Gutachten spricht von „enthumanisiertem Desaster“ in niederösterreichischem Pflegeheim

Im SeneCura-Heim in Kirchberg am Wechsel besteht laut Sachverständiger eine „ernstliche Gefahr für das Leben der Bewohner“.

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Ein von der NÖ-Landesregierung beauftragtes Sachverständigengutachten, das profil vorliegt, zeigt grobe Verfehlungen im Pflegeheim in Kirchberg am Wechsel (Bezirk Neunkirchen) auf. Die SeneCura-Einrichtung erfüllte zum Prüfungszeitpunkt Mitte Februar 2021 den Mindestpersonalschlüssel nicht, den das Land Niederösterreich vorschreibt. Alleine im August 2020 fehlten auf das absolute Minimalsoll 620 Arbeitsstunden von diplomierten Krankenpflegern und Pflegeassistenten. Die Dienstplanorganisation war „grob fahrlässig“.

Die Folge: Die Bewohner würden laut Gutachten „systematisch in die Inkontinenz gedrängt“, weil mit ihnen kein Toilettentraining durchgeführt werde. Auch das Trinktraining dürfte vernachlässigt worden sein. Stattdessen wurden den Pflegebedürftigen einfach Infusionen angehängt. Die Gutachterin schreibt von einer „ernstlichen Gefahr für das Leben der Bewohner“ und „gefährlicher Pflege“. Der Bericht listet etliche „Pflegeschäden“, darunter Wundliegegeschwüre.

Im Falle einer 93-jährigen Bewohnerin, deren Pflegebedürftigkeit jahrelang falsch eingeschätzt wurde, ist gar von einem „entmenschlichtem Desaster im Pflegeassessment“ die Rede. In dem Heim erfolgte laut Gutachten „kein professionelles Schmerzmanagement“. Es wurden Opioide, die für Einzelfall bestimmt sind „ohne Feststellung der Schmerzintensität als Dauermedikation verabreicht“. Und: „Nach dem Mittagessen sitzen die Bewohner beschäftigungslos herum“, schreibt die Sachverständige. Die SeneCura bestritt das gegenüber „profil“. Es gebe sehr wohl „Angebote für gemeinsame Aktivitäten“. Zu den Verfehlungen in der Pflege wollte der Heimträger nichts sagen.

„Es macht uns betroffen, dass die Situation in dem Haus in Kirchberg offenbar nicht immer unseren hohen Qualitätsstandards entsprochen hat“, erklärte die SeneCura in einer schriftlichen Stellungnahme. Man kooperiere mit den Behörden und es sei bereits eine neue Pflegedienstleiterin bestellt worden, die nun „intensivierte Pflegevisiten“ durchführe. Die Corona-Situation habe sich entspannt und Mitarbeiter aus anderen Häusern würden zugezogen. Nun erfülle man die vorgeschriebene Mindeststundenanzahl.

Auf profil-Anfrage erklärte das Land, eine weitere Kontrolle Anfang April habe ergeben, „dass es eine Reihe von Mängel und Versäumnissen gibt, die Pflege und Betreuung der Bewohner zu jeder Zeit aber sichergestellt ist bzw. war“. Wenn die vorgeschriebenen Maßnahmen wie gefordert umgesetzt werden, komme „eine behördliche Schließung der Einrichtung derzeit nicht in Betracht“.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.