Heinz-Christian Strache: "Wer bitte ist Jan Böhmermann außer ein Pausenclown?"
profil: Welche Bundeshymne haben Sie vorige Woche beim FPÖ-Neujahrstreffen gesungen? Strache: Wenn es nach mir geht, gehört die alte Version der Hymne von Paula Preradović wieder eingeführt, die ist schöner.
profil: Haben Sie den Text mit den Töchtern gesungen? Strache: Gar keinen, weil meine Stimme angeschlagen ist. Prinzipiell halte ich mich als Amtsträger an das Gesetz. Auch wenn ich als Privatperson die traditionelle Hymne bevorzuge.
profil: Die Hymne ist nur ein Punkt, in dem sich die FPÖ umstellen muss. Der Start als Regierungspartei verläuft holprig. Strache: Ich erlebe das Gegenteil. Aber die 100 Tage Schonfrist, die eine Regierung normalerweise hat, bekommen wir nicht.
profil: Die Schonfrist bekam von Ihnen niemand, die vorige SPÖ-ÖVP-Koalition geißelten Sie am zweiten Tag als "Stillstandsregierung". Strache: Das war ja eine Fortsetzung der alten Regierung. Wir hingegen setzen unsere Wahlversprechen zügig um. Kleine Einkommen sind in der Arbeitslosenversicherung entlastet, es gibt den Familienbonus. In den ersten vier Wochen ist mehr passiert als in den letzten zwölf Jahren. Eigentlich müsste mich SPÖ-Chef Christian Kern jeden Tag anrufen und fragen: Bei uns hat die ÖVP blockiert, wie schaffen Sie das?
profil: Was würden Sie antworten? Strache: Wir gehen auf der menschlichen Ebene anders miteinander um. Natürlich gibt es inhaltliche Unterschiede, aber die diskutieren wir aus. Im Gegensatz zu früher wollen beide das Beste für die Bevölkerung umsetzen. Momentan ziehen wir an einem Strang, und dadurch bewegt sich endlich was.
profil: Die FPÖ regierte drei Mal mit, immer zerriss es sie bald: 1986 in Innsbruck, 2002 in Knittelfeld, 2005 mit dem BZÖ. Warum soll es diesmal klappen? Strache: Mein Team und ich haben 2005 die FPÖ in einer katastrophalen Situation mit einem Riesenschuldenberg übernommen, haben sie gerettet, konsequent aufgebaut und bleiben uns seither treu. Und im Unterschied zu Jörg Haider übernehme ich als Obmann selbst Regierungsverantwortung und schicke niemanden vor. Man muss selbst involviert sein, um zu wissen, wo der Schuh drückt.
profil: Sie waren unter Schwarz-Blau I Wortführer der Regierungskritiker. Wie vermeiden Sie einen ähnlichen Aufstand? Strache: Dazu wird es nicht kommen, weil wir aus anderem Holz geschnitzt sind. 2000 war das Koalitionsübereinkommen das SPÖ-ÖVP-Papier mit wenigen blauen Einflüssen. Heute stehen 75 Prozent des FPÖ-Programms im Regierungsübereinkommen. Auch deshalb, weil die ÖVP mit großen Teilen unseres Programms in die Wahl ging.
profil: Und profitiert: In Wien verdoppelt sich die ÖVP laut Umfragen, die FPÖ verliert stark. Strache: In der Umfrage wurde ja nicht ich abgefragt. Entscheidend ist, wer in Wien zur Wahl antritt.
profil: Sie können nicht gleichzeitig Vizekanzler und Politiker in Wien sein. Strache: Gleichzeitig geht das nicht. Wir werden uns vor der Wien-Wahl in der FPÖ beraten. Offensichtlich wollen die Wähler keine Fortsetzung von Rot-Grün. Daher ist zu überlegen, ob ich 2020 - oder wann die Wahl stattfindet - antreten werde.
profil: Kündigen Sie gerade Ihren Rückzug als Vizekanzler in zwei Jahren an? Strache: Wenn es eine historische Chance gibt, in Wien erstmals seit 1868 und Cajetan Felder einen freiheitlichen Bürgermeister zu stellen, dann würden wir Überlegungen anstellen, wer wo die Verantwortung übernimmt.
profil: Die Frage stellt sich 2020. Aktuell gibt es Verwirrung über das Arbeitslosengeld: Müssen künftig Langzeitarbeitslose Sparbuch und Wohnung hergeben? Strache: Nein, wir wollen kein rot-grünes Hartz-IV-Modell, sondern ein "Arbeitslosengeld neu". Menschen, die hart gearbeitet haben und arbeitslos werden, sollen höheres Arbeitslosengeld bekommen.
profil: Derzeit 55 Prozent des Letztgehalts, im Schnitt 900 Euro. Wie viel soll es künftig sein? Strache: Die Experten rechnen gerade. Auf jeden Fall soll das Arbeitslosengeld anfangs höher sein und länger ausgezahlt werden. Erst dann soll es schrittweise absinken. Wer bis 50 brav gearbeitet hat und unschuldig den Job verliert, braucht keine Sorgen haben. Da wird niemals auf das Vermögen zugegriffen. Aber wer glaubt, nur drei Jahre arbeiten zu müssen und dann ein Leben lang von der Notstandshilfe leben zu können, bei dem schaut es anders aus.
profil: Wer ist unschuldig, wer schuldig arbeitslos? Strache: Es gibt genügend Beispiele, dass Arbeitslose vom Arbeitsmarktservice zum Vorstellungsgespräch in Unternehmen geschickt werden und mitteilen, sie haben kein Interesse am Job. Solche Durchschummler wollen wir treffen, wie, das wird verhandelt.
profil: Aber nicht von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, die wurde entmachtet. Strache: So stimmt das nicht. Die Regierungskoordinatoren Norbert Hofer und Gernot Blümel koordinieren. Und die Sozialministerin verhandelt natürlich das "Arbeitslosengeld neu".
Manchmal bekommt man den Eindruck, dass die Regierungsebene türkis ist und in den Ländern tiefschwarz dominiert. Da gibt es noch die alte ÖVP.
profil: Hat Hartinger-Klein Potenzial, zur neuen Elisabeth Sickl zu werden? Strache: Mit Sicherheit nicht. Wer Hartinger-Klein kennt, weiß, welche soziale Wärme und Fachkompetenz sie hat. Dass sie nicht aus dem Politgeschäft kommt, ist ob der großen Politikerverdrossenheit doch erfrischend.
profil: Auch ÖVP-Landeshauptleute poltern gegen das Ende der Notstandshilfe. Günther Platter sagt: Sparsame dürfen nicht die Deppen sein. Was antworten Sie? Strache: Eigentlich hat auch Herr Platter dem Regierungsprogramm zugestimmt. Manchmal bekommt man schon den Eindruck, dass die Regierungsebene türkis ist und in den Ländern Tiefschwarz dominiert. Da gibt es noch die alte ÖVP. Diesmal ist interessanterweise die FPÖ die geschlossenere Partei. Aber es ist Wahlkampf in Tirol.
profil: Ihr Wahlkampfauftakt mit Trommlern fiel sogar dem deutschen Satiriker Jan Böhmermann auf. Strache: Wer ist bitte Jan Böhmermann außer ein Pausenclown und "Berufs-Kasperl"? Die Trommler sind eine internationale Band, die auch bei der SPÖ, KPÖ und der ÖVP auftrat. Die Vorwürfe sind daher selbstentlarvend und peinlich.
profil: Es gibt auch andere Vorwürfe: Innenminister Herbert Kickl will Flüchtlinge "konzentrieren", das werten viele als bewusste Provokation. Strache: Also, ich habe mir Kickls Pressekonferenz extra angesehen. Man hört deutlich, dass das keine Provokation war. Denn als Kickl das Wort "konzentrieren" verwendete, hat er ausdrücklich nicht von Lagern gesprochen. Es ist unredlich, alles in eine katastrophale Fehlinterpretation zu treiben.
profil: Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der Kickls Wortwahl kritisierte, ist unredlich? Strache: Der Bundespräsident hat zu Recht von der Verantwortung der Sprache gesprochen. Und ich mahne die Verantwortung der Interpretation durch Journalisten ein. Man muss nicht alles künstlich zum Skandal machen.
profil: Warum passieren derartige Skandale in der FPÖ so häufig? Strache: Die passieren bei uns nicht häufiger als anderswo. Es gibt überall einzelne Dodeln mit einem unsauberen Verhältnis zur Geschichte. Gerade im heurigen Gedenkjahr ist uns in der FPÖ die geschichtliche Verantwortung sehr bewusst. Der Nationalsozialismus, der Holocaust, die sechs Millionen ermordeten Juden sind die größte Katastrophe unserer Geschichte. Das Gegenwartsproblem ist der importierte Antisemitismus durch den Islam und der politische Islam.
profil: Sie waren bei der Vandalia. Jetzt kommen viele Burschenschafter in Ministerien. Strache: Das sind ja anständige Bürger und keine gefährlichen Staatsfeinde. Die SPÖ hat ihren Sozialistischen Akademikerverband als Personalreserve, bei der ÖVP ist es der CV, und bei uns sind es halt Landsmannschaften und Burschenschaften.
profil: Gehen Sie heuer auf den Akademikerball? Strache: Ich habe es vor.
profil: Und auf den Opernball? Strache: Da werde ich keine Zeit haben. Ich war beim Polizeiball, gehe zum Jägerball und Akademikerball, dann reicht's. Ich bin nicht einer, der Tag und Nacht das Tanzbein schwingt.
profil: Zurück zu Kickl. Sollen Asylwerber in Containerdörfern und Lagern versammelt werden? Strache: Wir reden nie von Lagern, sondern von staatlichen Asylzentren. Das sind keine Massenquartiere. Das macht Sinn, weil viel Steuergeld in private Unterkünfte fließt.
profil: Der Rechnungshof der Stadt Wien sagt: Privatquartiere sind billiger. Strache: Das stimmt nicht. Das Ganze ist ein Asylgeschäft geworden, da muss man als Staat die Verantwortung übernehmen. Ich bin mir sicher, dass der Innenminister einen soliden Plan für Asylzentren vorlegen wird.
profil: Sie demonstrierten 2016 gegen ein Asylwerber-Quartier in Wien-Liesing. Damals waren Sie gegen Großquartiere, woher der Gesinnungswandel? Strache: Das war mitten im dicht besiedelten Wohngebiet, eine Katastrophe. Natürlich behagte das der Bevölkerung und uns nicht. Die Sorgen nehmen wir ernst.
profil: Wo sollen Asylwerber wohnen dürfen? Strache: Der Innenminister wird einen Vorschlag machen. Aber alle sollen mit Begriffen wie "Lager" vorsichtig sein.
profil: Die FPÖ ist mit Begriffen nicht zimperlich. Gefällt Ihnen der Begriff "Moslem-Mama", den die FPÖ Niederösterreich für Mikl-Leitner verwendet? Strache: Gar nicht, das ist ein überzogener Begriff. Aber die Landeshauptfrau fördert bedenkliche muslimische Vereine, das muss man kritisieren wie die Allmachtsstruktur der ÖVP in Niederösterreich. Wir müssen dort stark werden, damit die ÖVP nicht auf die Idee kommt, mit den Grünen oder der SPÖ zu koalieren. Auch in Salzburg, Tirol und Kärnten wollen wir verhindern, dass die ÖVP weiter mit den Grünen koaliert. Die ÖVP muss auch in den Ländern umdenken.
profil: Im Westen wird über die Mangelberufe-Liste diskutiert. Führt sie zu Zuwanderungswellen? Strache: Nein, im Gegenteil, der Mangelberuf-Erlass kam am 15. Dezember von SPÖ-Minister Stöger. Es ist lustig, wenn die SPÖ 150.000 Zuwanderer erfindet. Denn 2017 kamen nur 264 Personen.
profil: Die Wirtschaftskammer will die Mangelberufs-Liste erweitern, etwa um Köche. Strache: Es braucht da oder dort Spezialisten, etwa den speziellen Sushi-Koch aus Japan.
profil: Es geht eher um Hütten-Germknödelköche. Strache: Nein, das ist kein Mangelberuf, das wird die Wirtschaftskammer einsehen.
profil: Für Kammern wollten Sie als Maximalziel eine Volksabstimmung über die Pflichtmitgliedschaft, als Minimalziel halbierte Beiträge. Was wird daraus? Strache: Wir haben unser Maximalziel noch nicht aufgegeben. Wenn wir am Ende der Legislaturperiode die direkte Demokratie eingeführt haben, kann eine Volksabstimmung über das Ende der Pflichtmitgliedschaft stattfinden. Das würde mich freuen. Vorerst haben wir die Sozialpartner eingeladen, die Mitgliedsbeiträge deutlich zu senken.
profil: Und wenn sie der Einladung nicht folgen? Strache: Ich bin optimistisch, dass Arbeiter- und Wirtschaftskammer die Notwendigkeit erkennen, ihre Mitglieder zu entlasten.
profil: Zu CETA ist keine Volksabstimmung möglich. Schmerzt Sie das? Strache: Das schmerzt sehr. Wir wollten die rot-schwarze Altlast CETA und andere EU-Themen in einer Volksabstimmung behandeln. Leider war das eine rote Linie der ÖVP. Wir hätten deswegen die Koalitionsverhandlungen abbrechen können. Dafür hätten unsere Wähler jedoch kein Verständnis gehabt.
profil: Sie sind für Beamte und Sport zuständig. Ihre Vorgänger als Vizekanzler waren Wirtschafts- oder Finanzminister. Warum wollten Sie kein gewichtigeres Ressort? Strache: Kanzler und Vizekanzler tragen die Oberkoordination. Und der öffentliche Dienst und der Sport sind wichtige Bereiche. Unser Ziel ist, nur jede dritte Stelle, die durch Pensionierungen frei wird, nachzubesetzen. Mit der Digitalisierung müssen die Strukturen effizienter und schlanker werden. Bei Bildung und Sicherheit werden zusätzliche Planstellen geschaffen.
profil: Sollen Beamtenpensionen rascher harmonisiert werden? Strache: Es wird Harmonisierungsschritte geben, in der Gesundheit und auch bei Pensionen.
profil: Sie sind auch Sportminister. Derzeit gibt es Missbrauchsvorwürfe. Machen der Skiverband und Präsident Schröcksnadel genug für die Aufklärung? Strache: Ich habe großen Respekt vor ÖSV-Präsident Schröcksnadel. Er hat einen großartigen Verband auf die Beine gestellt, auf dessen Sportler und deren Leistungen wir alle stolz sein können. Und zum Missbrauch muss ich sagen: Es gibt beim ÖSV keinen einzigen Vorfall, der ein Verfahren nach sich zieht. Frau Werdenigg erhebt schwere Vorwürfe, welche geklärt werden müssen. Ich würde sie gerne einladen und mit ihr sprechen.
profil: Schröcksnadel wird als Super-Macho kritisiert. Strache: So empfinde ich ihn nicht. Eher als jemand, der leidenschaftlich für den Sport lebt. Jemand so zu kategorisieren, ist völlig fehl am Platz.
profil: Ihr ORF-Stiftungsrat Steger kategorisiert Fragen von Armin Wolf als "unbotmäßig". Mied die FPÖ deshalb zuletzt ORF-Sendungen? Strache: Ich stehe laufend Rede und Antwort. Aber ich muss nicht jeder Einladung folgen. Und dem Zuseher fällt schon auf, dass der ORF eine Schlagseite hat.
profil: Wo zum Beispiel? Strache: Da soll sich jeder Seher selbst ein Bild machen. Im ORF braucht es eine Reform, die sicherstellt, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag erfüllt wird. Aber ich freue mich auf jedes Interview mit Armin Wolf. Manchmal ist es gut, sich aneinander zu reiben.
profil: Sie rieben sich stets an Karl-Heinz Grasser. Er steht vor Gericht. Sah die FPÖ die Malversationen nicht? Strache: Ich kommentiere sicher keinen laufenden Prozess. Aber klar ist: Damals gab es Glücksritter. Mein Team hat alle Höhen und Tiefen mit mir erlebt, das sind keine Leute, bei denen Egomanie oder der schnöde Mammon im Vordergrund steht. Und zur Erinnerung: Die Partei, in der Grasser fast Obmann geworden wäre, heißt ÖVP.