Ein Panoramablick auf die Gemeinde Gramais, zu sehen sind die Kirche, das Gemeindeamt und die umliegenden Berge
WENDEORTE TEIL 4

Österreichs kleinste Gemeinde Gramais: Im Endtal der Genügsamkeit

Gramais liegt tief im Tiroler Otterbachtal, unbekümmert von Politikverdrossenheit und Coronaprotesten. Ein Besuch.

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Es war 1989, und eine deutsche Touristenfamilie wollte dringend nach Gramais. So dringend, dass sie für sechs Köpfe und drei Wochen alles Lebenswichtige einpackte. Die Mutter erstellte einen minutiösen Essensplan für sich, ihren Mann und die vier Kinder. „Viel Reis, viele Kartoffeln.“ Raum für Spontaneität gab es nicht. „Ich wusste, es gibt dort kein Geschäft.“ Die Familie räumte das schwere Gepäck in den Wagen und machte sich auf den Weg ins letzte Dorf im Tiroler Otterbachtal, in die kleinste Gemeinde Österreichs mit 43 Einwohnern, um ihre Ferien als Selbstversorger zu verbringen.

Nun kehrt die Mutter mit zwei erwachsenen Söhnen an ihren Sehnsuchtsort zurück. Allerdings mit Postbussen. Mehrzahl, denn wer ohne Auto unterwegs ist, muss sich die Ankunft erst verdienen. Drei verschiedene Linien teilen sich die Fahrt vom Bahnhof Imst-Pitztal nach Gramais. Die Fahrzeuge schlängeln sich Berg-Serpentinen hoch, bei denen man weder an Übelkeit noch an Höhenangst leiden darf. Die Familie kennt die Strecke mittlerweile gut, zum dritten Mal ist sie bereits hier. Diese Abgeschiedenheit ist das, was sie schon vor 35 Jahren angezogen hat. Wo sonst, fragt einer der Söhne an der Haltestelle, findet man einen Ort, bei dem alles so bleibt, wie es war?

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.