Österreich

Grüne wollen höhere Parkgebühren für SUV

Fast jeder zweite neuzugelassene Pkw in Österreich ist ein SUV. Für die Grünen sind sie nicht nur Spritfresser, sondern auch Platzvernichter.

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Höher gelegt ist das neue tiefer gelegt. Im ersten Halbjahr entfielen bereits 44 Prozent der neu zugelassenen Pkw auf SUV („Sport Utility Vehicles“). Die meisten sind in der Bundeshauptstadt unterwegs, jeder fünfte neue SUV hat ein Wiener Kennzeichen. Der Trend zum Stadtgeländewagen oder zur Geländelimousine spiegelt die Alterung der Gesellschaft wider; in einen SUV ein- und auszusteigen ist ungleich bequemer als sich aus einem tiefergelegten Sportwagen zu schälen. Marktforscher haben zudem festgestellt: Männer fühlen sich in einem SUV mächtiger, Frauen sicherer.

Auf dem Weg zur Klimawende wirken die Boliden wie Geisterfahrer. Sie verbrauchen deutlich mehr Sprit als normale Pkw. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten aber gerade die Co2-Emissionen im Straßenverkehr massiv eingebremst werden. Länger, höher, breiter - die Grünen wollen diesen Trend am Automobilmarkt nicht einfach so hinnehmen. Neben dem höheren Spritverbrauch der SUV stoßen sie sie sich am Platz, den übergroße Pkw in den Städten einnehmen. Deswegen fordern sie in Wien und Graz höhere Parkgebühren für SUV oder Pick-Ups – nach Pariser Vorbild.
 

Ringen um urbanen Lebensraum

„Übergroße Fahrzeuge sind in den Städten zu wahren Platzvernichtern geworden. Angesichts der rapid wachsenden Zahl an SUV fordern wir eine gerechte Bepreisung des Parkraumes gemessen an Breite und Länge der Fahrzeuge“, sagt die für Stadtplanung und Mobilität zuständige Wiener Landtagsabgeordnete, Heidi Sequenz.  Es sei „einfach ungerecht“, dass „kleine, sparsame Autos genauso viel zahlen wie übergroße PKW“. Nach dem Konzept der Wiener Grünen sollten SUV und Pick-Ups mehr fürs Parkpickerl zahlen, der Rest von der Erhöhung ausgenommen sein.

Grünes Vorbild Paris

Die Grazer Vizebürgermeisterin Judith Schwentner von den Grünen sagt: „Ein Großteil  unseres städtischen Lebensraums wird derzeit von parkenden Autos beansprucht. Wir müssen uns neue Fragen stellen, wie wir mit so vielen, immer größer und schwerer werdenden Autos umgehen sollen.“ Man verfolge die Entwicklung in anderen Städten ganz genau – unter anderem in Paris.

In der französischen Hauptstadt hat der Stadtrat im Juni einstimmig beschlossen, die Parkgebühren zu staffeln. Ab Januar 2024 müssen Besitzer von SUVs mit höheren Parkgebühren rechnen. Weniger Abgase, dafür mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer hat sich die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo auf ihre Fahnen geschrieben.

Politisch und rechtlich umstritten

Vor den Wiener Gemeinderatswahlen 2025 brauchen sich Wiener SUV-Fans nicht vor teureren Parkpickerln zu fürchten. Die Grünen sind in Opposition. Die Regierungsparteien SPÖ und Neos erteilen dem grünen Ansinnen auf Nachfrage eine Absage. In Graz gibt es mehr Konsens in der Koalition aus Grünen, Kommunisten und SPÖ. Doch das reicht nicht. Für die Einführung einer unterschiedlichen Bepreisung fürs Parken braucht es eine Änderung des Steiermärkischen Parkgebührengesetzes durch den Landtag.

Nicht nur politisch, auch rechtlich sind die SUV-Parkgebühren eine harte Nuss. In der deutschen Stadt Tübingen wurden sie bereits eingeführt. Bemessen werden sie am Gewicht der Fahrzeuge: Schwerere Autos zahlen 180 statt 120 Euro. In einer weiteren deutschen Pionier-Stadt in Sachen SUV-Parken, Freiburg, zählte die Länge. Für Autos bis 4,21 Meter Länge kosten die Parkausweise 240 Euro im Jahr; Modelle bis 4,70 Meter zahlen 360 Euro, über dieser Länge fallen 480 Euro an. Im Juni kippte das Bundesverwaltungsgericht die Regelung: ein so deutlicher Kostenaufschlag bei wenigen Centimetern unterschied in der Fahrzeuglänge sei unverhältnismäßig. Jetzt wird nach Alternativen gesucht.

Höher gelegt, aber kein Schlachtschiff

„SUV ist nicht gleich SUV.“ Den Verkehrswirtschaftsexperten des ÖAMTC, Martin Grasslober, stört die Dämonisierung der höher gelegten Fahrzeuge. Er hat die Neuzulassungs-Statistik seziert und herausgefunden, dass 80 Prozent „Medium-SUV“ seien wie zum Beispiel die Modelle Toyota Yaris oder T-Roc und T-Cross von Volkswagen. „Sie sind höher, aber meist nicht länger, breiter oder schwerer als ein durchschnittlicher Mittelklassewagen, die Mehrzahl hat auch keinen Allradantrieb.“ Jeden SUV automatisch mit großen Fahrzeugen wie einem Porsche Cayenne gleichzusetzen, sei nicht gerechtfertigt.

Höhere Parkgebühren, die sich nach der Länge der Fahrzeuge richten, könnten auch Fahrzeuge treffen, die keine SUV sind, gibt Grasslober zu Bedenken -  etwa längere Familienfahrzeuge oder Klein-Lkw. Die Grünen wollen das mit Ausnahmen für Familien, behinderte Menschen oder Unternehmen verhindern. Eine gestaffelte Parkgebühr gespickt mit Ausnahmen könnte sich allerdings in ein kleines Bürokratiemonster verwandeln.

E-Autos als die "guten" SUV?

Oder soll statt der Länge das Gewicht zählen, wie in Tübingen? Das könnte wiederum auch E-Autos treffen, die keine SUV sind, wendet der ÖAMTC-Experte ein. Wegen der Batterie sind E-Autos schwerer als Benziner.

SUVs, die mit Strom betrieben sind, lösen bei den Stadtgrünen gemischte Gefühle aus. Fast jeder fünfte neuzugelassene SUV ist laut Statistik ein E-Auto. Sie verursachen keine klimaschädlichen Emissionen und gelten dadurch als „sauber“. Deswegen müssten sie im Sinne der Klimaziele von einer höheren Parkplatzgebühr ausgenommen werden. Andererseits nehmen sie kleineren Pkw genauso viel Platz beim Parken weg wie ein SUV mit Verbrennermotor.

„SUV-Steuer“ bremste Boom nicht

Der grüne Vorstoß zum teureren SUV-Parken ist nicht der erste Versuch, den Trend zu immer größeren, breiteren und längeren Autos aufzuhalten. 2020 führte die Regierung auf Betreiben von Umweltministerin Leonore Gewessler eine sogenannte „SUV-Steuer“ ein. Durch die Ökologisierung der motorbezogenen Versicherungssteuer wurden Pkw mit höherem Co2-Ausstoß benachteiligt – was direkt auf SUV oder Pick-ups abzielte. „Die Stinker werden teurer“, sagte der grüne Vizekanzler Werner Kogler damals. Die Autokäufer blieben davon unbeeindruckt. Seit 2020 stieg der SUV-Anteil von knapp über 30 Prozent auf heuer 44 Prozent. Laut Klimaministerium sei der Anteil von emissionsfreien Fahrzeugen durch die Reform deutlich gestiegen. Das stimmt. Immerhin fahren 18 Prozent der neuen SUV elektrisch. Doch 30 Prozent waren Benziner und weitere 19 Prozent Diesel-SUV.

Plug-in-Hybrid als Mogelpackung?

Ein umweltpolitischer Streitfall sind sogenannte Plug-in-Hybride. Bei diesem Fahrzeugtyp, auf den bereits elf Prozent der neu zugelassenen SUV entfielen, können Lenker selbst bestimmen, ob sie mit Strom oder Verbrenner fahren. Deswegen zählen sie zu den „sauberen“ Fahrzeugen und werden steuerlich geschont. Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) kritisiert jedoch, dass in der Fahrpraxis meist der Verbrenner läuft. "Studien haben gezeigt, dass in der Fahrpraxis drei mal so viel co2 ausgstoßen wird, wie von den Herstellern angegeben."

Handele es sich um ein Dienstfahrzeug, bei dem Lenker den Sprit nicht aus der eigenen Tasche, sondern per Tankkarte bezahlen, sei der Anreiz zum umweltbewussten E-Antrieb noch kleiner, argumentiert der VCÖ.

Der SUV als Manager-Bonus

Und Dienstfahrzeuge sind bei neuen SUV nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Zwei Drittel der neu zugelassenen SUV wurden von Unternehmen angeschafft, geht aus der Statistik hervor. „In etlichen Unternehmen gibt es nach wie vor die alte Denke: Je höher die Management-Ebene, desto größer muss der Dienstwagen sein. Außerdem werden Firmenwagen steuerlich begünstigt“, sagt Gratzer. Andererseits stellen immer mehr Unternehmen die Flotte auf E-Antrieb um. „Wir sehen, dass der Anteil an neuen E-Autos bei Unternehmen über jenem bei Privatpersonen liegt“, heißt es aus dem Umweltministerium. Das können dann eben auch E-SUVs sein.

Deutscher "Autopapst" Dudenhöffer für teureres SUV-Parken

Zahlen für den Extra-Fahrspaß

Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer forderte eine Verdoppelung der Parkgebühr ab einer gewissen Fahrzeuggröße bereits 2018. Seine jahrzehntelangen Analysen der deutschen Autobranche haben dem 72-Jährigen den Ruf des „Autopapstes“ eingebracht. „Von Fahrern großer Autos höhere Parkgebühren zu verlangen, ist nichts Unanständiges. Sie zahlen ja auch mehr für den Sprit, weil ihnen das Konzept SUV einfach Spaß macht.“

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.