Gustav Kuhn: "Quälen Sie Ihr Kaninchen?"
Das Interview mit Gustav Kuhn erschien in profil 10/2018 vom 5.3.2018.
Lesen Sie weiters:
Musiker und Ex-Angestellte brechen ihr schweigen: Umfassende Anschuldigungen gegen Erl-Intendant Kuhn.
Gustav Kuhn über Liebe, Macht und anonyme Anschuldigungen.
Das Interview findet in den Räumlichkeiten von Unique relations statt. Geschäftsführer Josef Kalina übernahm die Krisenkommunikation für den in Bedrängnis geratenen Intendanten der Tiroler Festspiele Erl, Gustav Kuhn, 72. profil führt das Gespräch mit Kuhn über ein Festnetztelefon mit eingeschaltetem Lautsprecher. Mit im Raum ist auch Medienanwalt Michael Krüger. Er brachte gegen den Tiroler Blogger Markus Wilhelm eine Unterlassungsklage und eine Klage wegen Kreditschädigung ein. Auf Wilhelms Website dietiwag.org finden sich namentlich nicht gezeichnete Schilderungen, in denen von Ausbeutung und schlechter Bezahlung vor allem von Künstlern aus Weißrussland die Rede ist. In einem Schreiben werden Kuhn zudem sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Letzteres darf Wilhelm laut einer Einstweiligen Verfügung des Landesgerichts Innsbruck vom vergangenen Freitag nicht mehr verbreiten. Dirigent Kuhn gründete die Tiroler Festspiele Erl vor 20 Jahren und brachte hier die großen Wagner-Opern auf die Bühne. 2005 stieg Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner als Präsident ein.
profil: Wie geht es Ihnen? Kuhn: Mir geht es gut, danke. Das ist aber nett.
profil: Sind Sie denn unbeeindruckt von den Vorwürfen, die gegen Sie im Raum stehen? Kuhn: Da ist man nicht unbeeindruckt, aber ich glaube, dass die Sache klar ist. Der Doktor Krüger sitzt ja bei Ihnen. Wenn es falsche Behauptungen sind, noch dazu ehrenrührige, muss ich sofort klagen. Das ist nicht lustig. Aber warum soll es mir schlecht gehen? Okay, es geht mir nicht schlecht. Danke.
profil: Die vom Blogger Markus Wilhelm gesammelten Vorwürfe reichen von Lohndumping, Ausbeutung, pausenlosen Proben, Niedermachen von Musikern und Sängerinnen bis zu Anzüglichkeiten und sexuellen Übergriffen. Kuhn: Jajajaja. Alles Unsinn! Wir haben vier Jahre Prüfungen hinter uns. Lohndumping gibt es nicht und alle anderen Vorwürfe werden geklagt. Ende. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nichts Besseres bieten kann.
profil: Wie erklären Sie sich diese Angriffe? Es gibt inzwischen 70 Schilderungen, von denen etwa zehn in den Bereich sexueller Übergriffe fallen. Kuhn: Wenn ich sage, Sie haben ständig Schwierigkeiten mit Ihrem Kaninchen und quälen dieses arme Tier, und ich stelle das in einen Blog, was sind das für Zustände? Nein, da mache ich nicht mit! Ich bin ganz ruhig. Außerdem muss ich arbeiten, wir haben einen Parsifal vor uns.
Das ist keine Sängerin, sondern höchstwahrscheinlich ein Fake.
profil: Halten Sie die Vorwürfe für erfunden, vermuten Sie dahinter eine Handvoll Menschen oder 70 verschiedene? Kuhn: Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen. Es gibt genug Menschen, die Zeit haben. Sie sind doch nicht neu auf dem Gebiet: Es kann ein Mensch auch 20 Mal unter verschiedenen Namen schreiben, das sind dann 20 Anschuldigungen. Ich habe mich immer entschuldigt, wenn ich zur Technik sage: Seid ihr alles Amateure? Natürlich sagt man das in der Aufregung einer Probe. Aber bitte kommen Sie, sprechen Sie mit den Technikern, alle sind zufrieden, alle sind glücklich, wir haben eine fantastische Atmosphäre.
profil: Es gibt ein Schreiben mit sehr heftigen Anschuldigungen. Es klingt, als hätte eine Frau mit viel Detailwissen es verfasst. Haben Sie eine Idee, wer die Absenderin ist? Kuhn: In der Tirol-"Krone" sagt ein sehr bekannter, fantastischer Sänger, diese Schilderung kann nur von einem Mann kommen; diese Details haben Bühnenbildner oder solche Leute, das ist keine Sängerin, sondern höchstwahrscheinlich ein Fake.
Ich selbst lese diese Blogs nicht, ich bin ja nicht wahnsinnig, was soll ich so einen Unsinn lesen? Ich muss am Parsifal arbeiten.
profil: Es klingt eher nach Frau, wenn von Betatschen und Begrapschen die Rede ist. Kuhn: Entschuldigen Sie, es kann doch auch ein Mann als Frau schreiben, haben Sie das noch nicht verstanden? Der Sänger, der Herr Kupfer, nimmt das an, weil er die Diktion kennt. Ich selbst lese diese Blogs nicht, ich bin ja nicht wahnsinnig, was soll ich so einen Unsinn lesen? Ich muss am Parsifal arbeiten.
profil: Dann frage ich Sie geradeheraus: Schließen Sie sexuelle Übergriffe aus? Kuhn: Von meiner Seite kann ich das hundertprozentig ausschließen, ich kann sie fast auch für alle meine Mitarbeiter ausschließen, weil bei uns die Atmosphäre so nicht ist. Wissen Sie, ich mache diesen Beruf 50 Jahre. Noch nie ist so etwas an mich herangetragen worden. Warum jetzt? Glauben Sie nicht, dass etwas anderes dahinter ist?
profil: Reden wir über Macht: Wie würden Sie Ihren Umgang damit beschreiben? Kuhn: Die "Ring"-Inszenierung in Erl ist nichts anderes als der Versuch, den Umgang mit Macht und Liebe darzustellen. Also, wenn man Macht ausübt, hat die Liebe keine Chance. Das ist ungefähr der tiefste Sinngehalt von Wagners "Ring". Da habe ich in 16 Stunden Musik als Regisseur schön ausdrücken können, wie gefährlich Macht ist. Darum gehe ich besonders vorsichtig damit um und muss immer lachen, wenn jemand sagt: Sie sind ja Dirigent, da üben Sie Macht aus. Nein, ich übe keine Macht aus! Sondern ich versuche, jeden Musiker dazu zu bewegen, die Liebe zur Musik so zu empfinden, wie ich sie empfinde. Darum heißt mein Buch auch: "Aus Liebe zur Musik".
profil: Ich habe mit einer Sängerin gesprochen, die ebenfalls anonym bleiben will: Sie sagt, Sie hätten eindeutig zweideutig zu ihr gesagt: Wer in Erl spielen will, müsse nach Ihrer Flöte tanzen. Kuhn: So ein Blödsinn! Ich habe gehört, ich kann meine Quelle nicht namentlich nennen, dass Sie Ihr Kaninchen quälen. Warum tun Sie das? Quälen Sie Ihr Kaninchen nun oder nicht?
profil: Ich habe keines. Kuhn: Bitte sagen Sie Ihrer Quelle, diesen Satz kann ich nie und nimmer gesagt haben. Wissen Sie, wie so etwas passiert? Die Tiroler Festspiele gibt es 20 Jahre. Da kann es schon sein, dass jemand kommt und sagt, warum spiele ich nicht diese Rolle? Und irgendwie versuchen Sie, das so gut und so edel und so anständig zu machen, wie Sie irgend können. Und am Schluss kommt heraus, dass es einfach beruflich nicht ausreicht, und Sie geben sogar den Rat: Schauen Sie, so eine kleine oder mittlere Karriere ist anstrengend; machen Sie etwas anderes. Der Herr Holender war einmal Sänger, und dann 19 Jahre Wiener Staatsopernchef. Manche machen etwas anderes, und manche verlieren sich im großen Frust. Das tut uns natürlich allen leid. Aber es gibt keine anderen Gesichtspunkte als die Qualität.
profil: Ich habe auch noch mit einigen anderen gesprochen... Kuhn: Viele Leute haben mir von Ihrem Kaninchen erzählt, viele, viele, viele.
profil: Stimmt es, dass Sie in Lucca unter einem Gemälde vom letzten Abendmahl sitzen, und es darf niemand zu essen beginnen, bevor Sie den Löffel heben und... Kuhn: Hahahaha, seien Sie mir nicht bös.
Ausbeutung gibt's nicht. Schluss. Aus. Ende.
profil: Im Moment reden wir über Macht. Kuhn: Ich habe doch schon erklärt, dass ich damit vorsichtig umgehe. Dann kommen Sie in meine Inszenierung und Sie sehen, wie Wotan leidet, weil er hin und her geworfen wird. Er weiß, dass ihn die Machtausübung vernichtet.
profil: Zum Vorwurf der Ausbeutung Kuhn: Ist alles geregelt. Ausbeutung gibt's nicht. Schluss. Aus. Ende. Ist ja auch von der Krankenversicherung und Sozialversicherung alles geprüft.
profil: Können Sie das belegen? Kuhn: Sie brauchen nur das Amt anrufen, es ist alles geprüft, was widerrechtlich oder auch nur unmoralisch in der Bezahlung sein könnte. Und zum anderen Thema kann ich nur sagen: Ich bin absolut nicht dafür, dass Macht auch nur minimal missbraucht wird, schon gar nicht gegen Frauen, weil sich die schlechter wehren können, aufgrund der sozialen Situation, die auf der Welt herrscht. Schauen Sie, wie die Leute, die bei uns arbeiten dürfen, glücklich sind. Fragen Sie nicht mich, warum sie jedes Jahr wiederkommen, fragen Sie die Leute. Dann haben wir die Sache geklärt. Und ich frage Sie nicht mehr nach Ihren Kaninchen.
profil: Interessiert es Sie, wer so schlecht über Sie redet? Kuhn: Ob Sie es glauben oder nicht, nein. Manche finden es grauenhaft, was ich dirigiere, manche finden es viel zu gut. Deshalb ist es ja so schwer in der Kunstszene, weil die Bewertung nicht maßstabsgetreu erfolgen kann, sondern nach Gutdünken. Ein Komponist hat mir so was von rührend geschrieben, voll des Lobes. Ich könnte Ihnen das schicken. Aber noch besser ist, wenn Sie zu uns kommen und ohne auch nur eine minimale Einschränkung reden können, mit wem Sie wollen. Sie haben jede Freiheit.
profil: Das Angebot nehme ich an. Kuhn: Gut so!