Haben wir die richtige Regierung?
Guten Morgen!
Wir Journalistinnen und Journalisten gelten als gnadenlose Besserwisserinnen und Besserwisser, die bequem aus der ersten Reihe fußfrei kritisieren, urteilen und der Politik gute Tipps geben, ohne jemals Gefahr laufen, irgendetwas davon umsetzen zu müssen. Daher gleich zu Beginn: Politik ist ein verflixt komplizierter Job – schon in "normalen" Zeiten. Ganz besonders in Zeiten wie jetzt, wo sich gleich mehrere Krisen überlappen: Die Corona-Pandemie und deren Folgen (Stichwort Schulen, Stichwort Pflegemisere, Stichwort Staatsschulden) ist noch lange nicht vorbei. In unmittelbarer Nachbarschaft führt ein unberechenbarer russischer Präsident einen brutalen Angriffskrieg. Millionen flüchten aus der Ukraine. Die Inflation klettert auf immer neue Höhen, allein Haushaltsenergie verteuerte sich laut Berechnungen der Energieagentur um 42,4 (nein, kein Tippfehler) Prozent. Noch dazu ist Österreich in beängstigendem Ausmaß von russischem Gas abhängig. Auf keine dieser Krisen gibt es einfache Antworten, daher ist Politik derzeit besonders schwierig.
Es wäre aber reichlich tröstlich zu wissen, wenn in Österreich eine Regierung am Werk wäre, die zumindest ansatzweise vermittelt, einen Plan zu haben und entschlossen an der Bewältigung der Multi-Krisen zu arbeiten. Leider ist das Gegenteil der Fall: Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer und die Grüne Umweltministerin Leonore Gewessler vergeuden Energie mit Matches um die Frage, wer in der Krise untätig sei. ÖVP-Allzweckwaffe Elisabeth Köstinger taucht kurz als "Rohstoffministerin" auf und in der Funktion gleich wieder unter. Eine Neutralitätsdebatte wird von Kanzler Karl Nehammer für beendet erklärt, bevor sie überhaupt begonnen hat. Von anderen Ministerinnen und Ministern hat man bis auf neue Frisuren und Ablösegerüchten länger nichts mehr gehört.
Wann gedenkt die Regierung Klartext zu reden? Wer schwingt sich zum Cheferklärer oder zur Cheferklärerin auf? Wer vermittelt Führung? Der Vergleich macht sicher und ein wenig neidisch: Die Auftritte des deutschen Grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck gehen viral, er schildert offen und realistisch die Schwierigkeiten, mit den Krisen umzugehen – und gibt dennoch das Gefühl, dass hier entschlossen gearbeitet wird. In Österreich ist niemand in Sicht, der diese Rolle einnimmt. Und immer mehr Menschen stellen sich immer drängender die Frage: Haben wir wirklich die richtige Regierung mit den besten Köpfen, um die multiplen und komplizierten Krisen zu bewältigen? Oder sind alle mit heimischen Affären wie den Inseraten-Kalamitäten ausgelastet?
PS: Ich bin Historikerin, zu meinen Lieblingsrubriken gehört naturgemäß "profil vor 25 Jahren". Daraus lässt sich stets allerhand lernen, etwa über den großen Abstand zwischen der Ankündigung von Reformen – und deren Umsetzung. In dieser Woche ist in der 25-Jahre-Kolumne zu lesen, dass Bundeskanzler Viktor Klima (können Sie sich noch an ihn erinnern?) vollmundig und voller Tatendrang das Aus für „Luxuspensionen“ versprach. 25 Jahre später ist Viktor Klima längst Politgeschichte. Manch üppige Sonderpension in staatsnahen Bereichen gibt es, trotz allerhand Reformversuchen von mehreren Kanzlern, hingegen immer noch. Manchmal ist Politik eben sehr kompliziert. Aber: Wie soll Österreich große Krisen bewältigen, wenn selbst vergleichsweise Lappalien wie diese Sonderpensionen derart lange dauern?
Haben Sie einen unkomplizierten Freitag!
Eva Linsinger