Heinz-Christian Strache: "Schießen kann ich“

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache zum Thema "Freiheit“.

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INTERVIEW: EVA LINSINGER, CHRISTIAN RAINER

Das Interview erschien in der profil-Ausgabe vom 14. August.

profil: Wir wollen über das Thema Freiheit reden. Manche Politiker sagen nach ihrem Rückzug: Endlich bin ich frei. Macht Politik so unfrei? Heinz-Christian Strache: Nein. Ich bin ja in der Politik, um Freiheit voranzutreiben. So gesehen ist es die größte Freiheit, die ich in großer Dankbarkeit erleben darf - ein Antrieb, für mehr Freiheit in dem Land zu sein.

profil: Es ging eher um Sie persönlich. Strache: Als Politiker ist man immer in gewissen Rahmen definiert. Aber ich versuche so oft wie möglich, diese Rahmen auch zu übertreten.

profil: Ihr Vorgänger Jörg Haider hat ein Buch zum Thema geschrieben: "Die Freiheit, die ich meine“. Werden Sie auch ein Buch schreiben? Strache: Es gibt Bücher über mich, und ich denke auch daran, selbst eines zu schreiben. Wenn, dann soll es den Menschen HC Strache zeigen. Nach zwölf Jahren als Obmann komme ich ins beste Alter, stehe für Verlässlichkeit und Stabilität, habe Erfahrungen gesammelt und dadurch eine gewisse politische Reife.

Experten urteilen über Äußerlichkeiten. Demnach hätte Bruno Kreisky nicht einmal Ortskassier werden dürfen.

profil: Der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier sieht das kritischer. Er sagt: Neben Christian Kern und Sebastian Kurz sehen Sie alt aus, Ihre Popularität schwinde mit dem Verfall Ihrer Leiblichkeit. Strache: Ich bin mit mir selbst sehr zufrieden. Mit 48 Jahren fühle ich mich weder alt noch schwach. Es ist ja lustig, wie auf einmal Experten über Slim-Fit-Anzüge und andere Äußerlichkeiten urteilen. Demnach hätte Bruno Kreisky nicht einmal Ortskassier einer Bezirkspartei werden dürfen. Ich glaube, dass die Menschen nicht beurteilen, wer welche Anzüge oder welche Ohren hat, sondern schauen, wer für welche Inhalte steht. Und wir haben seit zwölf Jahren Themenführerschaft und wurden dafür auch immer wieder geprügelt.

profil: Wie definieren Sie Freiheit? Strache: Es entspricht freiheitlicher Geisteshaltung, dem einzelnen Menschen die Freiheit als höchstes Gut einzuräumen. Der einzelne Mensch ist jedoch stets in eine Gemeinschaft gestellt, die ebenfalls Träger von Freiheitsrechten ist - von der Familie bis zum Volk.

profil: Haider wollte die Dritte Republik. Schwebt Ihnen etwas Ähnliches vor oder war das ein Fehler? Strache: Das war ein guter, innovativer Ansatz. Wir brauchen eine Zeitenwende, um diese sozialpartnerschaftlichen, kammerstaatlichen Strukturen aufzubrechen, um dieses Land wieder wettbewerbsfähig zu machen. Es kann aber auch eine reformierte Zweite Republik sein, man braucht ja keine Dritte.

profil: Die FPÖ könnte nach der Wahl in der Regierung sein. Wenn Sie frei wählen könnten: Wäre Ihnen SPÖ oder ÖVP lieber? Strache: Die Wahlfreiheit wird man erst nach dem 15. Oktober bewerten können. Die SPÖ hat ja nach wie vor den aufrechten Parteitagsbeschluss, nicht mit der FPÖ zusammenzuarbeiten. Grundsätzlich sagen wir: Die stärkste Partei soll den Kanzler stellen. Wer immer es wird, wir werden mit jedem verhandeln.

profil: Es gibt das Gerücht, dass viele in der FPÖ lieber mit der SPÖ koalieren würden. Strache: Das ist wirklich nur ein Gerücht. Wir haben da und dort Schnittmengen - mit der SPÖ in der Sozialpolitik, mit der ÖVP in der Gesellschaftspolitik. Derzeit sieht es so aus, als wären die Schnittmengen mit der ÖVP deutlich größer, im Bereich Sicherheit, Familienpolitik und Zuwanderung.

profil: Klopfen wir ein paar Freiheitsthemen ab. Sie waren stets für die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in Arbeiter-, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer. Wäre das eine Koalitionsbedingung? Strache: Es braucht auf jeden Fall eine Reform. Die Maximalvariante wäre eine verbindliche Volksabstimmung zur Frage: "Wollt ihr weiter die Zwangsmitgliedschaft in den Kammern, und zwar in allen dreien?“ Wenn Kammern, dann soll es ein Freiwilligkeitssystem geben, der ÖAMTC und der ARBÖ funktionieren damit exzellent, weil sie gute Leistung bringen. Die Mindestvariante wäre, die Kammerumlagen zu halbieren.

profil: Thema Freiheit bei Ladenschluss: Sind Sie dafür, dass alle Geschäfte immer offen haben dürfen? Strache: Wenn das Familienbetriebe machen - dann ja. Bei Großkonzernen, wo Arbeiter nicht frei entscheiden dürfen, ob sie am Sonntag arbeiten, ist das etwas anderes. In Zonen wie der Wiener Innenstadt kann es hingegen sinnvoll sein, über längere Öffnungszeiten nachzudenken.

profil: Sind Sie jetzt dafür oder dagegen? Strache: Man muss das differenziert betrachten. Auf jeden Fall ist der Sonntag für uns heilig.

profil: Für wie viel Freiheit sind Sie bei der Gewerbeordnung? Sollen alle Gewerbe freigegeben werden? Strache: Wir sind für eine Entflechtung, denn derzeit sind viel zu viele Berufsgruppen erfasst. Zu einer gänzlichen Abschaffung der Gewerbeordnung wird es nicht kommen können, das wäre zu viel Freiheit.

In den USA zahle ich gerne Erbschaftssteuer, weil ich sonst kaum Steuern zahle.

profil: Steuern sind ja eine Art Freiheitsbeschränkung durch den Staat. Welches Steuersystem ist ideal? Strache: Wir sind Einnahmenweltmeister, aber auch Ausgabenweltmeister. Das Prinzip, dass wir mehr ausgeben, als wir einnehmen, müssen wir einfach durchbrechen. Viele arbeiten bis Juli für den Staat und zahlen 50 Prozent Steuern.

profil: 50 Prozent Steuern zahlt kein Lohnempfänger, schon allein wegen des steuerbegünstigen 13. und 14. Monatsgehalt nicht. Strache: Über die Feinheiten kann man diskutieren, aber wir sind Höchststeuerland.

profil: Außer bei Vermögen - da sind wir Steuerparadies. Strache: Dafür hat man ja vorher gearbeitet. Das Vermögen ist ja nicht gestohlen. Wir wollen doch nicht Leistungsträger für ihre Leistung bestrafen. Lieber machen wir eine Ausgaben- und Verwaltungsreform, über die wir seit Ewigkeiten reden. Wir müssen auch in dem Bereich Subventionen ganz genau hinschauen. Bis heute gibt es keine Transparenzdatenbank, aber Doppel- und Dreifachförderungen. Da ist viel Geld zu holen - das wir den Arbeitern, Angestellten und Unternehmen geben, um sie von den rot-schwarzen Raubrittern zu befreien.

profil: In den USA, dem Symbolland für Freiheit, gibt es Erbschaftssteuern, dafür sind die Steuern auf Arbeit geringer. Strache: In den USA zahle ich gerne Erbschaftssteuer, weil ich sonst kaum Steuern zahle. Bei uns ist die Struktur völlig anders. Bei uns sind die Leute schon zufrieden, wenn die Abgabenquote unter 40 Prozent liegt. Alles Nähere erfahren Sie, wenn wir unser Wirtschaftsprogramm präsentieren.

profil: Darauf warten wir seit fast einem Jahr. Strache: Wir heben uns das bewusst auf, damit sich dann alle gierig darauf stürzen.

profil: Bleiben wir in den USA. Dort gilt Waffenbesitz als Grundfreiheit. In Österreich werden Waffengesetze verschärft, demnächst sollen bestimmte Magazine für die Munition verboten werden. Ist das Gesetz zu rigide? Strache: Es war eine langjährige Forderung von uns, dass Polizisten oder Berufssoldaten einen Waffenpass beantragen und die Waffe privat führen können. Auch für gut beleumundete Bürger soll der Waffenbesitz erlaubt sein.

profil: Das ist ja erlaubt. Es geht darum, ob sie auch einen Waffenpass bekommen sollen. Strache: Das soll nach der Prüfung durch die Behörde möglich sein. Es sollte aber nicht nach dem amerikanischen Modell funktionieren, wo jeder eine Waffe im Supermarkt kaufen kann.

profil: Haben Sie eine Waffe? Strache: Ja. Aus sicherheitstechnischen Gründen will ich nicht mehr dazu sagen. Aber schießen kann ich.

profil: Anderes Freiheitsthema: Soll Abtreibung straffrei sein? Strache: Diese Freiheit gibt es. Wir wissen aus Erfahrung, dass viele ohne vorherige Beratung abtreiben und danach in ein großes psychologisches Loch fallen. Sie hätten vielleicht eine andere Entscheidung getroffen, wenn sie vorher jemand beraten hätte. Es wäre daher vernünftig, vor einem Schwangerschaftsabbruch eine verpflichtende Beratung durch Ärzte oder Psychologen vorzuschreiben.

profil: Soll jeder die Freiheit haben, aktive Sterbehilfe nach dem Vorbild der Niederlande oder Schweiz zu bekommen? Strache: Das ist ein ganz schwieriges Thema. Wenn es nur mehr um die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen geht, können medizinische Gerätschaften abgeschaltet werden. Diese passive Sterbehilfe ist okay. Aktive Sterbehilfe lehnen wir ab.

profil: Todesstrafe? Strache: Lehnen wir grundsätzlich ab, auch weil es die Gefahr von Fehlentscheidungen gibt.

profil: Größere Freiheiten: Zu den vier Grundfreiheiten der EU zählt die Niederlassungsfreiheit. Soll es da Einschränkungen geben? Strache: Das haben wir von Beginn an gefordert. Wir haben vorhergesagt, dass ein Schwall Osteeuropäer zu uns kommt und damit natürlich einen Verdrängungsprozess auslöst. Daher müssen wir überlegen, wie wir die heimischen Arbeitslosen vorrangig behandeln können. Andere EU-Bürger sollen gegenüber Österreichern Nachrang haben.

profil: Die größte EU-Zuwanderergruppe sind Deutsche. Wollen Sie Deutschen verbieten, in Österreich zu arbeiten? Strache: Die Deutschen haben ja auch teils Migrationshintergrund. Aber ich rede von Osteuropäern. Das können auch EU-Bürger sein, daher müssen wir mit der EU über eine Begrenzung verhandeln. In manchen Berufssegmenten ist das notwendig - etwa am Bau.

profil: Wenn die FPÖ in eine Regierung kommt, wollen Sie mit der EU über eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit verhandeln? Strache: Wir könnten es auch anders machen: in Österreich ein Gesetz dazu beschließen und abwarten, wie die EU reagiert.

profil: Soll sich an den anderen drei Grundfreiheiten der EU etwas ändern? Strache: Nein.

profil: Die Freiheit zu heiraten, wen man will, lehnen Sie ab. Warum? Strache: Ich vertrete die Position des traditionellen Familienbildes. Der Staat will ja nicht Sexualität fördern - da soll jeder leben, wie er will. Es ist das oberste Ziel des Staates, dass die Gesellschaft Zukunft hat. Und das passiert, wenn Mann und Frau sich finden und Kindern das Leben schenken. Diese Familien sollen den besonderen Status der Ehe bekommen. Alle anderen Formen von Partnerschaften sollen möglich sein, aber nicht als Ehe. Und Kinder sollen kein Bestellprodukt werden.

profil: Sie lehnen Adoption durch lesbische oder schwule Paare ab? Strache: Das ist ein zweifelhafter Mechanismus. In der eingeschränkten Form, wie es jetzt erlaubt ist, ist es vertretbar, sollte aber auf keinen Fall ausgeweitet werden.

Ich bin mit den Aussagen von Hübner nicht glücklich.

profil: Meinungsfreiheit. Darf Ihr Abgeordneter Johannes Hübner den Schöpfer der Verfassung, Hans Kelsen, mit klar diffamierender Absicht als "Kohn“ bezeichnen? Strache: Im Sinne der Meinungsfreiheit schon. Aber das bedeutet nicht, dass man so etwas unterstützen muss. Die Äußerungen sind so missbräuchlich gefallen, dass sie zu Kritik geführt haben. Der Dr. Hübner war gescheit genug, zu wissen, welche Kampagnisierung in Gang gesetzt wurde, dass er gesagt hat, das will er sich, seiner Familie und der FPÖ nicht antun.

profil: Fällt das, was er gesagt hat, noch unter Meinungsfreiheit? Strache: Unter den Begriff Meinungsfreiheit fällt es sicher. Aber gerade als Abgeordneter, auch mit einer historischen Verantwortung, sollte man besonders sensibel sein und vorsichtig formulieren. Hübner hat ja dezidiert gesagt, dass das nicht antisemitisch gemeint war. Das glaube ich ihm. Die Frage ist, ob man den Schaden durch derartige Aussagen in Kauf nimmt.

profil: Hätten Sie den Schaden in Kauf genommen? Strache: Ich bin mit den Aussagen nicht glücklich.

profil: Sollte das NS-Verbotsgesetz geändert werden? Strache: Grundsätzlich wäre es gut, wenn wir so etwas nicht bräuchten, weil jedem klar ist, dass sich dieser Wahnsinn nicht wiederholen darf. Mir fehlt vor allem die Sensibilität gegenüber aktuellen antisemitischen Bedrohungen - konkret dem Islamismus. Da ist auf einmal Schweigen im Walde.

profil: Jetzt kennen wir uns nicht aus, ob Sie das Verbotsgesetz ändern wollen oder nicht. Strache: Es soll Bestand haben, damit jeder weiß, das hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Seit ich Obmann der FPÖ bin, hat in der FPÖ eine Aufarbeitung der Vergangenheit und der NS-Geschichte stattgefunden. Der Antisemitismus hat nicht nur in unserer Gesellschaft, sondern hat auch in der FPÖ nichts verloren.

profil: Leichteres Thema: Freiheit der Kunst. Darf Kunst alles? Strache: Jeder soll die Freiheit haben, sich zu entscheiden - für oder gegen eine Religion, für oder eine Kunstform. Die Kunst soll ihre Freiheit haben, aber wir sollen nicht gezwungen werden, alles subventionieren zu müssen.

profil: Welche Künstler haben Sie zuletzt geärgert? Strache: Natürlich streiten wir seit Jahren über den Nitsch. Der hat schon eine künstlerische Begabung, aber es muss ja nicht alles subventioniert werden mit Steuermitteln.

profil: Sie sind für die Freiheit zu rauchen. Sind Sie auch gegen Rauchverbote? Strache: Ich bin sehr wohl für die Freiheit, in Lokalen im Nichtraucherbereich sitzen zu dürfen. Und ich bin für die Freiheit des Gastronomen, daneben auch einen Raucherbereich anzubieten.

profil: Ab dem Jahr 2018 soll die Gastronomie rauchfrei werden. Wollen Sie das ändern? Strache: Ich halte das gemischte System mit Raucher- und Nichtraucherzonen für viel besser. Wir sollten doch auch ein bisschen darauf hören, dass solche Zwangsentscheidungen von oben nicht sinnvoll sein.

profil: Soll Cannabis-Konsum freigegeben werden? Strache: Für medizinische Behandlung selbstverständlich. Alles andere lehne ich ab. Ich habe ja als Drogenpolitiker begonnen und weiß, dass Cannabis eine Einstiegsdroge ist und zu Schizophrenie führen kann.

profil: Haben Sie schon einmal gekifft? Strache: Einmal als Junger, im Gruppenzwang, da wollte ich nicht der Outsider sein und Nein sagen.

Sebastian Kurz ist als Integrationsminister für alle Probleme in der Integration verantwortlich.

profil: Wie bewerten Sie bisher die Amtszeit von Donald Trump? Strache: Ich stehe als österreichischer Politiker vehement zur Wiederbelebung der Neutralität zur Verfügung. Daher will ich zu allen internationalen Politikern, egal ob sie Putin, Merkel oder Trump heißen, gute Beziehungen pflegen, aber keine Wertung abgeben.

profil:Dann bewerten Sie doch Ihre beiden Mitbewerber um das Kanzleramt, Christian Kern und Sebastian Kurz. Strache: Im eigenen Land steht mir das ja zu. Der eine, Christian Kern, hat sich nie bei einer Wahl dem Bürger gestellt, und er zeigt, dass sich künstlich aufgebaute Marketingblasen nicht lange halten. Sebastian Kurz ist mit sieben Jahren längstdienendes Regierungsmitglied, der überall dabei war. Und er ist als Integrationsminister für alle Probleme in der Integration verantwortlich. Davon wird er auf Dauer nicht ablenken können.

profil: Mit wem würden Sie lieber auf ein Bier gehen? Strache: Am besten mit beiden gleichzeitig, dann kann mir der eine nichts über den anderen erzählen.

profil: Sie waren immer gegen die "Töchter“ in der Bundeshymne, hat sich das durch den Erfolg der Fußballerinnen geändert? Strache: Ich schätze Frauen grundsätzlich, weil sie Großartiges leisten. Aber wenn es um eine Hymne geht, dann sollten wir schon die Tradition beibehalten und sie nicht verändern. Vielleicht sollten wir unsere Frauen mit einer eigenen Hymne besingen.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin