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Hassnachrichten an Spitzenpolitiker: „I schlitz di auf“

Politiker:innen sind in den sozialen Medien mit Hass und Drohungen konfrontiert. Werner Kogler ging diese Woche gegen eine Twitter-Userin vor. Solche Klagen von Regierungsmitglieder sind allerdings selten – zu selten, sagt eine Expertin.

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In diesem Text kommen Schilderungen sexueller Gewalt sowie explizite Sprache vor. 

Der Brief ist an eine hochrangige Spitzenpolitikerin adressiert und wurde mit der Hand unterschrieben. Im Absenderfeld steht der Klarname des Senders. Er schreibt davon, die Politikerin „während ihrer Periode einmal so richtig durchzuficken“, dann könne sie auch nicht schwanger werden. Er fordert sie auf, sich bei ihm zu melden, er sei schon „ganz geil“ und würde sie auch „jederzeit in den Arsch oder ins Maul ficken“. 

Die betroffene Politikerin ist gegen diese namentlich gezeichnete Drohung nicht juristisch vorgegangen und möchte anonym bleiben. Es ist jedoch bei weitem nicht die einzige Zuschrift dieser Art, die sie bekommen hat. Hassnachrichten- und kommentare an Spitzenpolitiker sind die Regel, vor allem auf Social Media. Dass Spitzenpolitik anstrengend sein kann, ist bekannt. Was Regierungsmitglieder allerdings jeden Tag an Hetze erdulden müssen, bleibt oft deren Geheimnis. 

Bis zu 500 Kommentare scannen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Grünen Bundespartei täglich – alleine auf den Accounts von Vizekanzler Werner Kogler. Zumeist würden hier personenbezogene und mitunter rassistische Beleidigungen, Beschimpfungen und Unterstellungen auftreten, so eine Sprecherin der Grünen, die profil Beispiele für Hasspostings übermittelt hat.

Am heftigsten seien die Hasskommentare bei Politikerinnen wie Lena Schilling und Leonore Gewessler, die regelmäßig Vergewaltigungs- und andere direkte Drohungen bekommen, so die Grünen. 

„Frauen in der Politik sind sowieso immer exponierter, an ihnen arbeitet man sich besonders abwertend und übergriffig, oft auch in sexualisierter Form, ab. Das verläuft aus meiner Sicht auch sehr stark entlang von parteipolitischen Auseinandersetzungen“, erklärt die Medienanwältin Maria Windhager, die häufig auch Politiker:innen vertritt, darunter Werner Kogler zu Beginn dieser Woche. Kogler hatte ein Verfahren gegen eine Twitter-Userin angestrengt, die abwertende Äußerungen über ihn gepostet hat. Der für Montagnachmittag geplante Verhandlungstermin wurde abberaumt, weil die Userin die Aussagen gelöscht, sich entschuldigt sowie die Verfahrenskosten übernommen hat. 

Die Grünen gehen immer wieder rechtlich gegen schwere Fälle von Hass im Netz vor, die meisten Causen werden gar nicht öffentlich.

Im Regelfall gehe es dabei um die Tatbestände der üblen Nachrede und der Beschimpfung. In einigen Fällen wurden auch zivilrechtliche Klagen auf Unterlassung und ein Antrag auf eine einstweilige Verfügung eingebracht, etwaige Entschädigungsbeträge spendet die Partei.  

Das Büro von Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) übermittelt Gewaltandrohungen und gefährliche Drohungen zur Prüfung und Gefahreneinschätzung an die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). 

Die ÖVP-Bundespartei meldet strafrechtlich relevante Inhalte auf den Social Media-Accounts der ÖVP-Regierungsmitglieder der Polizei und löscht Postings, die gegen geltende Gesetze verstoßen. Auf Anfrage hat auch die ÖVP Beispiele für Hassnachrichten übermittelt, die sich regelmäßig unter den Postings oder in den Direktnachrichten der Regierungsmitglieder finden. Das krasseste Beispiel ist ein Instagram-User, der eine unverhohlene Morddrohung an einen ÖVP-Politiker schickt: „I schlitz di auf.“

Die ÖVP beobachtet außerdem, dass auf X (vormals Twitter) und Facebook mehr Hasskommentare auftreten als auf anderen Plattformen, auf LinkedIn sei der Umgangston „am höflichsten“, so ein Sprecher. „Auf Facebook und auf TikTok kommen mit großem Abstand die meisten problematischen Kommentare“ heißt es auch aus dem Büro von Staatssekretärin Plakolm.  

Hasspostings im Internet können mehrere Straftatbestände erfüllen, darunter Verleumdung, gefährliche Drohung oder Kreditschädigung. 2021 trat das „Hass im Netz“-Gesetzespaket in Kraft, das Betroffenen ermöglicht, ihre Rechte leichter durchzusetzen. Sie können seitdem unter anderem ein sogenanntes Mandatsverfahren einleiten, also ein zivilgerichtliches Sonderverfahren, bei dem Betroffene rasch einen Antrag auf Unterlassung stellen können. Das entsprechende Formular kann mittels ID Austria online ausgefüllt und an das zuständige Gericht übermittelt werden. 

Allerdings greift das Mandatsverfahren laut Anwältin Windhager in der Praxis nicht, denn: „Man hat sich das als niederschwellige Maßnahme vorgestellt, aber die betroffenen Personen brauchen komplexere Beratung und professionelle Begleitung, und das bieten die Gerichte offenbar momentan nicht an. Ich glaube, dass das alles einfach noch viel zu wenig bekannt ist und dass zu wenig Know-How da ist. Wir haben rechtlich ganz gute Grundlagen, aber sie müssen auch gelebt werden.“

Hier sieht Windhager vor allem Politiker:innen in der Pflicht: „Es ist bedauerlich, dass die bestehenden Instrumentarien zu wenig genutzt werden. Ich würde mir das gerade im politischen Bereich erwarten. Ich verstehe es, wenn Privatpersonen sich scheuen, rechtlich gegen Hass im Netz vorzugehen, weil das immer mit Risiko und Aufwand verbunden ist. Aber Politikerinnen und Politiker hätten die Ressourcen und die Mittel, um konsequenter gegen Hass im Netz, nicht zu verwechseln mit politischer Kritik, vorzugehen.“

„Wenn sich die betroffene Person zur Wehr setzt und ihre Rechtsmittel nützt, dann kann es für Hassposter sehr teuer werden“, erklärt Windhager – denn für Personen, die Hasskommentare verbreiten, können sehr schnell recht hohe Prozesskosten anfallen. „Da kann man gleich einmal mit fünf- bis zehntausend Euro rechnen, und wenn das durch alle Instanzen ausgefochten wird, mit einem Vielfachen davon.“

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.