Großbaustelle Wohnen: Wer von der Mietpreisbremse profitiert
Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) stellte vor seinem ersten Ministerrat am Mittwoch eines seiner Prestigeprojekte vor: „Es gibt einen Mietpreisstopp, der auch für den Neubau gelten wird.“ Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) kann der Regulierung sichtlich etwas abgewinnen und unterstützt den roten Vorstoß. Ganz so einfach wird es aber nicht: Zwar soll die Regelung bereits im April in Kraft treten, der Beschluss dazu bereits am Freitag im Nationalrat fallen. Wer im privaten Altbau oder gemeinnützigen Wohnbau (Gemeinde oder Genossenschaft) wohnt, darf sich freuen. Diese Mieten werden heuer nicht erhöht – wer im Neubau mit freiem Mietzins wohnt, muss sich gedulden.
Es ist nicht der erste Anlauf, die Mietpreise zu regulieren. Die Vorgängerregierung aus ÖVP und Grünen konnte sich für eine (späte) Mietpreisbremse für sowieso schon regulierte Mietverträge durchringen. Doch die Begrenzung auf eine maximale Erhöhung von fünf Prozent pro Jahr war als Entlastung für die Mieterinnen und Mieter kaum spürbar gewesen. Außerdem: gespießt hat es sich damals wie heute auch an den freien Mieten, die am stärksten in die Höhe geschnellt sind.
Denn die rasant gestiegenen Mieten sind nicht nur eine gefühlte Wahrheit. Auch die Daten der Statistik Austria sprechen dafür: Während 2019 österreichweit die durchschnittlichen Wohnkosten bei nicht regulierten Mieten 690 Euro pro Monat betrugen, waren es 2023 schon 841 Euro, ein Plus von 21 Prozent.
Die neue Regierung will die Mieten heuer komplett einfrieren. Eine Erhöhung von null Prozent also. Staatssekretärin Michaela Schmidt (SPÖ) kündigte zudem an, binnen weniger Wochen eine „adäquate Regelung“ für Neubauten zu präsentieren. Gegenüber profil verwies das Büro des Vizekanzlers auf „legistische Herausforderungen“ – mehrere Gesetze seien betroffen. Ob sich das vor der nächsten Mieterhöhung im April ausgeht, ist offen.
Die Pläne zur Mietregulierung sind drastisch. Laut Regierungsprogramm sollen heuer die Mieterhöhungen ausgesetzt werden. Für 2026 auf maximal ein Prozent und 2027 auf maximal zwei Prozent begrenzt werden. Einschränkung der Regierungspläne: nur „für den Vollanwendungsbereich des MRG (Mietrechtsgesetz, Anm.) sowie Kategorie- und WGG-Mieten“. Für den Laien übersetzt: nur für Altbau und geförderten Wohnbau.
Ab 2028 gilt für alle Mietformen (auch freifinanzierte Neubauten) überhaupt ein neuer „Index für Wohnraumvermietung“, der die jährliche Mieterhöhung bestimmen soll – bisher sind die Mieten an den Verbraucherpreisindex (VPI) gekoppelt; also an die Inflation. Neu ist: Der neue Index greift ab einer Teuerung von drei Prozent, die darüberliegende Teuerungsrate wird ab dem dritten Prozentpunkt halbiert. Ein Beispiel: Beträgt die Teuerung zehn Prozent, würde durch diese Maßnahme die Mieterhöhung bei 6,5 Prozent begrenzt werden.
SPÖ feiert Teilerfolg
Die Sozialdemokratie verbucht den Mietpreisstopp als Erfolg. Andreas Babler, neuer Vizekanzler und Wohnbauminister, beziffert die Entlastung auf 140 Millionen Euro im Jahr.
Eine Mietpreisbremse forderte die SPÖ bereits seit Langem. Dass jedoch ausgerechnet der teure Neubau ausgenommen bleibt, offenbart erneut die Komplexität des Mietrechts: Vollanwendung, Richtwert, Teilanwendung oder freie Mietverhältnisse – das österreichische Mietrechtsgesetz (MRG) ist zu einem Paragrafendschungel herangewachsen.
Immerhin betrifft „zur Miete wohnen“ mehr als die Hälfte aller Haushalte. Die Quote an Wohneigentum lag 2023 laut Statistik Austria bei 44 Prozent – eine der geringsten Eigentumsquoten in der Europäischen Union. Das zeigt, wie wichtig das Wohlwollen von Mieterinnen und Mietern politisch ist, vor allem in den Städten. Die KPÖ-Erfolge zeugen davon. Angesichts der anstehenden Wien-Wahl ist das eine Entlastungsmaßnahme, die für SPÖ auch politisch gelegen kommt.
Staatliche Eingriffe in die Mietpreise werden seit der Teuerungskrise diskutiert. Die Entkopplung der Mieten vom VPI, die Kennzahl, die die Inflation misst, wurde bereits 2022 von vielen Ökonominnen und Ökonomen angeregt – bei weitem nicht nur von Linken. Während der Hochphase der Inflation schlugen sich steigende Preise direkt auf die Mieten nieder, da viele Verträge eine Wertsicherungsklausel enthalten. Steigende Mieten haben die Inflation weiter befeuert.
WIFO-Chef Gabriel Felbermayr schlug 2023 noch andere Indizes als den VPI vor. Zwar wäre das ein Wohlstandsverlust für Vermieter gewesen, aber einer, den wohlhabendere Eigentümer verkraften würden.
Der Industrie-nahe Thinktank Agenda Austria sieht hingegen keine Mietpreisspirale. Ökonom Jan Kluge argumentiert, dass nicht alle Menschen zur Miete wohnen und deswegen der direkte Einfluss der Mieten auf den VPI gering sei. „Im Grunde geht es hier um eine Wertsicherung aus Sicht der Vermieter und die ist nicht mehr gegeben“, sagt Kluge. Mietsteigerungen seien ein Symptom und nicht die Ursache der Teuerung.
Spekulation und Neubau
Warum es am Mietmarkt so heiß geworden ist, erklärt sich Arbeiterkammer-Ökonom Thomas Ritt mit Immobilienspekulationen: „In den letzten Jahren wurde viel gebaut – nicht zum Wohnen, sondern als Anlageobjekte in der Nullzinsphase.“ Ritt befürwortet kurzfristige Eingriffe, sieht aber langfristig Reformbedarf im Wohnbau. Eine automatische Vollanwendung des Mietrechtsgesetzes nach 30 Jahren könnte helfen, leistbare Mieten zu sichern. Aktuell stünden viele Wohnungen als Wertanlagen leer.
Kluge plädiert ebenfalls für strukturelle Reformen. Aber hingehend zu einem Vergleichsmietensystem wie in Deutschland. Freier Mietzins nach Logik des freien Marktes auf Zeit, um einen Anreiz zum Bauen zu schaffen, danach ein ähnliches Kategoriensystem wie bisher, welcher sich aber am allgemeinen Mietspiegel orientiere – Verlierer wären vor allem privilegierte Altmieter. Um leistbaren Wohnraum zu schaffen, müsse schlicht mehr gebaut werden, so Kluge. Der beste Anreiz für Investoren sei Rentabilität.
Vermieterschreck: Mietrechtsgesetz
So einfach wie die Bremse werden die anderen Regierungsvorhaben zum Megathema Wohnen nicht umsetzbar sein. Darunter:
- Zweckwidmung der Wohnbauförderung: Diese soll wieder ausschließlich für Wohnbau verwendet werden – bisher finanzierten die Länder damit teils Projekte wie Kreisverkehre.
- Verlängerte Mietverträge: Die Mindestbefristung soll von drei auf fünf Jahre steigen.
Durchaus verständlich ist es, dass Vermieter über den verstärkten Mieterschutz naturgemäß wenig erfreut sind. Wer Wohnungen vermietet, hat unterschiedliche Interessen: Instandhaltung, Erweiterung und letztlich sollen sich Investitionen auch rentieren. Das MRG macht dahingehend einen Strich durch die Rechnung. Investoren können anfangs Gewinne erzielen, langfristig soll das öffentliche Interesse an der Sicherstellung von Wohnraum überwiegen – soweit die Theorie.
Praktisch jedoch bevorteilt das MRG oft Altmieter – mit Kündigungsschutz und Erbrechten. Die Agenda Austria spricht gar von einem „Mietadel“. Wer in einer vor 1953 privat errichteten Zinshauswohnung lebt, unterliegt im privilegierten Vollanwendungsbereichs des MRG. Wer in einer 1960er ohne Fördermittel erbauten Wohnung lebt, gilt als Neubau und fällt aus dem regulierten Bereich. Und dann gibt es noch den Teilanwendungsbereich – alles sehr kompliziert.
Die Großbaustelle Mietrechtsreform zu Gunsten von Mietern wird der Wohnbauminister vermutlich – wie die vergangenen Bundesregierungen – nicht umsetzen können.
Kluge warnt jedenfalls vor Markteingriffen: „Wenn das auch für Neubauten gilt, muss man sich fragen: ,Wer baut dann noch?’“ Antworten, die der Wohnbauminister bald liefern muss, denn der Wohnungsmarkt kriselt an mehreren Ecken: schwache Bauwirtschaft, Wohnungsnot in Städten und Klimaziele.
Klimafitter Wohnbau
Neben leistbarem Wohnen bleibt die Dekarbonisierung eine Mammutaufgabe für den neuen Wohnbauminister. Thermische Sanierungen, der Umstieg von Gasetagenheizungen auf Wärmepumpen oder Fernwärme – all das kostet Geld. Das Problem: Während Eigenheimbesitzer ein direktes Interesse an energieeffizienten Maßnahmen haben, fehlt dieser Anreiz bei Mietwohnungen. Vermieter scheuen oft den Umstieg in moderne Heizsysteme – auch, weil alte Heizungen nach wie vor funktionieren. „Sie haben jetzt vor zwei Jahren eine Gasetagenheizung montiert. Und wir machen eine Fernwärme rein, am liebsten mit effizienter Fußbodenheizung. Dafür reißen wir den neu verlegten Boden raus“, erklärt AK-Wohnexperte Thomas Ritt. Die Grundfrage, die sich in all diesen Fällen stellen wird, ist: „Wer entschädigt mich für meine Investitionen, die ich gemacht habe.“
Mieter leiden unter steigenden Kosten, Vermieter sorgen sich um ihre Investitionen. Leistbares Wohnen und rentablen Wohnbau unter einen Hut zu bringen, wird ein Balanceakt für den neuen Wohnbauminister werden.