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Glücksspielverbot: Novomatic lockt ihre Spieler nun nach Niederösterreich

Glücksspielverbot. Novomatic lockt ihre Spieler nun nach Niederösterreich

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Von Jakob Winter

"Ich war sogar schon im Gefängnis wegen dem Scheiߓ, sagt Bujar und zieht an seiner Zigarette. Um Geld fürs Spielen aufzutreiben, handelte der 36-Jährige mit Drogen: "Kokain, Heroin, alles.“ Er steht auf einem Parkplatz in Schwechat und schaut verbittert auf den Spielautomatensalon vor ihm. Bujar hat eben sein ganzes Geld verspielt.

Dabei hatte das Jahr für ihn gut begonnen. Am 1. Jänner 2015 liefen in Wien die Konzessionen für die Glücksspielautomaten aus. "Gott sei Dank sind sie endlich weg“, dachte sich Bujar zum Jahreswechsel. Seit 21 Jahren ist er in Österreich, seit 20 Jahren spielt er. In den vergangenen Monaten war er immer im Pratercasino. Anfang Jänner wollten sich er und sein Freund Izodin dann selbst davon überzeugen, dass die Automaten nicht mehr da sind. Im Prater angekommen, sah es auf den ersten Blick so aus, als wäre alles beim Alten: Auf dem vergoldeten Gebäude im Prater blinkten Lampen in allen Farben und eine überdimensionale Lichterkette wünschte "Prosit 2015“. Auch die Drehtür öffnete sich. Erst im Eingangsbereich erklärte eine Mitarbeiterin: "Wir haben vorübergehend geschlossen.“ Sie bot den beiden Männern eine Taxifahrt zu den niederösterreichischen Novomatic-Standorten an. Bujar und Izodin wählten die Filiale in Schwechat. 30 Euro kostet der Transfer zu den Automatensalons außerhalb der Stadtgrenze. Den Betrag übernahm Novomatic und finanzierte später auch die Heimreise zur nächstgelegenen U-Bahn Station. Einen einmaligen Registrierungsgutschein in der Höhe von 50 Euro gab es oben drauf - in Niederösterreich herrscht für alle Spieler Registrierungspflicht.

Taxis werden noch bis 15. Jänner bezahlt
Der Glücksspielkonzern reagiert mit diesen Lockangeboten auf das Glücksspielverbot, das seit Jahresbeginn in Wien gilt. Immerhin 1500 Automaten hat Novomatic in der Bundeshauptstadt betrieben und damit Einnahmen in Millionenhöhe lukriert. Die fallen ab heuer weg. Um die Gewinneinbußen ein wenig abzufedern, lotst das Glücksspielunternehmen aus Gumpoldskirchen ehemalige Wiener Kunden ins niederösterreichische Umland. 110 Euro lässt sich das der Konzern pro Spieler kosten. Die Taxis werden noch bis 15. Jänner bezahlt, dann ist vorerst Schluss. Nebenher wird noch an einer anderen Front gekämpft: Gegen das Verbot in Wien will das Unternehmen alle möglichen Rechtsmittel ausschöpfen. Und für das Pratercasino läuft derzeit das Vergabeverfahren im Finanzministerium. Erhält Novomatic den Zuschlag für eine Casinolizenz des Bundes, werden dort über 400 Automaten wieder hochgefahren - trotz Landesglücksspielverbotes.

Kunden wie Bujar und Izodin, die aus Wien kommen, werden mit System auf die Filialen verteilt: Die Mitarbeiterin im Pratercasino ruft erst ihre Kollegen in den umliegenden Gemeinden an und erkundigt sich, wo Spielgeräte frei sind. "Es kann aber immer sein, dass kurzfristig jemand kommt und dann alle Automaten besetzt sind, wenn ihr dort seid“, gibt sie den Spielern mit auf den Weg. Die beiden lassen sich nicht beirren. Als sie in Schwechat eintreffen, sind tatsächlich alle Plätze besetzt. Doch es dauert nicht lange, bis der erste Mann aufsteht und sich am Schalter nach einem Bankomaten erkundigt. "Gibt’s bei uns nicht“, wird er vom Personal aufgeklärt. 15 Automaten stehen in einer dunklen und verrauchten Kammer, die durch ein Drehkreuz vom Wettbüro abgetrennt ist. Rund um Bujar tönt und blinkt es. Die Spieler hämmern auf die Tasten, Geldscheine wandern im Minu-tentakt in die Automaten. Bujar spielt, bis er blank ist - Izodin auch.

In den ersten Tagen bilden sich in Schwechat lange Schlangen. Am Schalter klagt eine Mitarbeiterin: "Wir bräuchten doppelt so viele Automaten.“ Jedoch kann Novomatic in Niederösterreich keine weiteren Spielgeräte mehr aufstellen, obwohl der Konzern seit der jüngsten Konzessionsvergabe im Jahr 2012 eine Monopolstellung hat. Laut Landesgesetz darf das Verhältnis von einem Gerät pro 1200 Einwohner nicht überschritten werden. Novomatic hat das Kontingent seit Ende 2014 voll ausgeschöpft: An 75 Standorten stehen jeweils zwischen zehn und 50 Spielgeräte, 1339 sind es im ganzen Bundesland. Die meistens Salons haben durchgängig von 0 bis 24 Uhr geöffnet.

53 Geräte im Wiener Umland
Immerhin 353 Geräte wurden im Wiener Umland positioniert: Etwa in Gerasdorf, Vösendorf, Wiener Neudorf oder Purkersdorf. Die Konzessionen sind nicht an einen fixen Standort gebunden. In Abstimmung mit der Landesregierung könnte Novomatic also jederzeit mehrere Geräte aus anderen Regionen abziehen und die Präsenz rund um Wien weiter verstärken. In der Konzernzentrale will man, zu diesem Szenario befragt, "keinen Kommentar“ abgeben. Sollte sich der Rechtsstreit in Wien länger ziehen, scheint dieser Schachzug jedenfalls realistisch.

Denn das Geschäft mit den Spielern aus Wien ist äußerst lukrativ - trotz Investitionen in Gutschein und Taxi: Bujar verspielte gleich beim ersten Besuch binnen einer Stunde 240 Euro. Trotzdem kam der zweifache Familienvater seither mehrmals nach Schwechat, um zu spielen. "Das ist eine Frechheit“, empört er sich über die Lockangebote, denen er nicht widerstehen konnte. "Ich weiß natürlich, mich zwingt keiner, hier zu spielen. Aber ich kann nicht aufhören. Es ist einfach eine Sucht.“ Aus seiner Sicht sollten die Automaten in ganz Österreich verboten werden.

In Niederösterreich wird das vorerst ein Wunschtraum bleiben, die Konzessionen laufen noch bis 2027. Ein Glücksspielverbot ist nicht geplant. Das niederösterreichische Spielautomatengesetz sei "eine gute gesetzliche Regelung“, heißt es aus dem Büro des zuständigen Landesrats Karl Wilfing (ÖVP). Anders als in Wien fordern in Niederösterreich nur die Grünen ein Verbot der Automaten. Mit ÖVP, SPÖ und FPÖ steht eine Mehrheit hinter dem Gesetz.

Bujar hat inzwischen 40.000 Euro Schulden angehäuft. Immerhin geht er nun wieder einer geregelten Arbeit nach - als Bauarbeiter. Ob er seine Spielsucht überwinden wird? Bujar schüttelt den Kopf: "Ich kenne keinen, der von diesen Automaten wieder weggekommen ist.“

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv. Derzeit in Karenz.