Polizisten kontrollieren am Grenzübergang Kiefersfelden den aus Österreich kommenden Verkehr.
Grenzkontrollen

Im Vorjahr nahm Österreich 11.000 Personen von Deutschland zurück

Innenminister Karner (ÖVP) hat Deutschland mitgeteilt, keine Migranten an der österreichischen Grenze zurückzunehmen. Dabei war das im Jahr 2023 noch Praxis.
Eva  Sager

Von Eva Sager

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Polizeikontrollen an allen Landesgrenzen, mehr Zurückweisungen an der Grenze: Deutschland will härter gegen „irreguläre Migration“ vorgehen. Dabei kriegen sich die deutsche Regierung und Opposition immer ärger in die Haare. Bestandsaufnahme einer innerdeutschen Debatte, die nach und nach auch nach Österreich überschwappt. 

Ausgeweitete Grenzkontrollen 

Die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verkündete diese Woche, ab dem 16. September Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen durchzuführen. Damit wolle man die „irreguläre Migration“ weiter einschränken und die Bevölkerung vor den „aktiven Gefahren des islamistischen Terrors und schwerer Kriminalität“ schützen.

Nach dem Schengener Grenzkodex sind Kontrollen eigentlich nur in Ausnahmefällen erlaubt: Dabei müssen sie zeitlich streng begrenzt sein und bei der EU-Kommission angemeldet werden. Laut der deutschen Bundesregierung sei das bereits geschehen.

In der Praxis geht es vor allem um die Einführung von Kontrollen an den deutschen Grenzen zu Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz gibt es bereits seit letztem Jahr, an der Grenze zu Österreich wird schon seit 2015 kontrolliert.

„Modell für europarechtskonforme Zurückweisungen“ 

Faeser gab außerdem bekannt, ein europarechtskonformes Modell für Zurückweisungen an den Grenzen entwickelt zu haben. Details nannte sie keine, man wollte sich zuerst mit CDU/CSU (Union) austauschen – jene fordert schon länger umfassendere Zurückweisungen an den deutschen Grenzen. Herausgekommen ist bei den Gesprächen zwischen Ampel-Regierung und Union – abseits von gegenseitigen Schuldzuweisungen – bisher allerdings noch nichts.

Dazu kommt: Zurückweisungen sind insgesamt ein heikles Thema. An den deutschen Landgrenzen sind sie momentan nur möglich, wenn jemand mit einer Einreisesperre belegt ist oder kein Asyl beantragt. Das entwickelte Modell soll laut deutscher Regierung nun über die derzeit erfolgenden Zurückweisungen hinausgehen, konkreter wurde man allerdings nicht.

Der österreichische Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) teilte daraufhin mit, dass Österreich keine Menschen entgegennehmen werde, die aus Deutschland zurückgewiesen werden. Zusätzlich wies er die heimische Polizei an, keine Übernahmen durchzuführen. Auch Bundeskanzler Karl Nehammer stellte klar: „Sollte Deutschland beginnen, hier durch eigenwillige Rechtsinterpretationen eine Unsicherheitslage zu schaffen, werden wir dagegen aufstehen und unsere Grenzen ganz klar schützen.“

Nun droht also, einmal mehr, ein Asylstreit zwische Österreich und Deutschland. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat die Ankündigung Österreichs kritisiert, keine von Deutschland an der Grenze zurückgewiesenen Migrant:innen aufzunehmen. „Es geht hier nicht darum, ob Österreich jemanden zurücknimmt, sondern es geht darum, ob Deutschland jemandem die Einreise verweigert“, sagte Herrmann zu der deutschen Zeitung „Die Welt“.

Österreich nahm 2023 11.000 Personen aus Deutschland zurück

profil liegt ein BMI-internes Dokument vor, dass im Grenzbereich von Deutschland zu Österreich zwischen 01.01.2023 bis inklusive 20.12.2023 11.561 Fremde von Deutschland übernommen wurden. 2024 waren es laut BMI um die 400 Personen.

Wichtig: Es handelt sich bei den Zahlen um keine Dublin-Rückstellungen. Also Asylwerber:innen, die in Österreich einen Asylantrag gestellt haben, über den noch nicht endgültig entschieden wurde und währenddessen nach Deutschland weitergereist sind. Deutschland hat in diesen Fällen das Recht, die Betroffenen nach einem Verfahren und innerhalb einer bestimmten Frist nach Österreich zurückschicken. 

Das BMI stellt auf profil-Anfrage erneut klar: „Österreich wird keine EU-rechtswidrigen Zurückweisungen übernehmen.“ Und: „Deutschland hat bekanntgegeben, auch in Zukunft ausschließlich EU-rechtskonforme Zurückweisungen anzuordnen.“

Aber wie läuft so eine „EU-rechtskonforme Zurückweisung“ momentan ab? Das BMI erklärt auf profil-Anfrage: „Nach Aufgriff einer Person ohne Aufenthaltsrecht prüft die Behörde, ob eine Rückübernahme in den Nachbarstaat möglich ist. Dazu nimmt die Bundespolizei mit der jeweiligen Landespolizeidirektion Kontakt auf und ersucht schriftlich um Übernahme. Danach wird seitens der Landespolizeidirektion geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Übernahme vorliegen. Eine Rückübernahme scheidet jedenfalls aus, wenn die Person zuvor in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.“

Die Sache mit dem Notstand

Eine Option, die in Deutschland momentan diskutiert wird, um Zurückweisungen an der Grenze „europarechtskonform“ strenger zu gestalten, ist die Notstandsregel. Sie bietet Staaten die Möglichkeit, sich im Falle eines Ausnahmezustands über das Gemeinschaftsrecht hinwegzusetzen. Sowohl EU-Kommission und andere EU-Mitgliedstaaten könnten allerdings gegen einen solchen Schritt klagen. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) müsste Deutschland dann nachweisen, dass es sich tatsächlich in einer Notlage befindet. 

Rechtsexperten befürchten, dass Deutschland damit einen Dominoeffekt auslösen würde. „Österreich wäre faktisch gezwungen, es Deutschland gleichzutun“, mahnt Europarechtsexperte Walter Obwexer gegenüber „Die Presse“. 

Eva  Sager

Eva Sager

seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Gesellschaft und Gegenwart.