverbindung zu Casinos haben. Die Termine waren höchst skurril. Ich wurde in Kellern und von Anwälten in Jogginghose empfangen, einer hat mir kurzfristig vorher abgesagt. Die meisten haben gesagt: “Enforcement against casino? No, no, no“. Da war die Angst spürbar. Es war wirklich schwierig, jemand zu finden, der das für uns macht.
In diesen Verfahren gehen wir auf die Bank des Casinos los: Ich lasse mir die Vermögen des Casinos, das auf der Bank liegt, pfänden und überweisen.
Jufina-Vorstand
Was tun Sie, wenn Sie mit einem Exekutionsverfahren in Malta scheitern?
Schleicher
Da gibt es mehrere Hebel. Man kann es über eine Geschäftsführerklage versuchen. Dazu gibt es europaweit mehrere Musterklagen, die teils auch beim EuGH anhängig sind. Wir testen jetzt mit einer österreichischen Spielerin einen ganz neuen Weg.
Verraten Sie uns mehr.
Schleicher
Nach der Zivilprozessordnung kann man ein Verfahren, für das Österreich nicht zuständig ist, nach Österreich holen, wenn die Betroffene im Ausland nicht zu ihrem Recht kommt. Das haben wir in einem Fall erfolgreich durchgespielt. In diesen Verfahren gehen wir auf die Bank des Casinos los: Ich lasse mir die Vermögen des Casinos, das auf der Bank liegt, pfänden und überweisen. Die Bank ist in dem Fall der Drittschuldner.
Das klingt zu leicht.
Schleicher
Das Problem ist, dass die Bank of Valletta hier nicht mitspielt. Eigentlich wurde sie vom Bezirksgericht Salzburg verpflichtet, das Guthaben der Spielerin auszuzahlen. Falls sie es nicht tun, müssen sie eine Drittschuldnererklärung ausfüllen, in der sie darlegen, dass sie kein Vermögen des Casinos verwalten. Die Bank of Valletta sagt jetzt: Sie haben kein Vermögen vom Casino in Österreich. Ein österreichisches Gericht könne sie nicht verpflichten, maltesisches Vermögen rauszurücken.
Haben Sie dagegen noch ein Rechtsmittel?
Schleicher
Jetzt gehen wir gegen die Bank los. Die Spielerin klagt direkt die Bank of Valletta. Wenn wir dieses Verfahren nach Österreich ordiniert bekommen, sind wir sehr zuversichtlich, dass wir das Geld bekommen. Die Bank of Valletta hat Einlagen bei der EZB und vermutlich auch bei anderen europäischen Banken. Die macht sicher Swap-Deals, um Zinsen abzusichern. Und dieses Vermögen wollen wir dann pfänden.
Um welche Summe geht es bei der Frau?
Schleicher
Es ist eine vergleichsweise kleine Forderung von 27.000 Euro. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Bank hinter ihren sicheren Felsen Malta zurückzieht.
Wie lange wird dieser Musterfall Ihrer Schätzung nach noch dauern?
Schleicher
Er dauert bereits über ein Jahr. Frühstens werden wir in fünf, sechs Monaten eine Entscheidung haben. Es kann aber auch sein, dass der Oberste Gerichtshof unseren Ordinationsantrag nochmal an uns zurückspielt. Dann dauert es etwas länger.