Gmahte Wiener Wiesn? Wovor die SPÖ zittert
Die SPÖ Wien hat ein Luxusproblem: Niemand zweifelt daran, dass die machtverwöhnte Landespartei bei der Wahl am Sonntag in einer Woche Platz eins verteidigen kann und der nächste Bürgermeister wieder Michael Ludwig heißen wird.
Zu schwach sind die Gegner, zu verhalten-positiv die Stimmung in der Stadt.
„Ludwig g’winnt eh“, bringt die KPÖ die Gemütslage der Bundeshauptstadt auf einem Plakat auf den Punkt. Was wie die Resignation einer Kleinpartei wirkt, ist auf den zweiten Blick eine logische Strategie: In früheren Duellen zwischen SPÖ und FPÖ um die Vorherrschaft in der Stadt sind kleinere Listen oft unter die Räder gekommen. Aus Angst vor einem FPÖ-Bürgermeister haben sich kommunistische, grüne und teils auch bürgerliche Sympathisanten hinter der SPÖ versammelt.
2025 ist das anders. Die Freiheitlichen werden zwar laut allen veröffentlichten Umfragen mit deutlichen Zugewinnen den zweiten Platz holen, können aber Ludwig nicht gefährlich werden. Bei den Sozialdemokraten geht deshalb die Angst vor einer schwachen Mobilisierung um – und vor einem möglichen Worst-Case-Szenario, was die zukünftigen Koalitionsoptionen in der Stadt angeht.
„Es ist den anderen Parteien gelungen, die SPÖ bereits im Vorfeld zum Sieger zu erklären. Das stimmt so aber nicht“, sagt ein gut vernetzter Roter zu profil. Was er meint: Weil alle von einem Wahlsieg der SPÖ ausgehen, bringen sich die kleineren Parteien geschickt als bestmöglicher Juniorpartner in Stellung. „Wer Rot-Grün will, wählt diesmal Grün“, heißt es etwa in einem Inserat mit Grünen-Spitzenkandidatin Judith Pühringer.
Aus Sicht der Kleinen geht es nur mehr darum, wer der SPÖ den richtigen Drall gibt. Mehr Öko, mehr Bildung oder mehr Sicherheit? Die SPÖ hadert mit der Dynamik des Wahlkampfs: Bei der fiktiven Bürgermeisterdirektwahl-Frage erreicht Amtsinhaber Ludwig Werte jenseits der 50 Prozent. Seine Partei kann davon nur träumen. Im Endspurt des Wahlkampfs versuchen die Roten, ihre Kampagne maximal auf den Stadtchef zuzuschneiden. Der Claim: “Wer Ludwig will, wählt SPÖ.” Ob das verfängt?
Die FPÖ ist bei den Koalitions-Planspielen außen vor. Rot-Blau ist in Wien undenkbar. Bei Bier und Frankfurter plaudert ein hochrangiger FPÖ-Funktionär das Lieblingsszenario der Partei aus: dass sich ohne die Freiheitlichen keine Zweier-Koalition in der Stadt bilden lässt. Dann müsste Ludwig ein wackeliges Dreier-Bündnis schmieden.
Wäre das arithmetisch überhaupt möglich? Durchaus.
Aktuell haben SPÖ und Neos mit ihrer „sozialliberalen Fortschrittskoalition“ (Eigenbezeichnung) in Summe 54 der 100 Landtagsmandate. Die SPÖ könnte derzeit auch mit jeder anderen Partei, also ÖVP, Grünen und FPÖ, eine Mandatsmehrheit bilden.
Doch nach dem 27. April könnte das anders sein, und das liegt unter anderem an der KPÖ.
Die rote Sorge
„Es geht gar nicht so sehr darum, wem die KPÖ Stimmen kostet. Das ist natürlich auch schlecht. Entscheidender sind die Mandate: Wenn die KPÖ die Fünf-Prozent-Hürde knapp schafft, kriegt sie fünf, sechs Mandate. Wenn gleichzeitig das SPÖ-Ergebnis nicht so toll ist, und unter 40 Prozent liegt, dann könnte es passieren, dass es sich mit ÖVP, Grünen oder Neos nicht ausgeht. Wenn es aus Sicht der SPÖ ganz blöd hergeht, vielleicht sogar mit keiner der drei Parteien.” Wobei Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik einschränkt, dass da schon sehr viel zusammenkommen müsste.
Das Wiener Wahlrecht bevorzugt an sich Großparteien. Somit ist eine Mandatsmehrheit auch dann möglich, wenn die Parteien der Stadtregierung nicht 50 Prozent der Stimmen erreichen. „Das heißt, dass die SPÖ zuletzt mit 41 Prozent der Stimmen 46 Mandate bekommen konnte”, rechnet der Ennser-Jedenastik vor.
Ein Funktionär der Wiener Grünen sieht derzeit ein „Momentum” für seine Partei und spricht gegenüber profil offen die Hoffnung aus, dass es sich für Rot-Pink nicht ausgeht. Dann gäbe es die größte Chane für eine Neuauflage von Rot-Grün. Wobei relevante Player innerhalb der Roten eine Fortsetzung mit Pink bevorzugen würden.
Aus Neos-Kreisen heißt es, der Fortbestand der Koalition liege an der SPÖ. 2020 erreichten die Pinken in Wien 7,5 Prozent, eine Steigerung des Ergebnisses dürfte sich ausgehen. Anders die SPÖ, sie wird ihr Ergebnis von 41,6 Prozent aus heutiger Sicht eher nicht halten können. Das Ausmaß der Verluste entscheidet über eine rot-pinke Mehrheit.
Dabei hat die SPÖ den Wahltermin strategisch vorverlegt, in der Erwartung einer blau-schwarzen Bundesregierung. Es kam bekanntlich anders. Traditionell profitieren linke Parteien von rechten Gegenspielern – so geschehen bei der burgenländischen Landtagswahl im Jänner. SPÖ und Grüne verloren zwar beide an Stimmen, aber weitaus weniger als erwartet.
Bei der Wien-Wahl fehlt nun der Außenfeind. Dass die Mobilisierung ein entscheidender Faktor ist, zeigt die Wahlwiederholung der aufgehobenen Bezirksvertretungswahl in Wien-Leopoldstadt 2016: Die Wahlbeteiligung brach um satte 28 Prozentpunkte ein und die Grünen drehten den traditionell roten Bezirk für eine Periode. Dass den Grünen dieser Coup glückte, war einerseits der Trägheit des SPÖ-Klientels geschuldet, während die Jungen Grünen bewusst und stark mobilisierten.
In den Grünen-Wahlkampf involviert war damals Max Veulliet, der 2025 in der Rolle des Wahlleiters wieder an einem Coup arbeitet: Diesmal für die KPÖ. Wie das möglich ist? Die Grünen warfen ihre Jugendorganisation 2017 raus, nachdem sich die Jungen Grünen bei der ÖH-Wahl hinter die „Grünen Studierenden” stellte, anstatt hinter die Partei-Organisation „Grünen und Alternativen Studentinnen und Studenten (Gras)”. Viele Ex-Grüne schlossen sich daraufhin den Kommunisten an, darunter auch der Salzburger Kay-Michael Dankl, nunmehr Bürgermeister-Stellvertreter in Salzburg.
Also „g’winnt Ludwig” eh? „Am Wahlabend wird das Erste, auf das ich schaue, ob die KPÖ drinnen ist oder nicht. Das ist ein sehr wichtiger Faktor für die Regierungsbildung”, sagt Ennser-Jedenastik. Für die KPÖ sei es jedenfalls die größte Chance für den Einzug in den Gemeinderat seit Jahrzehnten. Wenn es nicht klappt, wird es im Bürgermeisterbüro ein großes Aufatmen geben.
Der KPÖ blieben als Trostpreis die Mandate auf Bezirksebene.