Greenwashing: Dieser Mann jagt Unternehmen wegen falscher Werbeclaims
Raphael Fink hat ein Ziel: Für Unternehmen soll es illegal sein, Lügen über die Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte zu verbreiten. Beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) blickt er hinter die Fassaden grün-idyllischer Werbeversprechen. Er ist hauptberuflich für das österreichische Umweltzeichen für nachhaltige Finanzprodukte und für die Koordination des Europäischen Umweltzeichens tätig.
Vor drei Jahren gründete er den Greenwashing-Check des VKI. Inzwischen überprüfte sein Team bereits 170 Produkte, veröffentlichte 31 Checks und verklagte zwei österreichische Unternehmen: Die Fluggesellschaft Austrian Airlines (AUA) und die Brau Union.
Bewirken diese Klagen nachhaltige Veränderung – oder bleiben die falschen Werbeclaims präsent?
Wie sich Marketingstrategien verändern
profil traf Fink in seinem Büro in der Nähe vom Wiener Naschmarkt. Im Gespräch zieht er Bilanz über seine ersten Erfolge und blickt auf weitere geplante Klagen. Und er erklärt, worauf Menschen bei ihrem Einkauf achten sollen. Denn Unternehmen haben inzwischen neue Methoden gefunden, Klimafreundlichkeit vorzutäuschen.
Es ist gar nicht so einfach, Unternehmen aufgrund von Greenwashing in die Pflicht zu nehmen: Bis vergangenes Jahr gab es in Österreich keine Gesetze diesbezüglich. Die Verbraucherschützer fanden dennoch einen Kniff: Wenn ein Unternehmen etwas Unwahres behauptet, verschafft es sich unfaire Vorteile gegenüber seiner Konkurrenz. Fachleute bezeichnen diese Praktik als unlauteren Wettbewerb. Gegen die Brau Union kämpften Fink und sein Team das erste Greenwashing-Urteil in Österreich durch. Sie bewarb Gösser-Bier sowohl auf der Verpackung als auch in der Fernsehwerbung als „CO2 neutral gebraut“. Allerdings hielt dieses Versprechen einem Re-Check nicht stand.
Angefangen hat die Arbeit von Fink mit einem Check der Versprechen der ungarischen Billigfluglinie Wizz Air, die mit dem Slogan „Europas Airline mit dem kleinsten CO2-Fußabdruck“ warb. Finks Einschätzung: Eine Airline mit Flugzeugtanks voller Kerosin, die für Klimaschutzv wirbt, ist eindeutig Greenwashing.
So sollte in der österreichischen Flugbranche eine „richtungsweisende“ Klage folgen, wie Fink betont. Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Austrian Airlines AG (AUA) wegen der Bewerbung von Flügen als CO2-neutral geklagt. Das Landesgericht (LG) Korneuburg gab dem VKI recht und verurteilte die AUA-Werbung als irreführende Geschäftspraktik. Schnell wurde das Urteil international aufgegriffen: „Airlines aus Afrika bis aus den USA wissen seitdem, mit so einem Claim wird es in Europa schwierig.“
„Es wird immer mehr mit Aspekten geworben, die sowieso bald Pflicht werden.“
Raphael Fink, Konsumentenschützer
Inzwischen haben sich die grünen Slogans in der Werbebranche verändert. Versprechen wie „CO2-neutral“ oder „klimaneutral“ seien etwas seltener geworden – ein durchaus „positives Zeichen“, so Raphael Fink, dass die neue Rechtsprechung bereits wirke. Andererseits werde „immer mehr mit Aspekten geworben, die sowieso bald Pflicht werden“. Derartige Werbekampagnen seien derzeit etwa im Bereich der „Tethered Caps“ sichtbar. „Dabei handelt es sich um die ab Juli 2024 ohnehin verpflichtend vorgeschriebenen festverbundenen Verschlüsse, die zum Beispiel auf PET-Flaschen zu finden sind."
In Europa werden unklare Klima-Angaben zunehmend illegal. Kürzlich hat auch ein niederländisches Gericht beschlossen, dass die niederländische Fluggesellschaft KLM Verbraucher mit dem Werbeslogan „Fly Responsibly“ in die Irre geführt hat.
Der niederländischen Airline KLM verhängte das Gericht keine Strafe. Sie solle in Zukunft bloß „ehrlich und korrekt“ mit Aussagen zur Umweltfreundlichkeit umgehen. Wie streng die „Green Claims“-Richtlinie EU-weit durchgesetzt wird, ist noch offen. Die finanziellen Konsequenzen fallen dabei für die Unternehmen ohnehin nicht ins Gewicht – es geht um ihren Ruf in der Öffentlichkeit.
In jedem Fall werde laut Fink „wohl der Label-Dschungel gelichtet“ und allgemeine Umweltaussagen wie „nachhaltig“ oder „CO2-neutral“ besser geregelt werden.
Die Europäische Union will Verbraucher jedenfalls besser vor falschen Versprechen und Marketing-Gags schützen. Anfang 2024 hat das Europäische Parlament eine Richtlinie („Green Claims Directive") verabschiedet, die diese erschweren soll. Werbung, die ein Produkt als umweltfreundlich anpreist, soll verboten werden – zumindest sofern das Unternehmen die Behauptungen nicht belegen kann.
Wer das letztlich sicherstellt, kann jeder Mitgliedstaat selbst bestimmen. In Österreich könnte etwa das Umweltbundesamt die Kontrolle übernehmen. „Bis dahin“, so Raphael Fink, „wird der VKI mit dem Greenwashing-Check weiterhin den Unternehmen auf die Finger schauen und gegebenenfalls auch Klagen einbringen.“
Künftige Klagen des VKI
Welche Strategie verfolgt der VKI bei seinen Checks? Finks Vision ist eine „möglichst breite Rechtssprechung“. Je mehr gerichtliche Urteile erwirkt werden, desto mehr „rote Linien“ gibt es, die Werbeabteilungen in Produktwerbungen nicht überschreiten dürfen. Deshalb unterscheiden sich die Claims und Produktpalette, die Fink und sein Team unter die Lupe nehmen, möglichst stark voneinander. Fossile Brennstoffe und Bier stehen also fürs erste wohl nicht mehr im Fokus der Konsumentenschützer.
Sprecher aus der Werbeindustrie halten dem VKI vor, Phänomene wie „Green Hushing“ zu begünstigen. Das bedeutet: Unternehmen würden Nachhaltigkeit aus Sorge vor Klagen nicht mehr anstreben. Den Vorwurf, demoralisierend und kontraproduktiv zu handeln, hören Konsumentenschützer wie Raphael Fink oft: „Das halte ich für pure Propaganda.“ Unternehmen würden Nachhaltigkeitsmaßnahmen nicht allein für Marketingzwecke setzen, sondern vielmehr weil sie in einer klimagefährdeten Welt langfristig bestehen wollen.
Der VKI hat zwei weitere Unternehmen geklagt. Fink kann während die Verfahren noch laufen nur so viel verraten: Sie betreffen den Bereich des täglichen Lebens.