Grenzübergang Schattendorf: Burgenland gewinnt skurrilen Prozess um 27 Cent
Die Bewohner von Schattendorf sind seit Jahren genervt. Über die kleine Bundesstraße L224 wälzten sich täglich Blechlawinen von Ungarn nach Österreich. Als dann ein alter Mann von einem Pendler am Grenzübergang schwer verletzt wird, reicht es den Burgenländern. Man suchte und fand eine kreative Lösung: Die Grenze wurde de facto durch die Einrichtung einer Fußgängerzone geschlossen. Weil sich Pendler geschädigt sahen, kam es nun zu einem skurrilen Gerichtsprozess. Streitwert: 27 Cent. Das wurde in erster Instanz abgewiesen, profil liegt das Urteil vor.
Seit dem Frühling vergangenen Jahres gibt es gröbere diplomatische Verwerfungen zwischen Österreich und Ungarn auf höchster Ebene. Grund dafür ist der 2400-Einwohner zählende Grenzort Schattendorf.
Im März 2023 wurde dort knapp nach der Grenze einfach eine Fußgängerzone eingerichtet - mit Poller, der nur mit einer Ausnahmegenehmigung die Fahrt freigibt. Die kostet für zwei Jahre rund 180 Euro und wird nur an Bewohner von Schattendorf und Agfalva (Agendorf) vergeben, das zwei Kilometer entfernt in Ungarn liegt.
Brüskiertes Ungarn
In Ungarn empfindet man das als Affront. Gegen die Poller wehrte man sich physisch - Vandalen droschen mehrfach darauf ein, einmal offensichtlich mit einem Hammer so sehr, dass die Mechanik nicht mehr funktionierte. Die Reparatur dauerte mehrere Wochen.
Aber auch juristisch fährt man Geschütze auf: Die ungarische Anwaltskanzlei NZP Nagy Legal wollte die Gemeinde Schattendorf verklagen. Grund: Ihren Mitarbeitern würden durch die Fußgängerzone bei Terminen in Österreich Mehrkosten entstehen, weil sie einen Umweg fahren müssten.
Der nächste Grenzübergang liegt in Klingenbach, dieser Weg sei 3,4 Kilometer länger - das erhöhe die Benzinkosten und schädige somit die Pendler. Und zwar um heiße 27 Cent.
Das Gericht Eisenstadt fällte nun sein Urteil: „Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin 27 Cent samt 4 % Zinsen seit 17.07.2023 zu zahlen, wird abgewiesen“, steht in dem profil vorliegenden Entscheid.
Weiters: „Die Klägerin (Anm. die ungarische Anwaltskanzlei) ist schuldig, der Beklagten (Anm. der Gemeinde Schattendorf) binnen 14 Tagen zu Handen der Beklagtenvertreterin (Anm. Anwalt Johannes Zink) deren mit Euro 196,97 (darin Euro 32,83 USt) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen“. Übersetzt: Für eine Klage, die sich um einen Streitwert von 27 Cent dreht, wird den Anwälten der Gemeinde Schattendorf eine Aufwandsentschädigung von 196,97 Euro zugesprochen.
Es geht ums Prinzip
Freilich geht es nicht wirklich um lächerliche 27 Cent. Sondern um die prinzipielle Frage, ob die Einrichtung einer solchen Fußgängerzone überhaupt erlaubt sei. Die ungarische Anwaltskanzlei vertrat die Rechtsansicht, dass dies gegen Art. 24 des Schengener Grenzkodex verstoße.
Das Landesgericht in Eisenstadt sieht das anders.
Im Gegenteil. Die Poller würden sogar sicherstellen, die Verordnung des Innenministeriums zu diesem Grenzübergang einzuhalten. Die sieht nämlich vor, dass der Übertritt zeitlich auf Radfahrer, Fußgänger, Reiter mit Pferden und landwirtschaftliche Fahrzeuge eingeschränkt werden soll - Kraftfahrzeuge sind demnach nur bis 3,5 Tonnen und nur zu bestimmten Uhrzeiten erlaubt.
In der Praxis habe man sich daran aber nicht gehalten, argumentierte die Gemeinde Schattendorf, darum habe man diese Maßnahmen ergriffen - und das Gericht folgte dieser Auffassung.
Johannes Zink, Anwalt des Burgenlandes und in dem Fall auch der Gemeinde Schattendorf, sagt: „Das Landesgericht Eisenstadt hat unsere Rechtsansicht vollinhaltlich bestätigt und entschieden, dass die Errichtung einer Fußgängerzone im Einklang mit der Gesetzeslage ist. Einer etwaigen Berufung sehen wir daher gelassen entgegen und gehen davon aus, dass auch die nächste Instanz zu keinem anderen Ergebnis kommen wird.“